Literatur | Nummer 576 - Juni 2022

LYRIK AUS LATEINAMERIKA

Ein Gedicht von Tania Favela

Von Tania Favela, Übersetzung: Silke Kleemann

Illustration: Joan Farías Luan (www.cuadernoimaginario.cl)

Sóplame al oído (dijo) que no vaya a decir ninguna estupidez
al oído y luego a la boca (sóplame) (dime ahí) en lo cóncavo
ahí (desde ahí) que resuene tu voz en silencio adentro
tu voz con todos sus sonidos en silencio (en lo cóncavo)
­-pensó- y pensó en ese caracol que es el oído
ese caracol que escucha la espiral -pensó también-
la voz entrando (o saliendo) por la espiral
(ahí sóplame) -dijo- al fondo de esa espiral arriba
la escalera de caracol?
-pensó- el vértigo de la caída
como si no pasara nada/ pero todo pasa
un susurro al oído -eso es todo- el aliento cálido que entra
-el caracol que se estremece- eso es todo
la vida -pensó- es un susurro.

Hauch mir ins ohr (sagte sie) bloß nichts dummes sagen
ins ohr und dann in den mund (hauche) (sag es mir dort) im hohlen
dort (von dort) damit deine stimme in stille widerhallt innen
deine stimme mit all ihren klängen in stille (im hohlen)
-dachte sie- und dachte an das ohr diese muschel
diese muschel die hört die windung -dachte sie auch-
die stimme dringt ein (oder geht hinaus) über die windung
(dorthin hauche) -sagte sie- bis hinten auf diese windung nach oben
schneckengewinde, wendeltreppe?
-dachte sie= der rausch beim fallen
als würde nichts passieren/ aber alles passiert
ein flüstern ins ohr -das ist alles- der warm eindringende atem
-die muschel erschauert- das ist alles
das leben -dachte sie- ist ein flüstern.

Tania Favela, geboren 1970 in Mexiko-Stadt, ist Dichterin und Essayistin. Zu ihren jüngsten Veröffentlichungen gehören der Gedichtband La marcha hacia ninguna parte (2018) und Remar a contracorriente. Fünf Poetiken: Hugo Gola, Miguel Casado, Olvido García Valdés, Roger Santiváñez, Gloria Gervitz (2019). Silke Kleemann, 1976 in Köln geboren, ist Übersetzerin spanischsprachiger Literatur, Lektorin und Autorin. Sie übersetzt Romane (Juan Filloy, Marina Perezagua, Katixa Agirre) ebenso wie Lyrik (Diana Bellessi, Claudio Rodríguez, Nicolás Guillén) und Kinder- und Jugendliteratur. 2020 erhielt sie das Arbeitsstipendium des Freistaats Bayern für literarische Übersetzer*innen. Gedicht und Übersetzung wurden im Katalog des Poesiefestivals Latinale Translator’s Choice. Übersetzen als poetische Utopie (parasitenpresse, 2021) erstmalig veröffentlicht und sind Teil einer an dieser Stelle erscheinenden Serie von Texten aus der Anthologie.

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