Deutschland | Mexiko | Nummer 533 - November 2018

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Betroffener besucht Prozess gegen Waffenschmiede Heckler & Koch

Seit Mai stehen fünf ehemalige Angestellte des süddeutschen Rüstungskonzerns Heckler & Koch wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vor dem Stuttgarter Landgericht. Vor dem Urteil Ende Oktober erschien der Bruder eines der Opfer aus Mexiko im Gerichtssaal.

Von Sonja Schmidt

Aldo presente! Leonel Gutiérrez Solana und Sofía de Robina in Stuttgart (Foto: ECCHR)

Es sei der größte Strafprozess im Kleinwaffenbereich, so Rechtsanwalt und Friedensaktivist Holger Rothbauer. Den Angeklagten werden mehr als ein Dutzend gewerbs- und bandenmäßige Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und Außenhandelsgesetz vorgeworfen. Sie und ein in Mexiko wohnhafter Komplize waren mit dafür verantwortlich, dass in Deutschland hergestellte Sturmgewehre des Typs G36 in mexikanische Konfliktgebiete gelangten.

Mexikanische Behörden sind ebenso wie Politiker*innen und Militärangehörige in Geschäfte der organisierten Kriminalität verwickelt. Das Untersuchungsergebnis der mexikanischen Generalstaatsanwaltschaft lässt aber auch vier Jahre nach dem Geschehen dutzende Fragen offen. Unter anderem die große Frage nach dem Verbleib der 43 verschleppten Studenten. In der Kleinstadt Iguala im Bundesstaat Guerrerohatten hatten im Jahr 2014 Polizist*innen und Kriminelle das Feuer aus mindestens sieben Sturmgewehren der Marke Heckler & Koch, hergestellt im süddeutschen Oberndorf, eröffnet. (siehe LN 491, 497).

Nun hat sich Leonel, der Bruder des seitdem im Koma liegenden Aldo Gutiérrez Solana, im September auf den Weg nach Deutschland gemacht. Die Richter und Angeklagten in Stuttgart sollen durch seine Anwesenheit mit dem Schicksal seines Bruders konfrontiert werden. Über seine Erfahrungen spricht Gutiérrez Solana bei einer anschließenden Podiumsdiskussion in Berlin. Es sei wichtig gewesen, am Gericht zu erscheinen, obwohl die Familie nicht als Nebenklägerin zugelassen worden ist. Seine Anwesenheit sei wie ein „atmosphärischer Einschlag“ im Gerichtssaal gewesen, bewertet der Jurist Christian Schliemann vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) den Besuch von Gutiérrez Solana und der Menschenrechtlerin Sofía de Robina vor Gericht.

Angesprochen auf ihre Erwartungen in Hinblick auf den bevorstehenden Regierungswechsel in Mexiko äußert Sofía de Robina vom mexikanischen Menschenrechtszentrum Miguel Agustín Pro Juárez A.C. die Hoffnung, dass die von Andrés Manuel López Obrador angekündigte Wahrheitskommission endlich Licht ins Dunkel des Falles bringt und ihre Arbeit endlich Aufwind erhält. Das Thema müsse den verantwortlichen Waffenkonzernen und politischen Gremien solange angekreidet werden, bis sich die Kontrolle von Rüstungsexporten ändere. Nur so könne garantiert werden, dass sich die Ereignisse von Iguala nicht wiederholten. Eine gerichtliche Entscheidung im Fall der ehemaligen Angestellten von Heckler & Koch wird in Stuttgart für den 25. Oktober erwartet.

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