Reaktionen auf die Terroranschläge gegen die USA
Mexiko: Aufgabe der Neutralitätspolitik gegenüber den USA?
“Armes Mexiko, so nah an den USA und so weit weg von Gott“, wird beim südlichen Nachbarn der USA oft geseufzt. Dieser Seufzer hat durch die Terroranschläge gegen die USA eine neue Bedeutung erhalten.
Denn der mexikanische Außenminister Jorge Castañeda erklärte sich bereits am 12. September zu einer bedingungslosen Unterstützung der USA bereit – ein Bruch mit der bisherigen mexikanischen Neutralitätspolitik gegenüber den USA. Diese wurde in den dreißiger Jahren durch die so genannte Estrada-Doktrin begründet, weil Mexiko die Interventionspolitik der USA in Lateinamerika nicht unterstützen wollte. Die Infragestellung dieser Doktrin stößt nicht nur bei mexikanischen Intellektuellen auf Widerstand; laut Umfragen ist auch eine große Bevölkerungsmehrheit gegen einen bedingungslosen Schulterschluss mit den USA. Es wird außerdem darauf hingewiesen, dass die Attentate auch Konsequenz einer arroganten und aggressiven US-Außenpolitik sind. Im Senat, der bei wichtigen außenpolitischen Entscheidungen mitzubestimmen hat, stößt diese Politik ebenfalls auf Widerstand – sogar bei den Abgeordneten der Regierungspartei PAN.
Unabhängig von diesen Diskussionen um die Estrada-Doktrin verschärfte die mexikanische Regierung ihre Einwanderungskriterien und ließ 81 illegale EinwandererInnen arabischer Herkunft festnehmen. Der Beauftragte der Nationalen Migrationsbehörde (INM), Felipe de Jesis Preciado, stritt allerdings ab, dass Angehörige gewisser Nationalitäten verstärkt verfolgt würden. Er wies vielmehr darauf hin, dass die sogenannten „Papierlosen“ nach den Terroranschlägen bei der Bevölkerung stark an Sympathie eingebüßt hätten und deshalb vermehrt angezeigt würden.
(POONAL)
Taliban in Nicaragua
Bin Laden ist überall. Vor allem dort, wo aus der Angst vor dem bärtigen Moslem-Fanatiker politisches Kapital geschlagen werden kann. So plakatierten WahlkämpferInnen der regierenden Liberalen den Opositionskandidaten Daniel Ortega mit dem Turban der Taliban. Das gefiel auch El Salvadors Präsident Francisco Flores, der auf dem jüngsten Gipfel der zentralamerikanischen Staatschefs dem SandinistInnen-Chef Beziehungen zu terroristischen Organisationen vorwarf. Ortega war bei dem Treffen in San Salvador gar nicht anwesend, könnte aber, falls er die Wahlen am 4. November gewinnt und den korrupten Präsidenten Arnoldo Alemán ablöst, schon beim nächsten Gipfel mit am Tisch sitzen und die traute Einigkeit der ebenso neoliberalen wie US-hörigen Staatsoberhäupter stören.
Die Korruption der Regierung bekam zuletzt auch eine außenpolitische Dimension, durch die die Liberalen aus der Sicht Washingtons von drolligen Verbündeten in einer Bananenrepublik zur gefährlichen Schwachstelle in der Terrorvorbeugung wurden. Denn der Chef der Einreisebehörde hat nicht weniger als 600 Reisepässe an undokumentierte Araber verkauft: So zentralistisch, wie die Dinge in Nicaragua organisiert sind, ist es undenkbar, dass Präsident Alemán davon nicht gewusst hat.
Ralf Leonhard
Kuba: UNO-Aktionen statt US-amerikanischer Racheakte
Die kubanische Regierung befürchtet, dass die USA die Terroranschläge zum Anlass nehmen, um unter dem Deckmantel von Vergeltungs- und Terrorbekämpfungsmaßnahmen „alte Methoden und Doktrinen neu zu beleben, die selbst eine Wurzel des Terrorismus und schwerer Spannungen sind“.
Sie fordert, dass die UNO die für die Bekämpfung des Terrorismus zuständige Instanz sein müsse und weist darauf hin, dass eine militärische Aktion der USA zu weiterem unnötigen Blutvergießen führen werde.
(POONAL)