Mexiko | Nummer 342 - Dezember 2002

Von kämpferischen Frauen in Loxicha

Estela García setzt sich in Oaxaca für die Menschenrechte ein

Am 24. April 1997 kamen 60 Polizisten in ihr Haus, misshandelten Estela García und ihre Brüder, schossen auf ihren Mann und nahmen ihn dann, schwer verletzt, mit. Sie folgte der Blutspur, die aber plötzlich mit Erbrochenem, zerschlagenen Stöcken und Hautfetzen endete. Erst nach langer Suche fand sie heraus, wohin sie ihren Mann – schon tot – verschleppt hatten. Seitdem kämpft sie gemeinsam mit anderen Frauen und Männern aus Loxicha um die Aufklärung der Morde, die Bestrafung der Täter, die Freilassung der Gefangenen und gegen Repression und Militarisierung in der Region. Sie ist Mitglied in der Unión de los Pueblos contra la Represión y la Militarización de la Región Loxicha (Union der Völker gegen Repression und Militarisierung in der Region Loxicha). Auf Grund ihres Engagements ist sie ständigen Belästigungen und Anfeindungen ausgesetzt und muss um ihre persönliche Sicherheit fürchten. Sabine Kellig sprach mit ihr, als sie im August diesen Jahres auf einer Rundreise in Deutschland war.

Sabine Kellig

Du bist in der „Unión de los Pueblos“ organisiert. Wie kamst du dazu?

Die Revolutionäre Volksarmee (EPR) tauchte 1996 auf, am 28. August. Die ersten Festnahmen gab es schon im September, aber meinen Mann töteten sie erst am 24. April 1997, ein Jahr danach. Da wurde ich auch in die ganze Sache verwickelt. Ich ging 1997, als ich meinen Mann suchte, in die Landeshauptstadt Oaxaca. Dort waren schon andere Frauen, deren Männer bereits 1996 verhaftet worden waren. Ich bot ihnen meine Hilfe an.

Wie viele Frauen waren damals in Oaxaca?

Ungefär 20 Frauen. 45 Männer waren verhaftet und etwa 15 oder 20 ermordet worden. Als mein Mann ermordet wurde, halfen mir die anderen Frauen und ein paar von uns gründeten die Unión de Pueblos. Mit einer solchen Repression bleibt uns gar nichts anderes übrig. Denn wenn wir in unser Dorf zurückkehren, dann töten sie uns.
Wir blieben also in Oaxaca und richteten dem Rathaus gegenüber ein Camp ein. Aber die Belästigungen waren wirklich schlimm. Am 10. Juni gab es eine Konferenz, auf der die Unión de Pueblos ihre Forderungen stellte: Freiheit für die Gefangenen, Aufhebung der Vorladungen, Schluss mit der Verfolgung der Leute und die Möglichkeit, in ihre Orte zurückkehren zu können und eine Menge Forderungen mehr. Wir waren vier Frauen in der Unión, fast noch Kinder, und die anderen drei sprachen kein Spanisch, sondern nur zapotekisch.
Ich war gerade mal 24 Jahre alt. Und die anderen – Nestora war 18 Jahre alt, Genoveva erst 15 Jahre. Als sie ihren Vater und drei ihrer Brüder verhafteten, ging sie noch zur Schule. Bei Nestora verhafteten sie den Vater. Die Vierte, Donanciana, war damals ungefähr 30 Jahre. Wir begannen, unsere Situation öffentlich zu machen. Ich war damals für die landesweite Ebene zuständig und lernte auf internationaler Ebene verschiedene Organisationen kennen. Ich sprach von unseren Problemen, von Loxicha und von unserer Arbeit. Die Leute aus den kleinen Ortschaften von Loxicha begannen, uns als ihre Sprecherinnen zu sehen.

Wie ist es mit der Militarisierung in der Region Loxicha jetzt im Augenblick?

Das ist immer noch sehr beunruhigend. Vor dem Tod von Jaime dem letzten Bürgermeister, der am 12. Januar 2002 ermordet wurde, war es etwas ruhiger geworden. Die Militärs waren zwar in ihren Basen und machten ihre Märsche in der Region, aber sie kamen nicht mehr in die Häuser. Aber nach dem Mord an Jaime fingen sie wieder mit den Hausdurchsuchungen und der Schikane der Leute an. Einige Leute verstecken sich sogar, wenn sie die Polizei sehen.

Gibt es Misshandlungen?

Ja, vor allem sehr viele Vergewaltigungen von Frauen: Sie konnten das jetzt etwas stoppen, weil es Protest und auch einige Anzeigen gab. Aber die Frauen haben Angst, vor den Behörden auszusagen und die Spuren der Vergewaltigung zu zeigen. Dabei starben einige fast daran. Ein Mädchen war erst 14 Jahre alt.

Was wünschst du dir für die Zukunft?

Ein ruhiges Leben, so wie früher. Einfach – Tortillas und Bohnen sind ausreichend für uns. Aber mit der Repression kann man ja nicht mal seine Ernte einbringen.

Welche Unterstützung braucht ihr, um wieder Ruhe und Frieden in Loxicha zu erreichen?

Eigentlich fehlt es an allem. Aber das Wichtigste – Geld ist natürlich auch sehr wichtig – das Wichtigste ist, dass die Menschen erfahren, was in Loxicha geschieht. Dass laut gesagt wird, was los ist.

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