SYSTEMATISCHE VERFOLGUNG DER OPPOSITION
Schwere politische Krise nach der Präsidentschaftswahl in Honduras
Bei den Präsidentschaftswahlen in Honduras Ende November war das oppositionelle Parteienbündnis Allianz gegen die Diktatur mit dem politischen Neuling Salvador Nasralla gegen den amtierenden Präsidenten Juan Orlando Hernández von der Nationalen Partei (PN) angetreten. Einen Tag nach der Wahl, nach Auszählung von 60 Prozent der Stimmen, wurde von einem Wahlsieg für Nasralla mit einer deutlichen Stimmenmehrheit von fünf Prozent ausgegangen. Doch das Ergebnis änderte sich nach einem Ausfall der Computersysteme der Wahlbehörde (TSE). Nach wochenlangen Nachzählungen und ohne Zwischenergebnisse zu veröffentlichen, erklärte das oberste Wahlgericht am 17. Dezember, Hernández habe mit 42,95 Prozent der Stimmen gegenüber 41,24 Prozent der Stimmen für Nasralla gesiegt.
Fotoquelle: Luis Méndez
Kurz vor der Erklärung hatte der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro, deutliche Zweifel an Wahlverlauf und Stimmauszählung geäußert. Er riet Honduras, Neuwahlen abzuhalten. Die USA erkannten das Wahlergebnis jedoch am 22. Dezember an. Zuvor hatte Außenminister Rex Tillerson der honduranischen Regierung Erfolge im Kampf gegen Korruption und für die Menschenrechte bescheinigt, was den Weg frei macht für weitere Millionenhilfen für die honduranischen Sicherheitskräfte, die derzeit gewaltsam gegen die Bevölkerung vorgehen.
Die Proteste gegen einen möglichen Wahlbetrug begannen wenige Tage nach dem Urnengang, als das TSE keine neuen Daten mehr veröffentlichte. Die Vermutung lag nahe, dass die Wahlbehörde, die von der Regierungspartei PN kontrolliert wird, nun die Ergebnisse manipulieren würde. Dass der Ministerrat am 1. Dezember für zehn Tage den Ausnahmezustand verhängte, trug zum weiteren Misstrauen gegen die noch amtierende Regierung bei. In allen Landesteilen gingen die Menschen demonstrieren und errichteten Straßenblockaden. Über tausend politische Kundgebungen gab es allein im Dezember. Die Menschenrechtsorganisation Komitee der Angehörigen von verschwundenen Verhafteten in Honduras (COFADEH), aber auch die staatliche Menschenrechtskommission CONADEH, zählten von der Wahl bis zum Ende des Jahres 30 Todesopfer. Laut COFADEH starben die meisten von ihnen durch Kugeln der Militärpolizei, die mit scharfer Munition auf die Menschen auf der Straße schoss. Mitte Dezember rief der Menschenrechtsbeauftragte Roberto Herrera Cáceres die staatlichen Sicherheitskräfte auf, nicht länger mit tödlichen Waffen gegen Demonstrierende vorzugehen. Doch das Militär schießt weiterhin auf Protestrierende. Im Januar wurden mindestens zwei Menschen bei Demonstrationen erschossen, zwei weitere wurden tot aufgefunden, nachdem sie von Uniformierten mitgenommen worden waren. Das Hochkommissariat für Menschenrechte nennt das Ausmaß der von den Sicherheitskräften ausgeübten Gewalt besorgniserregend. Genannt werden Steinwürfe, Einsatz von Tränengas und Schlagstöcken sowie Gewalt gegen Pressevertreter*innen. Die Gewalt sei unvermittelt angewendet worden, ohne vorherige Kommunikation mit den Demonstrierenden.
Das Militär schießt weiterhin auf Protestierende.
Über tausend politische Kundgebungen allein im Dezember.
Während der Staat mit aller Härte gegen die Protestbewegung vorgeht, ist von Ermittlungen gegen die Mörder von Demonstrant*innen aus den Reihen von Militär und Polizei nichts bekannt, auf eine Anfrage von Radio Progreso wurde nicht geantwortet. „Die Staatsanwaltschaft zeigt eine Haltung der Komplizenschaft und einen fehlenden politischen Willen zu ermitteln“, sagte Guillermo López Lone von der Vereinigung der Richter für die Demokratie. Es ist daher wahrscheinlich, dass die Todesschützen und diejenigen, die den Befehl zum Schießen gaben, straflos bleiben. Wie das Zentrum für Demokratiestudien (CESPAD) feststellt, ist die Militärpolizei eine wesentliche Stütze der Macht von Juan Orlando Hernández; ihren Aufbau hat Hernández als Parlamentspräsident unterstützt. Das Büro des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte in Honduras fordert von der Regierung nach wie vor, das Militär nicht gegen die eigene Bevölkerung einzusetzen, insbesondere nicht für Aufgaben, die eigentlich in den Bereich der Polizei fallen.
Ein weiterer Aspekt der Repression sind Schmutzkampagnen gegen die Protestierenden und führende Personen sozialer Bewegungen. Am 21. Dezember erklärte Sicherheitsminister Julián Pacheco Tinoco: „Es gibt nicht eine Demonstration, die friedlich sein könnte, da Banden von Räubern, Mördern und Drogenhändlern die Macht über die Proteste an der Nordküste übernommen haben.“ Aus dem Norden des Landes kam auch Wilmer Paredes, der am 1. Januar mit 13 Schüssen aus einem Auto heraus ermordet wurde. Paredes hatte sich an Straßenblockaden beteiligt und mit der Breiten Bewegung für Würde und Gerechtigkeit (MADJ) kooperiert. Am 29. Dezember hatte er sich hilfesuchend an den Koordinator des MADJ, Martín Fernández, gewandt, da er ständig von einem Auto verfolgt wurde. Fernández hatte daraufhin die Polizei sowie den Schutzmechanismus für Menschenrechtsverteidiger*innen alarmiert, ohne dass diese aktiv wurden. Mitte Januar tauchte ein Flugblatt auf, in dem Martín und Victor Fernández vom MADJ beschuldigt werden, den Mord von Wilmer Paredes in Auftrag gegeben zu haben, da dieser einen ihrer Mordaufträge nicht ausgeführt hätte. „Diese Publikation in sozialen Netzwerken bestätigt, dass das Verbrechen auf die kriminellen Strukturen der Diktatur zurückgeht und sie weiter der Strategie folgen, Verwirrung und Angst zu säen, mit denen sie den Kampf der Bevölkerung gegen die Diktatur demobilisieren wollen“, kommentiert Victor Fernández. Drei der unlängst Getöteten waren beim MADJ engagiert.
Auch andere Oppositionelle wurden zum Opfer von Diffamierungskampagnen, darunter der Jesuitenpater und Direktor von Radio Progreso, Ismael Moreno. In der letzten Dezemberwoche war ein Steckbrief von neun Personen im Umlauf, die als „Achse des Bösen“ für Proteste, Plünderungen und Zerstörung verantwortlich gemacht wurden. „Wir sehen dies als gravierend und äußerst riskant für die, die wie wir das Recht auf freie Meinungsäußerung gegen die Diktatur wahrnehmen“, erklärt Moreno. Hinter der Hasskampagne steckten dieselben Strukturen, die schon für die Todesschwadronen der 80er Jahre verantwortlich gewesen seien.
In der Woche des „landesweiten Streiks“ (Paro Nacional) vor der offiziellen Amtseinführung von Juan Orlando Hernández am 27. Januar hat sich die Taktik der allgemeinen Einschüchterung, Verhaftung von führenden Personen des Protests und gezielten Exekutionen fortgesetzt. Die Allianz der Opposition hat angekündigt, die Antrittsfeier von Hernández zu blockieren.