Literatur | Nummer 586 - April 2023

Lyrik aus Lateinamerika

Ein Gedicht von Giuliana Kiersz

Von Giuliana Kiersz (Übersetzung: Timo Berger)

El fin

I
El fin de las cosas nos acerca.
No sabemos qué queremos.
Sabemos qué no queremos.
No queremos que los edificios caigan.
No queremos que los puentes exploten.
No queremos que los autos sigan dando vueltas en el aire.
No queremos que llueva.
No queremos ver agua en todo lo que vemos.
No queremos dejar de querernos.
Nos acercamos.
Y esperamos juntos.
Y el olor que sentimos a quemado es cada vez más fuerte y el
cielo, más rojo.
Y no vemos hacia la ventana porque no queremos ver y nos
acostamos y nos empezamos a sacar la ropa.
Nos acostamos desnudos.
Uno al lado del otro.
El fin del mundo nos vuelve románticos.

Das Ende

I
Das Ende der Dinge bringt uns zusammen.
Wir wissen nicht, was wir wollen.
Wir wissen nur, was wir nicht wollen.
Dass Gebäude einstürzen.
Dass Brücken explodieren.
Dass Autos sich in der Luft überschlagen.
Dass es regnet.
Dass wir in allem, was wir sehen, Wasser sehen.
Dass wir aufhören, uns zu lieben.
Wir kommen zusammen.
Und warten gemeinsam.
Der Brandgeruch wird immer stärker, der
Himmel röter.
Aber wir blicken nicht zum Fenster, weil wir es nicht sehen wollen, und wir
legen uns hin und ziehen uns die Kleider aus.
Wir legen uns nackt hin.
Seite an Seite.
Das Ende der Welt macht uns romantisch.

Giuliana Kiersz (1991, Buenos Aires) ist Schriftstellerin, Dramaturgin und Künstlerin. In ihrem Schaffen erforscht sie unser Verhältnis zur Sprache in bestimmten Kontexten, um Welten zu bauen, die den politischen und sozialen Horizont verschieben. Ihr Werk El fin wurde mit dem X Premio Germán Rozenmacher ausgezeichnet und für das Internationale Festival Buenos Aires 2019 sowie das Festival Aleph 2020 inszeniert.

Timo Berger ist freier Journalist, Kulturveranstalter und Übersetzer. 2002 war er Praktikant der Lateinamerika Nachrichten. Als letzte Veröffentlichung gab er Buenos Aires. Eine literarische Einladung (Verlag Klaus Wagenbach, Berlin, 2019) heraus. Für die Veröffentlichung der ins Deutsche übersetzten Werke von Giuliana Kiersz ist er derzeit auf Verlagssuche und freut sich über sachdienliche Hinweise.

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