Tödlicher Ernst
Der kolumbianische Journalist und Satiriker Jaime Garzón wurde ermordet
Der Lebenslauf des bekannten kolumbianischen Satirikers Jaime Garzón spiegelt bis hin zu seinem gewaltsamen Tod am 13. August in Bogotá geradezu exemplarisch die Komplexität des kolumbianischen Bürgerkriegs. Als Student schloß Garzón sich für wenige Monate der Guerilla-Gruppe ELN (Ejército de Liberación Nacional) an, vertrat dann jedoch die Auffassung, daß der bewaffnete Kampf Kolumbien dem Frieden nicht näher bringen würde.
Jahre später ernannte ihn der damalige konservative Bürgermeister von Bogotá (und heutige Präsident) Andrés Pastrana zum Bezirksvorsteher in Sumapaz, einem ländlichen Vorort der Hauptstadt, in der die Guerilla traditionell stark präsent ist. Mit den Satiresendungen „Zoociedad” und „Quac“ wurde Garzón im ganzen Land bekannt als politischer Humorist, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Zuletzt interviewte er als Schuhputzer „Heriberto de la Calle“ Politiker und Prominente und brachte manchen mit seinen frechen Fragen dabei gehörig ins Schwitzen.
Durch seine Art, schonungslos nach rechts und links auszuteilen, geriet er wiederholt in Schwierigkeiten. Nach einem Radiointerview mit dem FARC-Sprecher Marcos Calarcá erklärte ihn eben diese Guerilla-Gruppe zum „militärischen Ziel“. Garzón sprach daraufhin in Sumapaz mit Farc-Kommandanten, um die Drohung aus der Welt zu schaffen.
Auf solchen direkten Kontakten fußte auch sein in der Öffentlichkeit nur wenig bekanntes Engagement als Vermittler bei Entführungen durch die Guerilla. Diskret, aber mit großem persönlichen Einsatz sponn er Gesprächsfäden, die in vielen Dutzend Fällen zur Freilassung der Geiseln führten. Auch der Friedensprozeß war ihm ein Anliegen: Zuletzt bemühte er sich, zwischen ELN und kolumbianischer Regierung einen direkten Kontakt aufzubauen, um die blockierte Friedensinitiative wieder in Gang zu bringen.
Vieles deutet darauf hin, daß der Mord nicht dem Humoristen Jaime Garzón galt, sondern dem Friedensvermittler. Garzón erhielt wiederholt Todesdrohungen von rechtsgerichteten Paramilitärs, zuletzt von den Autodefensas Unidas de Colombia (AUC). Wieder suchte der Satiriker das direkte Gespräch und vereinbarte mit AUC-Chef Carlos Castaño ein Treffen. Einen Tag vor dem anvisierten Termin trafen ihn die tödlichen Kugeln. Castaño beeilte sich zu erklären, daß seine Organisation nichts mit dem Mord zu tun habe. Auch über eine Beteiligung ultrarechter Militärs wird spekuliert: Im vergangenen Jahr hatte Armee-General Jorge Enrique Mora, der heutige Chef der Streitkräfte, gegen den Satiriker ein Ermittlungsverfahren wegen seiner Vermittlungstätigkeit gefordert und ihn als „Freund der Guerilla“ bezeichnet. Eine Aussage, die in Kolumbien einem Mordauftrag gleichkommen kann.
Vermutlich aber werden auch in diesem Fall die Hintermänner nie ernsthaft verfolgt und vor Gericht gestellt – so wie in den meisten Fällen von Morden an JournalistInnen die Ermittlungen im Nichts verlaufen. Nicht zuletzt diese Straflosigkeit ist es, die Kolumbien in Statistiken über Morde an Presseleuten ganz oben stehen läßt. Aber Garzón war nicht nur Journalist, und der Mord nicht nur ein Anschlag auf die Pressefreiheit. Sein bissiger Humor machte ihn zum vielbeachteten Kritiker, der sich traute, auch unbequeme Wahrheiten über die in Kolumbien herrschenden Verhältnisse auszusprechen. Und durch seinen Einsatz für den Dialog zwischen den Kriegsparteien war er eine Schlüsselfigur im Friedensprozeß. Mit Garzón ist wieder einmal ein Hoffnungsträger ermordet worden. Tausende KolumbianerInnen versammelten sich am Tag des Mordes zu spontanen Demonstrationen.