Ecuador | Nummer 478 - April 2014

„Leichtes Beben“ für den Präsidenten

Correas Partei verliert bei den Regionalwahlen deutlich an Boden

Nachdem Rafael Correa bei den Präsidentschaftswahlen im Februar 2013 mit einer überwältigenden Mehrheit von 57 Prozent wiedergewählt wurde, sieht sich seine Partei Alianza País ein Jahr später mit schweren Verlusten bei den Kommunalwahlen konfrontiert. Das Ergebnis zeigt, dass sich das starke Profil des Präsidenten nicht auf lokale Kandidat_innen projizieren lässt. Als Konsequenz des Resultats wird Correa die Regierung umbilden. Alle Minister_innen des aktuellen Kabinetts traten auf Weisung des Präsidenten geschlossen zurück.

Katharina Schwirkus

„Wir befolgen die Entscheidung des Präsidenten mit Freude“, kommentierte Ex-Verteidigungsministerin Maria Fernanda Espinosa stellvertretend für ihre Kabinettskolleg_innen die Maßnahme von Rafael Correa. Als Konsequenz des schwachen Abschneidens der Regierungspartei bei den Kommunalwahlen mussten auf Geheiß des Präsidenten alle Minister_innen zurücktreten, das Kabinett soll umgebildet werden. Mit diesem Schritt will Correa die Regierungspartei Alianza País mit Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen 2017 neu aufstellen. Mitglieder der Sozialistischen Partei – Breite Front (PS – FA) und der sozialdemokratischen Partei Avanza sollen durch Bündnisse an der Regierung beteiligt werden. Unmittelbar nach den Wahlen hatte Correa erklärt, dass es ein Fehler gewesen sei, auf lokaler Ebene keine Allianzen mit anderen Parteien gesucht zu haben.
Bei den Kommunal- und Bürgermeister_innen-Wahlen 2009 hatte Alianza País noch 72 der 221 Bürgermeister_innensitze und neun der 23 Präfekturen gewonnen, was den starken Rückhalt des nationalen Projekts der „Bürgerrevolution“ auf lokaler Ebene deutlich machte. Fünf Jahre später hat sich dieses Bild gewandelt. Bei den Regionalwahlen im Februar 2014 kam Alianza País zwar insgesamt noch auf 68 Bürgermeistersitze und bleibt somit auch auf lokaler Ebene stärkste Kraft. Der Verlust von fast allen Bürgermeisterposten in den bevölkerungsreichsten Städten gibt der Partei jedoch kräftig zu denken. Während Alianza País 2009 noch in sechs der zehn größten Städte Ecuadors Bürgermeister_innen stellen konnte, ist davon nach dieser Wahl nur noch einer übrig geblieben. Besonders bitter für die Correa-Partei ist der Verlust des Postens in der bisherigen Hochburg Quito. In der Hauptstadt gewann Mauricio Rodas, Kandidat der Mitte-Rechts-Partei SUMA, die zum ersten Mal angetreten war. Correa wies aber Aussaagen nationaler Medien zurück, die die Ergebnisse als Niederlage für Alianza País interpretiert hatten und bezeichnete stattdessen vor allem das Ergebnis von Quito als heilsamen Warnschuss für seine Partei. „Es ist sehr gut, dass wir dieses leichte Beben erlebt haben. Was in Quito passiert ist, ist schmerzhaft und gefährlich. Wahrscheinlich sind wir in ein Sektenwesen verfallen. Es konnte der Eindruck entstehen, dass wir uns auf unseren Lorbeeren ausgeruht haben“, analysierte er in einem Interview.
Zur zweitstärksten Partei auf lokaler Ebene wird die eineinhalb Jahre junge Mitte-Links-Partei Avanza, die 40 Bürgermeistersitze gewann. Pachakutik, der politische Arm der Indigenen-Dachorganisation CONAIE, schaffte es mit 25 Bürgermeisterposten die drittstärkste politische Macht zu werden. Die verhältnismäßige alte Partei (aus den 1990er Jahren) berappelt sich langsam von der Krise, in das sie die gescheiterte Regierungsbeteiligung unter Lucio Gutiérrez gestürzt hatte. So wurde Pachakutik in allen vier Präfekturen wiedergewählt, die sie 2009 gewonnen hatte. Alianza País gewann insgesamt in zehn Präfekturen, in zwei davon allerdings nur dank Parteienbündnissen. Die neue Mitte-Rechts-Partei SUMA gewann zwei Präfekturen. Die übrigen Präfekturen gewannen einzelne, zum Teil lokale Parteien. Der Leiter der entwicklungspolitischen Nichtregierungsorganisation Donum, Juan Cuvi führt das Ergebnis auf die „Zersplitterung der Opposition“ zurück und stellt fest: „Die meisten Parteien in Ecuador haben keine soziale Basis. Deshalb gibt es auch wenig Kontinuität in der politischen Landschaft. Vor jeder Wahl tauchen auf einmal hunderte verschiedene Parteien auf, um dann wieder genauso schnell zu verschwinden“. Trotzdem seien aus den Wahlergebnissen politische Konjunkturen zu erkennen: „Der größte Verlierer ist Alianza País. Die Partei ist fundamental mit ihrer Caudillismo-Strategie gescheitert. Der Verlust wichtiger Bürgermeisterposten wie Quito und Cuenca wird die Partei nachhaltig schädigen“. Die Wahlkampagne von Alianza País, in der Correa im Fokus stand, war im Vorfeld der Wahlen von vielen Medien kritisiert worden. Auf allen Wahlplakaten von Alianza País war Correa mit den jeweiligen Kandidat_innen für das Bürgermeister_innenamt zu sehen gewesen.
Unzufriedenheit mit der Regierungspolitik stellt auch der Pablo Ospina fest, Professor für Soziale und Globale Studien an der andinen Universität Simon Bolivar in Quito: „Viele der neuen PS- oder Avanza-Bürgermeister sind ehemalige Aktivisten von Alianza País, die aus der Partei ausgestiegen sind, weil sie mit der Wahl der Bürgermeisterkandidaten in der Regierungspartei nicht einverstanden waren“, schreibt er in einer Wahlanalyse. Die Konsolidierung der Partei Pachakutik erklärt der Politikwissenschaftler mit ihrer klaren Haltung gegen das extraktive Wirtschaftsmodell von Alianza País. Die Partei gewann schon 2009 das Präfekt Orellana, in dem der Yasuní-Nationalpark liegt und wurde hier mit einer deutlichen Mehrheit wiedergewählt. Die dortige Präfektin Guadalupe Llori hatte sich in den letzten Monaten klar gegen die Pläne Rafael Correas ausgesprochen, Erdölquellen im Nationalpark zu fördern (siehe LN 477, 471/72). Alianza País gewann keine einzige Präfektur im Amazonasgebiet und von 29 Bürgermeisterkandidat_innen, die die Erdölförderung im Yasuní unterstützen, wurden nur fünf gewählt. Auch in den Bergbauregionen Morona Santiago und Zamora Chinchipe, in denen Rafael Correa offenen Tagebau betreiben möchte, konnte Pachakutik seine Stärke ausbauen. Mit diesen Ergebnissen sind politische Auseinandersetzungen und starke Proteste gegen extraktive Wirtschaftsprojekte vorprogrammiert. Ospina beobachtet zudem das Erstarken der Konservativen in Ecuador: „Während sich die Rechte in Guayaquil die sechste Wiederwahl sichert, schafft die Regierung nicht mal eine in Quito und das trotz enormer Ausgaben für den Wahlkampf und die ganze Unterstützung durch regierungsnahe Institutionen“.
Als weitere Konsequenz aus dem schwachen Wahlergebnisses von Alianza País überlegt die Parteispitze laut Medienberichten nun offenbar ernsthaft, Rafael Correa für eine dritte Legislaturperiode nominieren zu wollen. In der Vergangenheit hatte Correa stets betont, nur die verfassungsrechtlich festgelegten zwei Perioden regieren zu wollen. Nach den Wahlen vom Februar gab er jedoch bekannt, dies noch einmal überdenken zu wollen. Angesichts der „dunklen Kräfte, die die Bürgerrevolution belauern“ sei eine erneute Kandidatur zum Schutze des politischen Projekts möglich. Das ecuadorianische Parlament hat mittlerweile das Verfassungsgericht angerufen, zu prüfen, welche Szenarien verfolgt werden könnten, um Rafael Correa eine weitere Kandidatur zu ermöglichen. Zwei Möglichkeiten sind denkbar: Die erste Variante wäre eine Verfassungsänderung, die lediglich eine dritte Amtszeit des/der Präsident_in für vier Jahre ermöglicht. Diese Änderung könnte durch Abstimmung im Parlament mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Da Alianza País 100 von 137 Sitzen im ecuadorianischen Parlament einnimmt, wäre das eine relativ reibungslose Variante. Allerdings müssten der Abstimmung zwei Parlamentsdebatten im Abstand von jeweils einem Jahr vorhergehen. Die erste Parlamentsdebatte könnte 2014, die zweite 2015 und die Abstimmung dann 2016 stattfinden – eine knappe Sache für eine mögliche Kandidatur 2017.
Das zweite Szenario verspräche zwar einen schnelleren, aber auch deutlich unwägbareren Prozess. Dieser würde eine Verfassungsreform mit dem Inhalt beinhalten, die Wiederwahl des/der Präsident_in auf unbegrenzte Zeit zu ermöglichen. Hierzu müsste der Präsident eine Volksbefragung einleiten. Juan Cuvi gibt jedoch zu bedenken, dass angesichts der lokalen Wahlergebnisse „eine Volksbefragung in einem Bumerang gegen Correa enden könnte, wenn die Bevölkerung diese als simples Wahlmanöver, frei von Legitimität, aufnimmt“. Zudem vermutet er im Vorschlag, Correa ein weiteres Mal kandidieren zu lassen, auch einen Schachzug gegen die erstarkende Linke. Der Parteivorsitzende von Avanza, Ramiro González kündigte bereits an, 2017 nur anzutreten, falls Correa nicht kandidiere und ansonsten eine weitere Kandidatur des Präsidenten zu unterstützen. Wer für die Rechte und die Partei Pachakutik 2017 kandidieren wird, ist derweil noch nicht absehbar.

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