Bolivien | Nummer 370 - April 2005

Neustart für Mesa oder neue Chance für Bolivien?

Reorganisation der politischen Landschaft nach dem abgelehnten Rücktrittsgesuch des Präsidenten

Die in einer langen Fernsehansprache am Sonntag Abend mediengerecht verkündete Rücktrittsentscheidung von Präsident Carlos Mesa bescherte dem Land zwei Tage voller Verhandlungen, Diskussionen und großer Unsicherheit: Nimmt der Kongress das Rücktrittsgesuch des Präsidenten an? Führt die anschließende Amtsfolge durch Senats- oder Parlamentspräsident zum erneuten Volksaufstand? Droht gar ein Staatsstreich? Waren es zunächst parteiinterne Gespräche, gab es danach mehrere Marathonsitzungen hinter meist verschlossenen Türen, in deren Verlauf es zu einer Einigung zwischen den beiden Kammern des Kongresses und dem Präsidenten kam.

Dirk Hoffmann

In seiner unangekündigten Fernsehansprache an das Land vom 6. März hat Präsident Carlos Mesa überraschend seinen Rücktritt für den folgenden Tag angekündigt und mit diesem „Medien-Coup“ Kritiker und Sympathisanten erheblich aus dem Gleichgewicht gebracht. In der ausführlich dargelegten Begründung erörterte ein sichtlich erregter und verärgerter Mesa, warum er unter den gegebenen Umständen nicht mehr in der Lage sei, das Land weiter zu regieren: Angesichts der anhaltenden Straßenblockaden in El Alto, im Chapare und diversen weiteren Orten Boliviens sei das Land als solches komplett lahmgelegt, was einen Einsatz von Polizei und Militär nötig machen würde, wofür er aber als Pazifist nicht zur Verfügung stehe.
In seiner Rücktrittsrede hat Mesa schwere Vorwürfe gegen Evo Morales, den Führer der MAS („Bewegung zum Sozialismus“) und Abel Mamani, den Führer der Fejuve (Zusammenschluß der Nachbarschaftsorganisationen) von El Alto, sowie gegen die Eliten von Santa Cruz und die Unternehmerschaft des Landes erhoben und diese für die Unregierbarkeit des Landes verantwortlich gemacht:
„Evo Morales tut sich leicht darin, Bolivien zu blockieren, weil das sehr bequem geht; Abgeordneter Evo Morales, es ist leicht, Bolivien zu blockieren, kommen Sie und regieren Sie und sie werden sehen, was die Verwaltung des Landes bedeutet, die Verantwortung eines Staatsmannes“. Und weiter: „Sie, verehrter Herr Morales, sind der Führer der Opposition, Sie können sich nicht mehr den Luxus erlauben, auf die Straße zu gehen wie ein Gewerkschaftsführer“.
Abel Mamani und der Fejuve warf Mesa realitätsferne und absurde Forderungen vor. Die Beendigung des Vertrages mit dem privaten Wasserversorger „Aguas del Illimani“ sei per Präsidialdekret vom Januar auf den Weg gebracht, eine sofortige Kündigung käme einem zusätzlichen „Tritt in den Hintern“ gleich, für den er nicht zur Verfügung stünde, und würde außerdem Ausgleichs- und Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe nach sich ziehen.
Der Vorwurf an die politischen Führer von Santa Cruz und die Unternehmerschaft des Landes bezog sich auf deren latenten Separatismus und Egoismus, ihren insgesamt fehlenden Beitrag zur Entwicklung des gesamten Landes und die mangelnde Unterstützung der demokratisch legitimierten Regierung.
Die Anschuldigungen waren wirkungsvoll. Damit hatte Mesa die Vertreter der beiden extremen Pole des Landes aufgefordert, sich zu seiner Regierung zu positionieren. Lediglich die politischen Parteien und der Kongress blieben verbal verschont, doch diese mussten über das Rücktrittsgesuch befinden und waren insofern bereits stark in die Verantwortung für das Land genommen.

Die „Übereinkunft“

Nach Tagen und Stunden der Ungewissheit, wie es mit dem Land weitergehen würde, kristallisierte sich im Laufe des Montags, 7. März, eine Mehrheit für den Verbleib von Präsident Mesa heraus, die am folgenden Tag in einer „nationalen Übereinkunft“ und einer einmütigen Ablehnung des Rücktrittsgesuchs durch den Kongress ihre deutliche Bestätigung fand. Selbst die MAS stimmte für den Verbleib des Präsidenten, weniger aus Überzeugung, denn aus Sorge vor dem, was danach kommen würde: Bei einer Annahme des Rücktritts wäre der Senatspräsident Hormando Vaca Diez automatisch neuer Präsident des Landes geworden. Dies hätte nach Einschätzung der Opposition möglicherweise zu einem Bürgerkrieg und/oder Staatsstreich geführt.
In den Verhandlungen zwischen Exekutive und Legislative am Tag nach dem Rücktrittsgesuch waren alle bedeutenden, im Parlament vertretenen Parteien involviert, MNR, MIR, ADN, NFR und MAS. Als man sich dann mühsam auf ein Vier-Punkte-Programm als Grundlage für die Fortsetzung der Amtszeit von Präsident Mesa geeinigt hatte, verweigerte die MAS ihre Unterschrift und bezeichnete das Abkommen als „Pakt der Oligarchie“. Geeinigt hatte man sich auf eine minimale Agenda, welche folgende Punkte umfasst: Verabschiedung eines „rationalen“ (d.h. moderaten) Erdöl- und Erdgasgesetzes, die Wahl der Präfekten der Departamente, die Durchführung eines Referendums über die Autonomie der Departamente und die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung. Unannehmbar war für die MAS der erste Punkt, da Evo Morales darauf besteht, dass die Höhe der Konzessionsabgaben für die Erdöl- und Erdgasförderung 50 Prozent betragen müsse. Die moderatere Position vertritt ein Gesetz, welches 18 Prozent Konzessionsabgaben plus 32 Prozent Sondersteuern vorsieht. Dies macht insgesamt auch 50 Prozent aus, wie im Referendum von 2004 vorgesehen, hat aber den Nachteil, dass bei Steuern eigene Ausgaben und Investionen gegengerechnet werden können und somit nur ein Teil des Betrages in der Staatskasse ankommt.
Immerhin, auch ohne die Unterschrift der MAS-Abgeordneten war damit die Staatskrise erst einmal abgewendet und ein Aufatmen ging durch große Teile der Bevölkerung. Ein entscheidendes Detail wird bei der Übereinkunft von Präsident Mesa und der Mehrheit der großen im Kongress vertretenen Parteien von der Presse und den politischen Beobachtern gemeinhin geflissentlich übersehen: Nach den Ergebnissen der Kommunalwahlen vom Dezember 2004 vereinen diese Parteien (MNR, MIR, NFR, ADN) landesweit knapp 20 Prozent der Stimmen und damit etwa genauso viele wie die MAS alleine. Hier stellt sich also die Frage nach der gesellschaftlichen und politischen Repräsentativität der Parteien der „Übereinkunft“, welche von erheblicher Bedeutung für deren längerfristige Tragfähigkeit sein dürfte.

Neuer alter Präsident

Es darf über die tieferliegenden Motive Mesas für die Präsentation seines Rücktrittsgesuchs spekuliert werden. Waren es tatsächlich die landesweiten Blockaden und die Angst vor einer Wiederholung des Oktober 2003 ? War es die Verabschiedung eines moderaten Erdöl- und Erdgasgesetzes, welches Mesa für Unabdingbar für das Land hält ? Oder war es lediglich ein gut inszeniertes politisches Manöver, um die eigene Position zu stärken ?
Von vielen wird die Rücktrittsdrohung Mesas als kluger Schachzug mit kalkuliertem Risiko gesehen, der Evo Morales ins Abseits befördert und in Zugzwang bringt. Auf der anderen Seite hat Mesa den alten politischen Eliten und Parteien ein klares Bekenntnis zu seiner Präsidentschaft abgefordert und sie damit – zumindest für eine gewisse Zeit – erst einmal an sich gebunden. Nachdem es Mesa in den 17 Monaten seiner Regierung mit Vehemenz vermieden hat, den traditionellen Parteien zu dienen, hat er nun in einem gewagten politischen Manöver deren Unterstützung eingefordert.
Interessant ist, dass dies die poltische Führung von Santa Cruz mit ihrem Autonomie-Anspruch einschließt. Die alten Eliten mussten öffentlich eingestehen, dass Mesa trotz allem ihre beste Unterstützung gegen die Volksmassen ist, und sie auf ihn angewiesen sind. Im Gegenzug fordert Mesa nun deren öffentlich geäußerte Bereitschaft zur Hilfe.

Kampf um die Mittelschicht

Doch Mesa setzt auf die Rückendeckung beider Seiten: Mit seinem Aufruf an die Bevölkerung, am folgenden Donnerstagmittag friedlich gegen Blockaden und Blo-ckierer die Plätze des Landes zu füllen, setzt er nunmehr auf eine aktivere Beteiligung der Bevölkerung, als er es bisher getan hatte. Gleichzeitig hofft er auf einen „Sieg der Strasse“ gegenüber Evo Morales, der bisher mit seinen Blockaden die Hoheit über die Verkehrswege des Landes reklamiert und damit breite Volksunterstützung unterstellt. Auf der symbolischen Ebene ist dies der Versuch, Evo Morales auf seinem ureigenen Terrain der Massenmobilisierung zu schlagen, frei nach dem Motto „Auch wir sind das Volk!“.
Die Mittelschichten sind als stille Mehrheitsbeschaffer in der Demokratie wichtig – das gilt gleichermaßen für die traditionellen als auch für linke Parteien. Evo Morales‘ MAS hatte das nicht nur verstanden, sondern auch sehr erfolgreich in die Praxis umgesetzt, wie die Kommunalwahlen vom vergangenen Dezember gezeigt haben. Die MAS war mit großem Abstand als landesweit stärkste Partei daraus hervorgegangen und hat Dank linker bürgerlicher Kandidaten auch in den meisten Großstädten gute Ergebnisse erzielt. Damit scheint es nun vorbei.

„Politischer Selbstmord“ von Evo Morales?

Letztlich hat die Initiative von Mesa und das Ausscheren von Evo Morales aus der Übereinkunft zwischen Kongress und Präsident zu einer starken Polarisierung des politischen Panoramas geführt und es darf spekuliert werden, ob dies von Mesa intendiert oder aus seiner Sicht eine negative Nebenerscheinung ist. Klar zu sehen ist trotz der Beschwörung des nationalen „Sozialpakts“ eine scharfe Trennung zwischen altem Establishment und der Mittelschicht auf der einen und allen Unzufriedenen auf der anderen Seite.
In seiner Rücktrittsrede vom Sonntag hatte der Präsident schwere Anschuldigungen gegen Evo Morales und dessen MAS erhoben, mit denen er über viele Monate eine Art Ko-Regierung gegen den alten Apparat praktiziert hatte. Allerdings hat sich Evo Morales aus Sicht des Präsidenten als nicht politikfähig erwiesen, indem er einerseits stur auf einer Maximalforderung beharrt und andererseits nach einer Abstimmungsniederlage im Parlament zu Blockaden aufgerufen hatte, um die Entscheidung des Kongresses durch den Druck der Straße zu revidieren.
Das von Evo Morales hiermit zum Ausdruck gebrachte Verständnis von Demokratie hat mit Sicherheit einen Grossteil der Unterstützung der Mittelschicht, die er strategisch geschickt für die Kommunalwahlen im Dezember mobilisiert hatte, wieder verspielt. Die Vision „Evo Presidente 2007“ ist damit in weite Ferne gerückt.
Ziemlich überrascht und sprachlos zeigte sich Evo Morales. Als erste Reaktion auf die Übereinkunft von der Kongressmehrheit und dem Präsidenten hat der Führer des MAS zunächst den „Antioligarchischen Pakt“ mit den abgewirtschafteten oder teilweise diskreditierten Führern von Gewerkschaftsverbänden und sozialen Bewegungen geschmiedet. So hat bei der parteipolitisch und gewerkschaftlich organisierten Linken die Vereinbarung Mesas mit den traditionellen Parteien bisher zweierlei bewirkt. Zum Einen ein Zusammenrücken aller Kräfte jenseits der alten persönlichen Animositäten und Grabenkämpfe, manifest in dem Versuch, den ominösen „Generalstab des Volkes“ vom Oktober 2003 wiederzubeleben. Auf der anderen Seite treten aber auch die inhaltlichen Differenzen bei dem Versuch einer öffentlichen Positionierung stärker in den Vordergrund.
An erster Stelle der neuen Verbündeten von Evo Morales steht Jaime Solares, Vorsitzender des einst mächtigen und heute fast bedeutungslosen Gewerkschaftsdachverbandes COB (Central Obrera Boliviana). Es folgen Roberto de la Cruz, Stadtverordneter wider Willen und ehemaliger radikaler Gewerkschaftsführer von El Alto, der sich noch immer nicht zwischen beiden Rollen entscheiden kann; Abel Mamani, Präsident der Fejuve und selbsternannter Vorkämpfer der Rechte des Volkes von El Alto, mit zweifelhafter demokratischer Legitimation und begrenzter Unterstützung selbst in El Alto, wie der wenig erfolgreiche Streik für den sofortigen Abzug von Aguas de Illimani kürzlich gezeigt hat; Oscar Oliveira, ehemals Anführer der „Koordination für Wasser und für Leben“ in Cochabamba, zwischenzeitlich „Koordination für Gas“, momentan ohne nachvollziehbares Mandat; Román Loayza, einer der beiden Führer der gespaltenen Landarbeitergewerkschaft CSUTCB; Felipe Quispe, radikaler Aymara-„Mallku“ und Führer des zweiten Flügels der gespaltenen CSUTCB; Alejo Véliz, weiterer Bauernführer und ehemaliger Kampfgefährte von Evo Morales, derzeit Abgeordneter der einstigen Mitregierungspartei NFR.
Die Frage der Representativität, also im Namen des Volkes oder zumindest doch eines relevanten Segments zu sprechen, stellt sich hier ganz ähnlich wie bei den traditionellen politischen Parteien. Weiterhin ist fraglich, ob der „halbe Rücktritt“ von Mesa, wie er gelegentlich in den Medien genannt wurde, die linken und radikalen Bewegungen und Organisationen nicht überhaupt erst wieder zu neuem Leben erweckt hat.
Mesa hat öffentlich ein klares Bekenntnis zur gemischten Ökonomie abgelegt, „mit einer starken Rolle des Staates“. Eine Abkehr von Kapitalismus und Neoliberalismus ist das nicht, aber eben auch nicht deren Verteidigung um jeden Preis. Die Linke tut sich angesichts dieser Haltung schwer mit einer eigenen Positionsfindung. Problematisch ist auch, dass von den oppositionellen und radikalen Parteien im Parlament, MIP und MAS, viel zu wenig praktische Politik ausging. Hier wurde und wird eine grosse Chance vertan.
Hinzu kommt, dass die anti-neoliberalen Kräfte wenig geeint sind und über praktisch keine Vorschläge oder Alternativen verfügen. Jenseits des Slogans „die neoliberalen Ausbeuter müssen raus“ gibt es kaum Vorstellungen oder Perspektiven von einem anderen, gerechteren, besseren Staat. Lediglich der ganze radikale Flügel hat keine Schwierigkeiten: alles nationalisieren, entschädigungslos und sofort, lautet dort die Lösung.
Der Gewerkschaftsdachverband COB hat für diese Woche einen 48-stündigen Generalstreik angekündigt, den dann aber kurz danach auf Schulen und Krankenhäuser begrenzt – und somit wohl angesichts fehlender Unterstützung auf das große Kräftemessen mit der Regierung und ihren neuen Verbündeten verzichtet.
Einzig im Chapare gehen die Straßenblockaden mit unverminderter Härte weiter. Rund 1.500 LKWs sitzen fest und der Bevölkerung gehen allmählich Trinkwasser und Lebensmittel aus. Geht es einerseits um die Verabschiedung des Erdöl- und Erdgasgesetzes des MAS, so scheint eine andere Interpretation noch geeigneter, die Vehemenz der Blo-ckierer angesichts der eigenen Entbehrungen zu erklären: Hier werden die politischen und gewerkschaftlichen Strukturen zur Verteidigung des illegalen Koka-Anbaus, welcher die einzige tragfähige Lebensgrundlage der Bauern und ihrer Familien darstellt, mit äußerster Verzweiflung und Entschlossenheit verteidigt.
An der Spitze dieser Strukturen steht eine Person, Gewerkschafts- und Parteiführer Evo Morales. Noch vor kurzem als hoffnungsvoller Oppositionsführer und Staatsmann in halb Südamerika unterwegs (u.a. in Venezuela zu Gast bei Präsident Chávez und in Uruguay als Gast von Präsident Tabaré Vázquez), ist der MAS-Chef nun scheinbar wieder dort, wo er vor einigen Jahren angefangen hat: Als kämpferischer Vorsitzender eines regionalen Gewerkschaftszusammenschlusses im Chapare, der mit regelmäßigen Straßenblockaden die Hauptverkehrsachse des Landes blockiert, um die Vernichtung der Koka-Pflanzungen seiner Mitglieder zu verhindern.

EPILOG

Dienstag, 15.3.: Mesa fordert vorgezogene Neuwahlen

Kaum war der Präsident vom Kongress im Amt bestätigt worden und etwas Ruhe im Land eingekehrt, trat Mesa am Dienstagabend, den 15. März, erneut vor die TV-Kameras. Mitten in die Debatten des Parlaments über den umstrittenen Artikel 53 des Erdöl- und Erdgasgesetzes platzte Carlos Mesa mit der Aufforderung an den Kongress, seinen Gesetzesentwurf über vorgezogene Neuwahlen zu verabschieden, um so dem gesamten politischen System wieder die nötige Legitimität zu geben. Aus seiner Umgebung verlautete, anderfalls würde der Präsident „unwiderruflich zurücktreten“, womit der Vorstoss den Charakter eines Ultimatums erhielt. Und das Land hielt abermals den Atem an.

Mittwoch, 16.3.: „Mesa gibt auf“

„Mesa gibt auf“, titelte die Presse am nächsten Morgen und verkündete gleichzeitig die Verabschiedung des Artikel 53. Mit einer Mehrheit von 58 zu 47 Abgeordneten hatte man sich auf die Formel 18/32 geeinigt, d. h. Konzessionsabgaben in Höhe von 18 Prozent und eine Sondersteuer in Höhe von 32 Prozent. Allerdings wurde die Sondersteuer nach einem Vorschlag des Parlamentspräsidenten Mario Cossío nun derart definiert, dass sie praktisch der Konzessionsabgabe gleichkommt. Für Mesa eine klare Verletzung des „Übereinkommens“ durch den Kongress, welches ja ein „rationales“ Gesetz vorsehe, und wohl der Auslöser für den erneuten Vorstoss des Präsidenten.
Mit der Begründung, der Gesetzesentwurf würde erst nach Ostern im Senat behandelt werden, verfügt Evo Morales mit seinen Verbündeten die Aufhebung der Blockaden „bis auf weiteres“. Der von der COB ausgerufene Generalstreik wird nirgends im Land befolgt.

Donnerstag, 17.3.: Mesa macht weiter

Nachdem der Kongress am Vormittag des 17. März nach emotional geführter Debatte und heftigen Anschuldigungen an den Präsidenten die Verfügung von vorgezogenen Neuwahlen abgelehnt hatte, verblieb das Land in Erwartung des Rücktritts des Präsidenten und dessen, was danach wohl kommen würde. Für Spekulationen sorgte ein Treffen Mesas mit den Spitzen von Militär und Polizei am Nachmittag im Präsidentenpalast und es kursierte für kurze Zeit das Gerücht, das Militär würde die Macht übernehmen. Nach einer anschließenden langen Kabinettssitzung trat dann um 23 Uhr Präsident Mesa vor die Mikrophone der Presse, um seinen Verbleib an der Spitze des Landes zu verkünden. In einer kurzen Rede begründete er seine Entscheidung damit, dass er die Macht nicht an jemanden abgeben könne, „der keine Legitimation der heutigen Wahlstimmen“ hätte.
Damit hat Mesa zwar eine Entscheidung getroffen, doch es bleibt die erhebliche Unsicherheit bestehen, wie es mit dem Land weitergeht. Weit entfernt von der „Übereinkunft“ der vorigen Woche hat Mesa nun dem Parlament schwere Vorwürfe gemacht. Die Zustimmung zu Neuwahlen sei nicht gegeben worden, weil die Abgeordneten an ihren Sitzen und Diäten festhalten wollten. Diese Argumentation vergißt jedoch, dass ein Gesetz über vorgezogene Neuwahlen eindeutig gegen die bolivianische Verfassung verstossen hätte. Tatsache aber bleibt, dass aus politischem Kalkül derzeit keine der im Parlament vertretenen Parteien an Neuwahlen interessiert sind, denn es gäbe für sie nichts zu gewinnen.

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