Mexiko | Nummer 303/304 - Sept./Okt. 1999

Scheinangebote

In Chiapas setzt die Regierung weiterhin auf einen Krieg niedriger Intensität

Mit einem neuen Dialogangebot an die EZLN will die mexikanische Regierung ihren Friedenswillen demosntrieren. Nur Wahlkampfrethorik meint die Opposition. In Wirklichkeit setzt sie nämlich weiterhin auf Konfrontation und geht gewaltsam gegen die zapatistische Basis vor.

Boris Kanzleiter

Während die mexikanische Bundesarmee in Chiapas aggressiv gegen die zivile Basis der Zapatistischen Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) vorgeht, unterbreitete die Regierung nun wieder ein „Dialogangebot“ und möchte Verhandlungen mit der südmexikanischen Guerilla aufnehmen. Das ist zumindest einer Initiative des Präsidenten Ernesto Zedillo zu entnehmen, die am 7. September der Öffentlichkeit präsentiert wurde.
Die Regierung fordert die ZapatistInnen darin auf, wieder am Verhandlungstisch Platz zu nehmen, um über ein Gesetzespaket zur sozialen und politischen Besserstellung der zehn Millionen Angehörigen indianischer Gruppen zu beraten. Der offizielle Gesprächsfaden zwischen den Parteien ist seit September 1996 abgerissen. Damals verließ die EZLN die Verhandlungen, weil sich die Regierung weigerte, ein bereits im Februar 1996 beschlossenes Abkommen über „Indianische Rechte und Kultur“ in die Praxis umzusetzen. Seitdem sind die Fronten verhärtet. Die Zapatistas erklärten, sie würden einen Dialog erst wieder aufnehmen, wenn das Abkommen umgesetzt wäre. Präsident Zedillo von der seit 70 Jahren regierenden Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) legte dagegen ein neues Gesetzespaket vor, das im Parlament allerdings nie beschlossen wurde. Es fiel weit hinter die ursprünglichen Zugeständnisse an die Zapatistas zurück und wurde von diesen daher abgelehnt.
Während der neue Regierungsvorstoß den Wiederaufbau einer Vermittlungskommission vorsieht, findet sich im Text kein Hinweis auf eine Veränderung der Militärstrategie. Diese bestand seit dem Ausbruch des indianischen Aufstandes zum Jahresbeginn 1994 darin, den Bundesstaat schrittweise unter Kontrolle zu bringen. Zahlreiche Stützpunkte der Armee wurden aufgebaut, um den Bewegungsspielraum der Zapatistas einzuengen. Gleichzeitig bauten Regierungsfunktionäre und Militärs paramilitärische Gruppen auf, die teilweise brutal gegen die zivile Basis der Zapatistas vorgingen.

„Zugeständnisse“ im Wahlkampf

Innenminister Diódoro Carrasco Altamirano erklärte, es sei „unabdingbar, den Dialog wieder aufzunehmen, um Szenarien der Gewalt zu verhindern.“ Die ersten Reaktionen auf den Regierungsvorschlag waren allerdings zurückhaltend. Die Zapatistas selbst haben noch nicht antworteten. Der PRD-Abgeordnete Gilberto López y Rivas erklärte: „Ich sehe den Vorschlag als Nebelwerferei, um den Konflikt zu verschleiern und Wahlkampf zu betreiben.“ Das Angebot setze sich „einfach darüber hinweg, daß die tägliche Botschaft an die Zapatistas die Militarisierung und die Kriegführung niedriger Intensität“ sei. Er glaube nicht, daß die EZLN das Angebot akzeptiere.
Tatsächlich scheint dies unwahrscheinlich. Als Vorbedingungen für einen neuen Dialog fordert die EZLN neben der Umsetzung der „Vereinbarungen über indianische Rechte und Kultur“ den Rückzug der mehreren zehntausend Militärs aus Chiapas und die Entwaffnung der paramilitärischen Gruppen. Doch genau damit ist nicht zu rechnen. Erst in den letzten Wochen kam es in den Ortschaften Amador Hernández, San José la Esperanza und Morelia zu Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und zivilen Basismitgliedern der EZLN, bei denen zahlreiche Zapatistas verletzt oder inhaftiert wurden. Das Militär setzte Tränengas und scharfe Munition ein. Hintergrund der Zusammenstöße war der Protest der Zapatistas gegen ein Straßenbauvorhaben der Armee, das offensichtlich militärischen Zwecken dienen sollte. Mittlerweile wurde der Bau der Landstraße gestoppt, allerdings nur vorübergehend.

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