Mexiko | Nummer 286 - April 1998

Mexikanische Regierung im Alleingang

Präsident Ernesto Zedillo bringt Gesetzesentwurf zu “Rechten und Kultur der Indígenas” ins Parlament ein und ignoriert dabei die EZLN

Die mexikanische Regierung hat sich nach Auffassung ihrer Kritiker endgültig entschlossen, die aufständische Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) im Bundesstaat Chiapas politisch weitgehend zu ignorieren. Auch die offiziellen Vermittlungsinstanzen (Parlamentskommission COCOPA und Nationale Vermittlungskommission CONAI) sehen derzeit
wie Statisten aus.

Gerold Schmidt, POONAL

Dies ist der Eindruck, nachdem Präsident Ernesto Zedillo Mitte März einen Gesetzesentwurf unterzeichnete und ins Parlament einbrachte, der den Verfassungsartikel zu den Rechten und der Kultur der Indígena-Völker in Mexiko ändern beziehungsweise ergänzen soll. Der Kompromißvorschlag der COCOPA, vor längerer Zeit vorgestellt und von den Zapatisten gutgeheißen, ist damit hinfällig geworden.
Die Regierung erklärt, die Gesetzesinitiative halte sich vollständig an den Geist der mit den Zapatisten geschlossenen Abkommen von San Andrés vom Februar 1996. Die damals von beiden Seiten niedergelegten “politischen Absichten” seien nun in juristische Formeln umgewandelt worden. Zur Begründung für den Alleingang wird auf die anhaltende Weigerung der EZLN verwiesen, direkte Gespräche mit der Regierung zu führen. Die Zapatisten dürften nicht länger die Entwicklung des Landes bremsen. Innenminister Francisco Labastida spricht von einer zweiteiligen Strategie für Chiapas. Auf der einen Seite sollten die Rechte der Indígena-Völker berücksichtigt werden, auf der anderen Seite gehe es um den Friedensschluß mit der EZLN.
Diese Trennung ist für einen Teil der Opposition nicht nachvollziehbar. Porfirio Muñoz Ledo von der linksgerichteten PRD erklärte, ohne eine Einigung zwischen Regierung und Zapatisten sei mit Gesetzes- und Verfassungsreformen “nichts gewonnen”. Die Nationale Vermittlungskommission hat sich ebenfalls gegen die präsidentielle Initiative ausgesprochen. Sie stimme nicht mit den Vereinbarungen von San Andrés überein und sei als einseitiger Schritt abzulehnen.

Zweiteilige Strategie

Die Regierung fühlt sich offenbar aber ihrer Sache sicher. Dazu hat sie guten Grund. Parallel zur Aktion des Präsidenten hat auch die konservative PAN einen Entwurf zur Indígena-Gesetzgebung ins Parlament eingereicht. Regierungspartei PRI und die PAN haben gegenseitige Verhandlungsbereitschaft über die kaum voneinander abweichenden Initiativen verkündet. Zusammen könnten sie ein Gesetz ohne Schwierigkeit mit der notwendigen Mehrheit durchbringen.
Die Zapatisten und die sie unterstützenden Gemeinden sind militärisch keine Gefahr und von der Bundesarmee eingekreist. Nach wie vor schüchtern paramilitärische Gruppen die Zivilbevölkerung ein.
Das Massaker von Acteal, bei dem 45 Indígenas am 22. Dezember 1997 von Paramilitärs ermordet wurden, gerät bereits in Vergessenheit. Versteckt kann die mexikanische Regierung damit drohen, die aufgehobenen Haftbefehle gegen die zapatistische Führung könnten wieder eingesetzt werden, falls es nicht zum “Dialog” komme.
Die EZLN ist in der Defensive. Für sie ist das Regierungsvorgehen ohne Gesichtsverlust nicht hinnehmbar. Andererseits hat sie wenig Reaktionsmöglichkeiten. In den letzten Jahren hat sie immer wieder auf die zivile Opposition gegen die Regierung gesetzt.
Dieser Druck war nicht stark genug. Eine Stellungnahme der EZLN zur jüngsten Entwicklung steht noch aus. Im Raum steht die Befürchtung der PRD-Fraktion an die Adresse der Abgeordneten aller Parteien: “Machen Sie sich nicht zu Komplizen einer Initiative, die zur Erneuerung der Feindseligkeiten beitragen kann.”

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