“Zweites Leben” mit Geld von der Drogenmafia?
Schon vor Amtsantritt gerät der frischgewählte kolumbianische Präsident Samper ins Zwielicht
Eine Anmerkung vorweg: Bei der Recherche für ein Porträt des auf internationalem Parkett nicht allzu bekannten Politikers stolperten die LN über so viele Widersprüchlichkeiten in den biographischen Angaben, daß man fast meinen könnte, es handele sich bei dem pragmatischen Musterkarrieristen Samper um eine rätselhafte Gestalt.
1950 geboren, stammt Samper laut dpa aus “einfachen Verhältnissen”, nach Angaben der taz aus einer “Politikerfamilie”. Erst 25jährig, nach anderen Angaben als 29jähriger stieg Ernesto Samper 1978 nach Beendigung seines Jura- und Ökonomiestudiums zum Präsidenten des Verbandes der Finanzinstitute ANIF auf. Erstes Aufsehen erregte er wenig später durch seine linksliberalen Wirtschaftsanalysen und kritischen Kommentare. Unter anderem plädierte er für eine Freigabe des Haschischkonsums – ein Umstand, auf den er heute ähnlich ungern angesprochen wird wie Bill Clinton auf sein Kiffen zu Studentenzeiten.
Seine politische Bilderbuchkarriere begann 1981: In den folgenden Jahren war er unter anderem Generalsekretär der Liberalen Partei, Botschafter Kolumbiens bei den Vereinten Nationen und Chef eines Forschungsinstitutes seiner Partei. Ab 1986 vertrat er die Liberalen im Senat.
1989 trafen ihn auf dem Flughafen von Bogotá 17 Kugeln, die – je nach Interpretation – aus dem Gewehrlauf eines Rechtsextremen oder eines Drogenkillers vom Medellín-Kartell stammten. Fast wie durch ein Wunder überlebte der Schwerverletzte das Attentat. Zu Beginn seines “zweiten Lebens”, wie Samper selbst die Phase nach der Genesung bezeichnet, holte ihn der liberale Präsident Gaviria als Minister für wirtschaftliche Entwicklung in sein Kabinett. Später wurde er als Botschafter nach Spanien entsandt.
Kapitalismus mit sozialem Antlitz?
Während des Wahlkampfes ging Samper in einigen Punkten auf Distanz zu der neoliberalen Kahlschlagpolitik seines Parteifreundes Gaviria. “Ich werde den sozialen Kapitalismus einführen”, versprach er vollmundig. Unter anderem plädierte er gegen eine weitere Privatisierung staatlicher Großunternehmen. Durch gezielte staatliche Investitionen in die Infrastruktur sollen mehr als eine Million neue Arbeitsplätze entstehen. Ebenso kündigte er den Bau von Sozialwohnungen an.
Im Bereich Drogenpolitik wird erwartet, daß Samper die Linie seines Vorgängers im großen und ganzen beibehält.
In Sachen Guerilla verkündete Samper, die Aufstandsbekämpfung verschärfen zu wollen, gleichzeitig aber zum Dialog bereit zu sein – “aber nur, wenn der Gegner zu schießen aufhört”. Im Klartext bedeutet dies die Forderung nach einem einseitigen Waffenstillstand – ein alter Streitpunkt, an dem auch in den letzten Jahren schon immer Verhandlungen gescheitert sind.
Auf parlamentarischer Ebene sind Sampers Startbedingungen nicht schlecht. So kann er auf eine liberale Mehrheit im Senat und im Repräsentantenhaus zurückgreifen, wo ein Großteil der Abgeordneten aus seinen Gefolgsleuten besteht. Andererseits ist er wie alle seine Vorgänger mit einem starken parteiinternen Filz und Klientelismus konfrontiert, der seine politisch Bewegungsfreiheit erheblich einschränken dürfte.
Wird ein Tonband zum Fallstrick?
Am 22.Juni. wurde verschiedenen kolumbianischen Medien ein Tonbandmitschnitt zugespielt. Als die Bänder kurz darauf in mehreren Fernsehsendungen vorgespielt wurden, erwartete die bereits vom Fiasko der kolumbianischen WM-Fußballmannschaft gebeutelte Nation eine weitere Negativsensation: Die Aufzeichnungen dokumentierten Gespräche zwischen dem Journalisten Alberto Giraldo, der bekanntermaßen als Mittelsmann des Cali-Kartells tätig ist, und den Wahlkampfmanagern von Samper und Pastrana. Wenn das Material authentisch ist, würden sich die bereits vorher kursierenden Gerüchte bewahrheiten, wonach der Wahlkampf beider Präsidentschaftskandidaten von der Drogenmafia gesponsort worden wäre. In den Tonbandgesprächen ist von 3,7 Millionen Schmiergeld für Samper und 2,5 Millionen für Pastrana die Rede. Giraldo, der seine Tätigkeit für die Drogenmafia eingestanden hat, erklärte mittlerweile, seine damaligen Bestechungsversuche seien ohne Erfolg geblieben.
Mittlerweile hat die Oberstaatsanwaltschaft, die pikanterweise von Sampers Vorgänger Gaviria als zu nachsichtig gegenüber den Drogenkartellen beschimpft wurde (siehe Artikel), die Ermittlungen übernommen. Für die Liberale und die Konservative Partei handelt es sich laut El Pais bei der Veröffentlichung der Tonbänder um einen “angekündigten Skandal”, von dem sie bereits eine Woche vorher Kenntnis hatten. Zwar hat Samper selbstverständlich seine Verwicklung in den Skandal dementiert, gleichzeitig wurde aber in der Öffentlichkeit mit Staunen registriert, daß er und seine Partei die Verbreitung des kompromittierenden Materials fast tatenlos hinnahmen. Steht dem Präsidenten in spe das Wasser schon bis zum Hals?
Wenn sich die Verdächtigungen als berechtigt herausstellen sollten, wird das “zweite Leben” Sampers um ein berufliches Highlight ärmer: Vor der Wahl hatte er angekündigt, er werde das Präsidentenamt nicht antreten, wenn ihm Geschäfte mit Drogenhändlern nachgewiesen würden.