Nummer 247 - Januar 1995 | Ökologie

Kernforderungen an den Klimagipfel ’95

Breites Bündnis will Umschwung in der Klimapolitik

Das Forum Umwelt und Entwicklung hat sich im Rio-Nach­folgeprozeß als Ar­beits- und Diskussionszusammenhang bundesdeutscher Umwelt- und Entwick­lungsgruppen eta­bliert. Unterstützt vom gemeinsamen Büro, der Projekt­stelle Umwelt und Entwicklung, wird derzeit bundesweit in acht thematischen Ar­beitsgruppen inhaltlich gearbei­tet. Um die politische Grundlage deutscher Nichtregie­rungsorganisationen in der Öffentlichkeits- und Lobby­arbeit im Vor­bereitungsprozeß auf den Berliner Klima­gipfel zu legen, hat die Arbeitsgruppe Klima des Forums zehn Kernforderungen an den Klimagipfel formuliert, die wir im folgenden dokumentieren. Sie sollen von mög­lichst vielen deutschen Or­ganisationen und Einzelperso­nen getragen werden, um als gemeinsame Platt­form ein politisches Signal an die Öffentlichkeit zu senden.

AG Klima des Forums Umwelt & Entwicklung

Die “Kernforderungen” werden anläßlich des von der Pro­jektstelle organisierten Vorbereitungs-Symposiums “100 Tage vor Berlin” am 16./17. Dezember in Bonn der Öffentlichkeit präsentiert.
Der weltweite Verbrauch von Kohle, Öl und Gas wird ohne ein deutliches Um­steuern im Energie- und Verkehrsbereich drastisch weiter zunehmen, wodurch die Emissionen des wichtigsten Treibhaus­gases Kohlendioxid bis zum Jahr 2010 um 50 Prozent ansteigen würden. Außer­dem tragen die industrialisierte (Über­schuß-)Landwirtschaft des Nordens und die Brandro­dung tropischer Wälder im Süden zu steigenden Emissio­nen von Kohlendioxid sowie anderer Treibhaus­gase, zum Beispiel Methan und Distick­stoff, bei. Die Folgen sind weiter stei­gende Temperatu­ren und langfristig wahr­scheinlich ein deutlicher Anstieg des Mee­resspiegels – ein Desaster für das Welt­klima.
Dessen ungeachtet haben es die Industrie­staaten in den zweieinhalb Jahren seit dem Erdgipfel in Rio versäumt, die Grundlage für eine wir­kungsvolle internationale Klimapolitik zu schaffen. Versäumt haben sie insbeson­dere, das Fundament für den Klimagipfel im Frühjahr 1995 in Berlin zu legen. Nur dem Engagement der 36 in der Al­liance of Small Island Sta­tes (AOSIS) zusammenge­schlossenen Inselstaaten ist es zu verdanken, daß in letzter Minute für die Ver­handlungen in Berlin der Entwurf eines Protokolls vorgelegt wurde – die ein­zige wirkliche Möglichkeit für völker­rechtlich verbind­liche Schritte zur Verminde­rung der Treibhausgase.
Die unterzeichnenden Ver­bände und Or­ganisationen setzen sich für einen umfas­senden Klimaschutz ein, der alle Treibh­ausgase umfaßt. Wir verlangen Konse­quenzen aus den wissenschaftlichen Er­kenntnissen der UN-Klima­tologen des International Panel on Climate Change (IPCC): Die Industrieländer müssen ihre Treibhausgase­missionen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent verringern.
Die Forderungen an den Berliner Klimagipfel
1. In Berlin muß ein Proto­koll verabschie­det werden, das die von den AOSIS-Staa­ten geforderten konkreten Reduzierungs­pflich­ten für alle Treibhaus­gase vorsieht: Die OECD-Staaten sollen sich in diesem Protokoll ver­pflichten, ih­ren Ausstoß von Koh­lendioxid bis zum Jahr 2005 im Ver­gleich zu 1990 um min­destens 20 Prozent zu re­duzieren. Weiter­gehende na­tionale Reduktionsziele und -ver­pflich­tungen, zum Bei­spiel die der Bundes­re­pu­blik Deutschland, bleiben da­durch unberührt.
2. Konkrete Maßnahmen zur Verringe­rung der Treibhaus­gas-Emissionen und zu einer ressourcenschonenden, um­weltfreundlichen Energiepo­litik müssen beschlossen werden:
* eine sozialverträgliche Energiesteuer in den Indu­striestaaten
* Integrierte Ressourcenpla­nung statt un­gehemmtem Kraftwerksbau
* eine höhere Energieeffizi­enz
* die Förderung und der Aus­bau regene­rativer Energien.
3. Wir fordern den Ausstieg aus der unbe­herrschbaren Atomenergie. Die Atomwirt­schaft behindert die für den Klimaschutz notwendigen kla­ren Entscheidungen für die weltweite ökologische Ener­giewende.
4. Eine Umkehr in der Ver­kehrspolitik ist in den In­dustieländern notwendig. Ober­stes Ziel muß die Ver­kehrsvermeidung sein. Bus und Bahn haben Vorrang vor Auto, Flugzeug und LKW-Ver­kehr.
5. Nachhaltige und umwelt­verträgliche Landbewirt­schaftung sowie der Erhalt und die ökologische Bewirt­schaftung der Wäl­der müssen dem Klimaschutz dienen.
6. Klimaschutz muß von den National­staaten zu Hause be­trieben werden. Das Konzept einer Joint Implementation leh­nen wir zu diesem Zeit­punkt ab.
7. Die Mittelvergabe der in­ternationalen Entwicklungs­banken muß künftig auch an den Zielen der Klimakonven­tion ausge­richtet werden. In den Vergabegremien dieser Banken müssen Industrie- und Entwicklungsländer paritä­tisch vertreten sein. Um­welt- und Entwicklungsorga­nisationen muß Beobachter­status gewährt werden. Eine entsprechende Resolution des Klimagipfels (Vertragsstaaten­kon­fe­renz) soll ein Zei­chen setzen.
8. Die Finanzmittel für den globalen Um­weltschutz müssen drastisch angehoben werden. Die Mittel der Gobal Eenvi­ronmental Facility, die auch Finanzie­rungsinstrument der Klimakonvention ist, sind hierfür erheblich aufzustoc­ken.
9. Umweltverträgliche lokale Technolo­gien müssen geför­dert werden. Zusätzlich muß der Transfer umweltverträg­licher Technologien in die Entwicklungsländer nach dem neuesten Stand von Wissen­schaft und Technik gewähr­leistet werden.
10. Die Bevölkerung muß über die dro­hende Klimakatastro­phe besser informiert und an der Entwicklung und Umset­zung von Klimaschutzstrate­gien auf allen Ebe­nen betei­ligt werden.

Weitere Informationen zu den Kernforderungen, der Unter­schriftenaktion und der Ar­beit des Forum Umwelt und Entwicklung gibt es bei der Projekt­stelle Umwelt und Entwicklung, Am Michaelshof 8-10, 53177 Bonn, Tel. 0228-35 97 04, Fax -90 96


Hola!

Wenn Dir gefällt, was du hier liest, dann unterstütze unsere ehrenamtliche Redaktion doch mit einem Abo! Das gibt's schon ab 29,50 Euro im Jahr. Oder lass uns eine Spende da! Egal ob einmalig 5 Euro oder eine monatliche Dauerspende – alles hilft, die LN weiter zu erhalten, Gracias ❤️

Ähnliche Themen

Newsletter abonnieren