Kolumbien | Nummer 595 - Januar 2024

Verschmutzt und allein gelassen

Das kolumbianische Minendorf Boquerón leidet unter Kohlestaub, nach der Schließung zweier Minen aber auch unter Vernachlässigung – eine Fotostrecke

Text und Fotos: Leonard Mikoleit

Im Norden Kolumbiens wird in mehreren Minen Kohle gefördert. Neben der Region La Guajira mit dem bekannten Tagebau El Cerrejón geschieht dies auch in der Region Cesar. Der Kohleabbau ist dort in der Hand multinationaler Unternehmen wie Glencore (aus der Schweiz) und Drummond (aus den USA). Gemäß kolumbianischer Gesetze haben diese Unternehmen gegenüber den Gemeinden eine soziale Verantwortung in Bezug auf Bildung und Infrastruktur, sie haben zudem eine Verantwortung gegenüber der Umwelt – selbst nachdem sie ihre Bergbaulizenzen zurückgegeben oder verkauft haben.

Drummond ist noch da Nach Schließung der Glencore-Minen leiden die Städte immer noch unter der Verschmutzung durch andere Minen wie El Descanso von Drummond

Glencore schloss im Jahr 2020 offiziell zwei ihrer Minen (La Jagua und Calenturitas) aufgrund der COVID-19-Pandemie sowie angeblich fehlender Ressourcen zur Fortsetzung des Bergbaus. Da die Wirtschaft der Region Cesar hochgradig abhängig von diesen Minen war, ließ ihre Schließung die meisten zuvor dort tätigen Menschen ohne Einkommensquelle zurück.

Minenarbeiter*innen auf dem Weg zur Arbeit

Ein Mangel an staatlicher Präsenz und damit an Kontrolle der Bergbauunternehmen im Hinblick auf Umweltverschmutzung und soziale Investitionen führten zur Entstehung vergessener Ort­schaften wie Boquerón.

Einfaches Spielzeug Ein Junge hat sich etwas aus recycleten Eierpackungen gebastelt
Don Guillermo, ein örtlicher Bauer hat aufgrund der Verschmutzung all seine Fische, Rinder und Mais verloren. Sie waren die einzige Einnahmequelle neben der Kohle

Regiert manchmal von Kriminellen, manchmal von Guerillakämpfern, manchmal von paramilitärischen Gruppen und manchmal von sich selbst, schafft es Boquerón, auch ohne staatliche Präsenz zu überleben. Die Straßen sind nicht asphaltiert, die Energieversorgung erstreckt sich nur auf bestimmte Haushalte und die Schule. Die Mehrheit der Bewohner von Boquerón arbeiteten in den Glencore-Minen, bevor diese geschlossen wurden. Jetzt sind die meisten arbeitslos und kämpfen jeden Tag um das Nötigste.

Unasphaltierte Straßen sind die Regel in Boquerón

Bereits im Jahr 2010 wurde Glencore vom kolumbianischen Bergbauministerium aufgefordert, die Menschen von Boquerón aufgrund der Verschmutzung durch Kohlestaub umzusiedeln. Dies ist jedoch nie geschehen, stattdessen wartete das Unternehmen elf Jahre ab, bis die zuständige Behörde im Jahr 2021 feststellte, dass Boquerón nun unterhalb des gesetzlichen Verschmutzungslimits lag. Die Einheimischen erhielten von den Bergbauunternehmen nie eine Entschädigung für die Verschmutzung. Während sie die Landwirtschaft als alternative Einkommensquelle durch die Verschmutzung verloren, existieren die Minen, für die sie immer gearbeitet hatten, nicht mehr.

Der örtliche Supermarkt Hier kaufen die Leute alles, von Reis bis hin zu Spirituosen

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