Kernforderungen an den Klimagipfel ’95
Breites Bündnis will Umschwung in der Klimapolitik
Die “Kernforderungen” werden anläßlich des von der Projektstelle organisierten Vorbereitungs-Symposiums “100 Tage vor Berlin” am 16./17. Dezember in Bonn der Öffentlichkeit präsentiert.
Der weltweite Verbrauch von Kohle, Öl und Gas wird ohne ein deutliches Umsteuern im Energie- und Verkehrsbereich drastisch weiter zunehmen, wodurch die Emissionen des wichtigsten Treibhausgases Kohlendioxid bis zum Jahr 2010 um 50 Prozent ansteigen würden. Außerdem tragen die industrialisierte (Überschuß-)Landwirtschaft des Nordens und die Brandrodung tropischer Wälder im Süden zu steigenden Emissionen von Kohlendioxid sowie anderer Treibhausgase, zum Beispiel Methan und Distickstoff, bei. Die Folgen sind weiter steigende Temperaturen und langfristig wahrscheinlich ein deutlicher Anstieg des Meeresspiegels – ein Desaster für das Weltklima.
Dessen ungeachtet haben es die Industriestaaten in den zweieinhalb Jahren seit dem Erdgipfel in Rio versäumt, die Grundlage für eine wirkungsvolle internationale Klimapolitik zu schaffen. Versäumt haben sie insbesondere, das Fundament für den Klimagipfel im Frühjahr 1995 in Berlin zu legen. Nur dem Engagement der 36 in der Alliance of Small Island States (AOSIS) zusammengeschlossenen Inselstaaten ist es zu verdanken, daß in letzter Minute für die Verhandlungen in Berlin der Entwurf eines Protokolls vorgelegt wurde – die einzige wirkliche Möglichkeit für völkerrechtlich verbindliche Schritte zur Verminderung der Treibhausgase.
Die unterzeichnenden Verbände und Organisationen setzen sich für einen umfassenden Klimaschutz ein, der alle Treibhausgase umfaßt. Wir verlangen Konsequenzen aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen der UN-Klimatologen des International Panel on Climate Change (IPCC): Die Industrieländer müssen ihre Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent verringern.
Die Forderungen an den Berliner Klimagipfel
1. In Berlin muß ein Protokoll verabschiedet werden, das die von den AOSIS-Staaten geforderten konkreten Reduzierungspflichten für alle Treibhausgase vorsieht: Die OECD-Staaten sollen sich in diesem Protokoll verpflichten, ihren Ausstoß von Kohlendioxid bis zum Jahr 2005 im Vergleich zu 1990 um mindestens 20 Prozent zu reduzieren. Weitergehende nationale Reduktionsziele und -verpflichtungen, zum Beispiel die der Bundesrepublik Deutschland, bleiben dadurch unberührt.
2. Konkrete Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgas-Emissionen und zu einer ressourcenschonenden, umweltfreundlichen Energiepolitik müssen beschlossen werden:
* eine sozialverträgliche Energiesteuer in den Industriestaaten
* Integrierte Ressourcenplanung statt ungehemmtem Kraftwerksbau
* eine höhere Energieeffizienz
* die Förderung und der Ausbau regenerativer Energien.
3. Wir fordern den Ausstieg aus der unbeherrschbaren Atomenergie. Die Atomwirtschaft behindert die für den Klimaschutz notwendigen klaren Entscheidungen für die weltweite ökologische Energiewende.
4. Eine Umkehr in der Verkehrspolitik ist in den Industieländern notwendig. Oberstes Ziel muß die Verkehrsvermeidung sein. Bus und Bahn haben Vorrang vor Auto, Flugzeug und LKW-Verkehr.
5. Nachhaltige und umweltverträgliche Landbewirtschaftung sowie der Erhalt und die ökologische Bewirtschaftung der Wälder müssen dem Klimaschutz dienen.
6. Klimaschutz muß von den Nationalstaaten zu Hause betrieben werden. Das Konzept einer Joint Implementation lehnen wir zu diesem Zeitpunkt ab.
7. Die Mittelvergabe der internationalen Entwicklungsbanken muß künftig auch an den Zielen der Klimakonvention ausgerichtet werden. In den Vergabegremien dieser Banken müssen Industrie- und Entwicklungsländer paritätisch vertreten sein. Umwelt- und Entwicklungsorganisationen muß Beobachterstatus gewährt werden. Eine entsprechende Resolution des Klimagipfels (Vertragsstaatenkonferenz) soll ein Zeichen setzen.
8. Die Finanzmittel für den globalen Umweltschutz müssen drastisch angehoben werden. Die Mittel der Gobal Eenvironmental Facility, die auch Finanzierungsinstrument der Klimakonvention ist, sind hierfür erheblich aufzustocken.
9. Umweltverträgliche lokale Technologien müssen gefördert werden. Zusätzlich muß der Transfer umweltverträglicher Technologien in die Entwicklungsländer nach dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet werden.
10. Die Bevölkerung muß über die drohende Klimakatastrophe besser informiert und an der Entwicklung und Umsetzung von Klimaschutzstrategien auf allen Ebenen beteiligt werden.
Weitere Informationen zu den Kernforderungen, der Unterschriftenaktion und der Arbeit des Forum Umwelt und Entwicklung gibt es bei der Projektstelle Umwelt und Entwicklung, Am Michaelshof 8-10, 53177 Bonn, Tel. 0228-35 97 04, Fax -90 96