Mordprozess in den USA
Anklage gegen mutmaßlichen Romero Mörder Álvaro Saravia
Der Erzbischof von San Salvador, Monseñor Romero, wurde vor 25 Jahren während einer Messfeier in der Kapelle des Krankenhauses der Göttlichen Vorsehung ermordet. Nach all den langen Jahren wurde nun zum ersten Mal mit Álvaro Saravia, ehemaliger Leutnant der salvadorianischen Luftwaffe, eine der Personen, die aktiv an der Ermordung Monseñor Romeros beteiligt waren, vor Gericht gestellt und verurteilt. Während des Krieges in El Salvador hat es viele grauenvolle Verbrechen gegeben. Zum ersten Mal wird jemand für eines dieser Verbrechen verurteilt. Mit diesem Prozess nahm die Hoffnung, Licht in das Dunkel der Ereignisse jenes 24. März 1980 zu bringen und der Wahrheit ein Stück näher zu kommen, Gestalt an.
Señor Álvaro Saravia war Weggefährte und treuer Mitstreiter des Vaters der Todesschwadronen, Roberto D’Aubuisson. D´Aubuisson war ehemaliger Major des salvadorianischen Heeres und Gründer der Partei der extremen Rechten ARENA, die zur Zeit an der Regierung ist. Saravia wurde angeklagt, die Mordwaffe beschafft, den Todesschützen zur Kapelle des Krankenhauses gebracht und ihn nach der Tat bezahlt zu haben.
Saravia kam 1987 für 14 Monate in den USA ins Gefängnis, weil es Probleme mit der Einwanderungsbehörde gab und ein Auslieferungsantrag gegen ihn wegen Mittäterschaft an der Ermordung Monseñor Romeros bestand. Wenig später zog der Oberste Gerichtshof El Salvadors den Auslieferungsantrag mit dem Argument zurück, es gäbe zweifelhafte politische Motivationen auf Seiten der Vereinten Nationen sowie der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und anderer Menschenrechtsorganisationen. 1988 wurde Saravia aufgrund dieser Entscheidung des Obersten Gerichtshofs El Salvadors gegen Kaution entlassen. Seitdem lebt er in Florida und Kalifornien.
Mörder Romeros sind Armeeangehörige
Die Wahrheitskommission, die die Ermordung Monseñor Romeros untersuchte, kam zu dem Ergebnis, dass verschiedene Personen, alle Mitglieder der unsäglichen Todesschwadronen von D´Aubuisson, einschließlich Saravia, den Mord organisierten und lenkten. Im Einzelnen fand die Wahrheitskommission heraus, dass
– D´Aubuisson den Auftrag zum Mord an Monseñor Romero gegeben hatte.
– Saravia und andere Gefolgsmänner D´Aubuissons aktiv an der Vorbereitung und Durchführung der Ermordung teilnahmen. Sie bezahlten den Mord.
– Amando Antonio Garay, Fahrer Saravias, ausgesucht worden war, den Killer zur Kapelle zu fahren, wo Monseñor Romero zelebrierte.
– der Oberste Gerichtshof El Salvadors eine aktive und entscheidende Rolle in der Vereitelung der Auslieferung Saravias spielte. Der Gerichtshof garantierte den Rädelsführern und Mördern Monseñor Romeros Straflosigkeit.
Das Amnestiegesetz von 1993 verhinderte, dass Saravia und andere Verantwortliche für die Greueltaten, die bis 1992 gegen die Menschenrechte verübt worden waren, in El Salvador selber zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hat das Amnestiegesetz dafür kritisiert, dass es Straflosigkeit fördere und verhindere, dass tiefgehende Untersuchungen im Mordfall Monseñor Romeros und vieler anderer entsetzlicher Verbrechen jener Jahre durchgeführt würden. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission hält das Amnestiegesetz sogar für verfassungswidrig. In El Salvador wird diese Einschätzung ignoriert. Mehr noch, Francisco Flores, aktueller Kandidat für den Posten des Generalsekretärs der OAS (Organisation Amerikanischer Staaten), missbilligte ausdrücklich das Urteil der Kommission.
Die Wahrheit kommt ans Licht
Das Gerichtsverfahren, das im Sommer 2004 in Fresno, Kalifornien stattfand, war zutiefst bewegend und erleuchtend. Bewegend, weil wir zum ersten Mal erlebten, dass die Wahrheit gesucht und verkündet werden sollte. Erleuchtend, weil das Zusammenspiel von Indizien und Beweisen keine Zweifel mehr lässt. Die Stanford-Professorin Terry Karl lieferte anderthalb Tage Beweise, Zeugenaussagen und Dokumente. Sie brachte die gesuchte Wahrheit ans Licht und gab der erhobenen Anklage ein solides Fundament.
Obwohl jeder von uns Anwesenden genau wusste, wer verantwortlich für das Verbrechen war und wer es durchführte, warteten wir doch mit Spannung auf das Urteil des Richters Oliver Wanger. Die Lüge kann nur so lange überleben, wie die Wahrheit nicht bekannt wird. Wenn die Wahrheit bekannt wird, stirbt die Lüge. Genau das geschah in aller Öffentlichkeit im Bundesgericht von Fresno.
Der Richter Wanger bewertete die Tat als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Die Tat sei Teil eines breiten und systematischen Angriffs gegen die Bevölkerung El Salvadors. In seiner Urteilsbegründung sagte er:
„Es ist nicht zu übersehen, dass El Salvador von einem (politischen) Regime kontrolliert wurde, das sich wiederum selber von den Militärs kontrollieren ließ. Die Regierung deckte systematisch Menschenrechtsverletzungen, um die Oligarchie und das Militär an der Macht zu halten.“
Die Ermordung Monseñor Romeros sei ein Beweis für die Existenz von außergerichtlichen Hinrichtungen. Als der Richter bekannt gab, welche Geldstrafe der Angeklagte den Klägern zu zahlen habe, erklärte er auch, die angerichteten Schäden seien von einer nur schwer zu erfassenden Größe.
Als Richter Wanger sich zurückzog, erhob der gesamte Saal die Stimme zu Liedern und Lobgesängen auf Monseñor Romero.
Verbrechen in El Salvador keine Wahnsinnstaten einiger Militärs
Obwohl das Verfahren gegen Álvaro Saravia gutes Licht auf zumindest ein Nordamerikanisches Gericht wirft, so haben wir doch unsere Zweifel an der US-amerikanischen Regierung. Wer ermöglichte Saravia ein Leben in Kalifornien? Entlarvende Dokumente der CIA und des State Department der USA zeigen auf, dass die US-Regierung schon 1980 von der Beteilung Saravias an der Ermordung Monseñor Romeros Kenntnis hatte. Darf Saravia weiterhin in den USA leben, oder wird er zur Person „non grata“ erklärt?
Das Verfahren regt Überlegungen an: Für wie viele Straftaten, die Hunderttausenden von salvadorianischen Zivilisten das Leben kosteten, sind die Regierungen El Salvadors und der USA als ihr wichtigster Verbündeter verantwortlich? Die Greueltaten, die während des Krieges begangen wurden, sind keine Wahnsinnstaten einiger skrupelloser Militärs, sondern perfekt geplante Aktionen, die „von außen“ finanziert wurden.
Es hat etwas Erlösendes, dass der erste Prozess zu einem der größten Verbrechen, das in El Salvador begangen wurde, vor einem US-amerikanischen Gericht verhandelt wurde. Hoffen wir, dass dieser Prozess der Gerechtigkeit dient, wenigstens im Fall der Ermordung Monseñor Romeros.
Übersetzung: Anne Nibbenhagen
Jon Cortina ist Jesuit und lehrt das Fach Ingenieurswissenschaften an der jesuitischen zentralamerikanischen Universität (UCA). Er war Weggefährte der ermordeten Jesuitenpater Rutilio Grande und Ignacio Ellacuría sowie Zeitgenosse Oscar Romeros. Cortina leistete pastoralen Beistand für die aus dem honduranischen Exil zurückgekehrten salvadorianischen Flüchtlinge und gründete 1994 mit anderen die „Vereinigung zum Wiederauffinden der im Bürgerkrieg verschwundenen Kinder“ (Pro Búsqueda).