Indigenes Argentinien
Die Fotoausstellung Grete Stern – vom Bauhaus zum Gran Chaco zeichnet den Weg der deutsch-jüdischen Fotografin nach
Argentinien zeigt sich. Gleich zwölf Mal präsentierte sich das Land vom Río de la Plata in Deutschlands Museen, zudem handelt es sich um den Ehrengast der Frankfurter Buchmesse. Neben Ausstellungen zu moderner Kunst, Comics und Matebechern sticht vor allem die Grete-Stern-Ausstellung in Berlin heraus. Eine besondere Herzensangelegenheit sei diese gewesen, so die Präsidentin des argentinischen Organisationskomitees für die Frankfurter Buchmesse, Magdalena Fallace, in ihrer Eröffnungsrede. Denn es gehe um nichts weniger als die Aufwertung der Ursprungsvölker Argentiniens. Die Indigenen seien ebenso Teil Argentiniens wie Borges, das Bandoneon und die Rinderherden der Pampa. Etwas ungewohnt klingen diese Töne aus einem Land, in dem indigene Völker bis heute für ihr Recht auf Leben und Lebensraum kämpfen müssen.
Es war eine deutsch-jüdische Emigrantin, Grete Stern, die 1963 in den Norden Argentiniens auszog, um den Gran Chaco und die Völker der Toba, Wichi und Mocoví zu porträtieren. 101 Fotografien dieser Reise stellt das Ethnologische Museum Berlin zur Zeit aus. Die Ausstellung zeigt den roten Faden in Sterns künstlerischem Schaffen, getreu dem Untertitel Vom Bauhaus zum Gran Chaco. Die Schau setzt zunächst mit Sterns Zeit in Deutschland ein, skizziert den Beginn ihrer Laufbahn beim Bauhauslehrer Walter Peterhans. Es folgt das erste Fotostudio ringl+pit mit innovativen Fotomontagen. Gerade als ringl+pit zu einer Marke wird, zwingen die politischen Umstände Grete Stern zusammen mit ihrem argentinischen Mann 1933 ins Exil zu gehen. Über Umwege gelangen sie schließlich nach Buenos Aires, wo sie gemeinsam ein Fotostudio eröffnen. Später arbeitet Stern als Fotografin und Restauratorin am Nationalmuseum für Bildende Künste.
Mit dem Chaco und seinen Ethnien kommt Stern erstmals bei einem Lehrauftrag an der Universität Resistencia in Kontakt. Mit einem Stipendium zieht sie dann monatelang von Siedlung zu Siedlung im Chaco, in Formosa und in Salta, porträtiert Angehörige der Toba, Wichi und anderer Ethnien. Ihre Fotografien zeugen davon, wie nah sie den Menschen gekommen ist. Dabei habe sie es fast immer geschafft, allen Porträtierten ihre Würde zu belassen, selbst den Ärmsten unter ihnen, so Luis Príamo, der argentinische Kurator der Ausstellung. Zu sehen sind in vier Bereichen die Kulturen in Bewegung, die Welt der Männer und die der Frauen und als letztes Kapitel Religion und Schamanismus. Neben den Fotos sind erstmalig kulturelle Objekte aus den ethnographischen Sammlungen des Museums zu sehen und treten in Dialog mit den Bildern. Die Fotos dokumentieren den Alltag, zeigen verschiedene Personen beim Handwerk, die Dorfgemeinschaft im Gottesdienst, Menschen bei der Arbeit und Menschen ohne Arbeit, Gesichter in Nahaufnahme.
Grete Stern wehrte sich, ihre Fotos mit einem politischen Anspruch zu verbinden. Auch keine ethnographische Arbeit wollte sie machen. Sie war Ästhetin durch und durch und diesem Credo folgten auch ihre Bilder. Und dennoch: Ihre Fotografien sind ein einzigartiges Dokument der indigenen Ethnien und ihrer Kultur vor 50 Jahren. Die Botschaft, ob sozialkritisch oder rein ästhetisch ist eindeutig: Diese kulturelle Vielfalt gilt es zu schützen.