Musik | Nummer 321 - März 2001

„Mi Like The Real Reggae“

Junior Kelly: ein neuer Shooting Star am Reggae-Himmel

Kein Land der Welt hat einen höheren Pro-Kopf-Ausstoß an Platten als Jamaica. Fast an jeder Ecke in der Hauptstadt Kingston gibt es ein Studio, vor dem sich Nachwuchskünstler drängen – in der Hoffnung, den großen Gig zu landen. Junior Kelly war einer von ihnen und er hat es geschafft. Mit seinem Debutalbum Rise(kursiv) hinterließ er 2000 einen bleibenden Eindruck in der internationalen Musikszene. Im Februar 2001 erschien sein neuestes Album Juvenile, mit dem Junior Kellys seine musikalische Weiterentwicklung unterstrich.

Katharina Kretzschmar

Mi like the real reggae – „Ich mag den richtigen Reggae“, sagt Junior Kelly. Richtiger Reggae im Gegensatz zum falschen? Ganz so krass würde es Junior Kelly wohl nicht ausdrücken, aber er macht kein Hehl daraus, dass er den Rootsreggae bevorzugt, also den traditonellen Stil, wie er von Bob Marley, Peter Tosh oder auch Burning Spear geprägt wurde.
Junior Kelly heißt mit bügerlichem Namen Keith Morgan und wurde in der ehemaligen Hauptstadt Spanish Town geboren. Sein älterer Bruder Jim Kelly gehörte zum legendären Killamanjaro Soundsystem. Von ihm bekam er erste musikalische Kniffe beigebracht. Doch der frühe Tod seines Bruders zwang ihn schon mit 13 Jahren, seinen eigenen Weg zu gehen. Die Verbundenheit zu seinem Bruder verewigte Keith Morgan in seinem Künstlernamen Junior Kelly.

Steiniger Weg

Der Weg nach oben war steinig. 1985 veröffentlichte er seine erste Single Over her body – ohne großen Erfolg. Erst zehn Jahre später kam Junior Kelly in die Schlagzeilen. Das Lied Go to hell von 1995 wurde vom jamaicanischen Radio und Fernsehen wegen seines extrem systemkritischen Textes verboten. Systemkritik ist eine Konstante in Junior Kellys Werk, der sich selbst als Performer und Entertainer beschreibt. Er möchte seinem Publikum etwas beibringen, indem er es unterhält. In seinem Stil, das Babylon System zu kritisieren, erinnert er an Sizzla, seit Ende der neunziger Jahre der neben Beeni Man wohl populärste Dancehallstar Jamaicas.
In der Terminologie der Rastas steht Babylon als Synonym für die herrschenden staatlichen und kirchlichen Strukturen und das bürgerliche Establishment. Der Kampf dagegen ist ein wichtiges Thema in der jamaicanischen Musik und vor allem im Rootsreggae. Rootsreggae behandelt hauptsächlich Themen aus der Philosophie der Rastafaris, er ist nicht einfach eine Musik, sondern eine Lebensweise. Junior Kelly hat eine Vorliebe für diesen authentischen Reggae.
Er selbst sagt, dass er von dem modernen, heute in der Dancehall vor allem angesagten Ragga nicht viel hält. Junior Kelly verweigert sich gängigen Trends. Er prangert die zunehmende Orientierung am american way of life auf Jamaica an. Er sieht darin die Gefahr, dass die in der Kultur der Rastafari verkörperten afrikanischen Werte verloren gehen. Schon jetzt ist für ihn der Schuldige klar, falls der Reggae untergehen sollte: das Kabelfernsehen und die Medien.
Von den Schlagzeilen zum Durchbruch dauerte es weitere vier Jahre. Dieser gelang ihm erst 1999 mit dem Liebeslied „If love so nice“, das bereits sechs Wochen nach seiner Veröffentlichung den Platz Eins der jamaicanischen Charts eroberte. Dieser große Erfolg verschaffte ihm lokale als auch internationale Anerkennung. Das britische Label Jetstar Rekords lud ihn nach London ein, um ein Album mit ihm aufzunehmen. Das Album Rise erschien im Jahr 2000 und schloss nahtlos an den Erfolg von „If love so nice“ an.

Mehr als ein DJ

Junior Kelly wird als Singjay bezeichnet, was sich aus den Worten Singer und Deejay zusammensetzt. Der Deejay auf Jamaica legt nicht nur Platten auf und kündigt sie an, sondern ist seit dem Entstehen der ersten Soundsystems in den 50er Jahren Handwerker, Künstler und Musiker. Er kommentiert die Texte der laufenden Platte oder die Tagespolitik und heizt das Publikum an. Der Singjay unterscheidet sich insofern vom Deejay, als er seinen Sprechgesang nicht in einer Tonlage vorträgt, sondern mit einer Melodie unterlegt.
Junior Kelly schlägt mit seiner Musik einen weiten Bogen. Alltägliches steht neben Systemkritik. Er versucht sein Publikum anzusprechen und aufzurütteln. Er wendet sich mit seiner Musik an die Armen, die Jugendlichen und die Ausgebeuteten, aber auch an ein wohlsituiertes internationales Publikum.

Bunte Mischung

Junior Kelly ist ein vielschichtiger Künstler: Ob er nun in seinen Liedern den weisen Propheten, den verwirrten Liebhaber, den ernsthaften Gesellschaftskritiker, den romantischen Scherzkeks oder den Soulrebel, ähnlich wie Bob Marley, verkörpert, alle Lieder zeigen doch seinen eigenen Stil. Ein Textauszug aus seinem Lied „Rise“ zeigt seine Intention, sein Publikum zu motivieren, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, etwas zu ändern und sich nicht unterkriegen zu lassen.

“Look in the mirror,
do you see a reject?
Do you see a hero?
Rise from your situation
and open your eyes.
Don‘t suppress your ability
never bury your creativity.
Be a role model for your child.
Put your schoulders to the wheel,
then you will succeed“
“Sieh in den Spiegel,
siehst du einen Zurückgewiesenen? Siehst du einen Helden?
Stelle dich deiner Situation
und öffne deine Augen.
Unterdrücke nicht deine Fähigkeiten
und begrabe nie deine Kreativität.
Sei ein Vorbild für deine Kinder
Pack den Stier bei den Hörnern dann wirst du Erfolg haben.”
(Textauszug aus dem Lied “Rise”)

Ein Sprecher des Reggae

Junior Kelly gilt bereits als einer der wichtigsten Sprecher des Reggae seiner Zeit. Nicht oft gelingt es einem Künstler mit seinem Debutalbum, einen bleibenden Eindruck in der Musikbranche und beim Publikum zu hinterlassen.
Doch Junior Kelly schaffte es mit Rise, und sein neues Album Juvenile scheint an diesen Erfolg anzuschließen. Junior Kelly lehnte nach dem Erfolg von „If love so nice“ die Angebote vieler Produzenten ab, die nur an seiner schnellen Vermarktung interessiert waren. Junior Kelly will dagegen seine Laufbahn mit Bedacht fortsetzen. Über seine steile Karriere sagte er: „Ich bin noch sehr betäubt. Ich wusste, dass der Erfolg kommen würde, und nun versuche ich, ihn zu akzeptieren. Aber ich halte ihn nicht für selbstverständlich, ich schätze ihn.“
Junior Kellys neues Album ist eine bunte Mischung, und das macht es so interessant. Es beinhaltet für ihn typische Lieder, wie beispielsweise den Titelsong „Juvenile“.

“I hope that my words
give you strength when you weak,
And if you find the courage
make you search make you seek,
Fe (to) find a better place
fe (for) you and us
From outta the slums.“

“Ich hoffe, dass meine Worte dir Kraft geben wenn du schwach bist,
Und wenn du den Mut findest, mach dich auf die Suche
Und finde einen besseren Platz
für dich und uns.
Außerhalb der Slums.“
(Textauszug aus dem Lied Juvenile”)

In „Ethiopia“ und „Blessing Flow“ beweist Junior Kelly mit komplizierten Melodien seine gute Stimme. Ein auffallendes Beispiel dafür ist auch das Stück „Love“, in welchem seine Stimme nur von Backgroundsängern und einer Akustikgitarre begleitet wird. In diesem Liebeslied wird sein stimmliches Talent besonders deutlich. Ein anderes herausragendes Lied ist das letzte Stück „Living hell“ – eine gelungene Mischung aus altem und modernem Reggae.
Junior Kelly singt die Melodie, und ein anderer Sänger füllt die Strophen mit einer typischen Raggastimme. Er versucht also, zwei sehr unterschiedliche Seiten des Reggae in einem Lied harmonisch miteinander zu verbinden, und es ist ihm gut gelungen. Fazit: Insgesamt ist Juvenile ein Album, auf welchem jedes Lied hörenswert ist.

Junior Kelly: Juvenile, Feb.2001, Jetstar Records, London
Mehr Informationen zu Junior Kelly im Internet:www.jet-star.co.uk oder www.reggaevibes.com
oder per E-mail.
feedback@jet-star.co.uk

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