Literatur | Nummer 231/232 - Sept./Okt. 1993

Verlorene Worte ?

Susan Drews

Der Roman “Die verlorenen Worte” von Jesús Diaz erzählt die Geschichte dreier junger Männer, die durch eine geradezu fanatische Leidenschaft zur Literatur miteinander verbunden sind. ihre gemeinsame Liebe bildet die Grundlage für eine intensive Freundschaft, die eine stetige literarische Konkurrenz, wie auch den Respekt vor dem Genie des anderen beinhaltet.

Sie kommen aus unterschiedlichem Milieu und könnten selbst nicht verschiedener sein: der Rote, ein leicht versnobter Dandy, dem Schönheit und Asthetik über alles geht; der Lange, der all sein Geld in Bücher anlegt und zusammen mit sei- ner Mutter im ärmsten Viertel Havannas in einer heruntergekommenen Behausung lebt, die eher Bibliothek als alles andere ist; und der Dicke, der gemütliche Intellektuelle, der an einer fortgeschrittenen Skoliose leidet, Plattfüße hat, sich mit dem Gesicht zuerst fortbewegt, aber trotz alledem ausgesprochenen Erfolg
bei Frauen hat, da er jederzeit bereit ist, sich sofort das Leben zu nehmen, sollte die Auserwählte sich seinem Willen nicht fügen.
Sie arbeiten gemeinsam an der ersten Nummer einer literarischen Zeitschrift mit Namen Guije, die jungen revolutionären Schriftstellern als Sprachrohr dienen soll.
Sie sind beherrscht von der Idee, etwas Neues zu schaffen, sie bilden einen Literaturkreis, schreiben Gedichte, Kurzgeschichten und Pamphlete -und vergessen dabei die Realität.
Eine Frau erlangt ihren literarischen Respekt und wird in den Männerkreis aufgenommen. Sie trägt den Spitznamen die Eins, “da sie so dünn und einsam aussieht wie eine Eins”.
Anhand dieser Frau zeigt Diaz eine andere Seite der drei Freunde auf. Hinter ihrem intellektuellen Getue sind sie ganz normale Chauvis ,denen es bei Frauen “um dicke Hintern und große Titten geht”.
Jeweils ein Kapitel erzählt die Geschichte in der Gegenwart, während das folgende eine Reflektion auf das Vergangene ist, die 10 Jahre später stattfindet. In wechselnder Folge von Gegenwart und Vergangenheit verdichtet sich der Roman bis zum letztendlichen Scheitern der literarischen Zeitschrift.
Den Lesern wird dies allerdings schon früher klar, da der Roman gleichzeitig die “Rohausgabe” der Zeitschrift ist und die Texte zu kritisch sind, als daß sie unter den realen kubanischen Bedingungen Aussicht auf Veröffentlichung hätten.
Ein interessantes Buch über Literatur, Kultur und die Grenzen des Möglichen im Kuba der 60er Jahre. Oder einfach nur ein Buch über das Scheitern eines Traumes dreier Freunde und einer Frau an der Realität und ihre Art und Weise mit dem kubanischenAlltag zu leben. Leider ist das Buch, aufgrund der ausgiebiegen intellektuellen Auseinandersetzung mit Literatur stellenweise etwas langatmig und langweilig.

Jesús Díaz: die verlorenen Worte, Piper Verlag

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