Literatur | Nummer 384 - Juni 2006

Theater in Zeiten der Revolution

Die Autobiographie einer nicaraguanischen Künstlerin

Claudia Contreras Zelaya kämpfte als junge Theaterschauspielerin für die Ideale der sandinistischen Revolution. In Años de pasión erinnert sie sich an eine Zeit voller Hoffnungen.

Vidaluz Meneses, Brigitte Hauschild

Años de pasión ist ein wunderbares Werk der in Berlin lebenden Nicaraguanerin Claudia Contreras, das sehr anschaulich Kindheit und Jugend der Autorin in ihrem Heimatland schildert. Es ist die Zeit des Triumphes des sandinistischen Volksaufstandes, der das Ende einer fast ein halbes Jahrhundert andauernden Diktatur besiegelte und den Weg für eine soziale, ökonomische, politische und kulturelle Transformation Nicaraguas öffnete.
In diesen Jahren bildete sich die Autorin zur Theaterschauspielerin aus und beteiligte sich von der Bühne aus an der Schaffung einer neuen Ordnung und der Verteidigung des revolutionären Projektes. Der unermüdliche Einsatz und die Begeisterung vieler Menschen hielten damals die Revolution am Leben. Es war die Zeit, in der die Imagination an die Macht kam und die Kreativität bis zum Maximum stimuliert wurde.

Die Schaupielerin

Ich lernte Claudia in der Kulturbrigade „Leonel Rumaga” kennen, mit der wir beide 1983 Kriegsregionen im Norden und Westen Nicaraguas bereisten, so wie sie es in ihrem Buch beschreibt. Zu jener Zeit wurde das in Gemeinschaftsarbeit entstandene Werk La Virgen que suda („Schwitzende Jungfrau”) aufgeführt, und ich hatte die Gelegenheit, die Qualitäten Claudias und anderer junger, vielseitiger und talentierter KünstlerInnen des Theaters „Justo Rufíno Garay“ zu bewundern.
Im Theaterstück Tita Ternura stellt Claudia eine Person dar, die in der neuen Situation des Landes die unvollendet gebliebene Revolution erlebt. Es geht um ein Programm zur Verteidigung der Rechte von Kindern und Jugendlichen, das sie mit enormer Glaubwürdigkeit vorstellt.

Unterschiedliche Wirkungen

In ihrem Buch Años de pasión lässt uns Claudia an den verschiedenen Etappen ihres Lebens, am Prozess ihres Lernens, an ihren Erfahrungen als Schauspielerin und schließlich auch an der später folgenden Krise teilhaben, deren Beginn wir damals zunächst nicht wahrhaben wollten: die Zermürbung Nicaraguas durch den Krieg der Contras, die schleichende Demontage der Revolution und das sich unglücklicherweise immer öfter wiederholende Fehlverhalten nicht weniger Machthaber.
Die Lektüre dieses Buches kann unterschiedliche Wirkungen hervorrufen. Für ihre Landsleute und solidarischen FreundInnen im Ausland wird das Buch die „guten alten Zeiten“ nostalgisch wieder aufleben lassen – Zeiten, die besonders in der letzten Phase der Revolutionsregierung nicht frei von Frustrationen und Desillusionierung waren. Andere werden das Buch als eine unterhaltsame und bewegende Erzählung des Lebens einer jungen Frau in ihrer ganz besonderen Realität schätzen. Insbesondere für junge Leute in Nicaragua kann die Lektüre bereichernd sein. Sie nämlich sind es, von denen nicht Wenige die sandinistische Dekade 80er Jahre ignorieren oder – schlimmer vielleicht – ihre eigene Geschichte gar nicht kennen. Orientierungslos übernehmen sie die Frustrationen und Verbitterungen ihrer Eltern und werden von einem wirtschaftlichen und sozialen Modell ausgeschlossen, das uns als unumstößlich aufgedrückt wird.
Die Integrität und Kohärenz der Autorin, die ich bezeugen kann, werden in diesem Buch deutlich und machen seine Lektüre so wertvoll. Es verweist auf die Gültigkeit der Ethik in einer Realität, die Ethik vermissen lässt.
Im letzten Kapitel wird Claudias Heimweh nach Nicaragua auch zwischen den Zeilen sichtbar. Ihr eigenes Erleben Nicaraguas steht im Mittelpunkt dieses Buches, während die Aussagen zur DDR manchmal unzulässig verallgemeinernd bleiben.

Das Buch ist in spanischer Sprache zu bestellen bei:
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