Der Krieg am Golf und die Antikriegsbewegung
Seit dem 16. Januar ist Krieg. Und schon jetzt ist er Routine. Das Hören von Militärkommuniques im Frühstücksrundfunk ist zur täglichen Gewohnheit geworden. Dies liegt in erster Linie an der Nicht-Berichterstattung, die uns hier erreicht. Über die Zensur und die technokratische Darstellung der Bombardements durch die Massenmedien bis zur Manipulation von Informationen, insbesondere des US-amerikanischen Fernsehens, sind die wichtigsten Dinge in der Beilage zum Golfkrieg in dieser Aussage gesagt.
Seit Beginn des Krieges hat es in Deutschland vielfältigen Protest gegeben. Sicher, die Friedensbewegung gibt es in dem Sinne nicht. Sie ist politisch heterogen, und es finden sich sowohl antiimperialistische Positionen wie christlich motivierte Friedensgruppen. Auch in der Redaktion dieser Zeitschrift gehen die Meinungen in vielen Fragen auseinander. Aber die Bewegung, die da massenhaft mobilisiert hat und zu der auch wir uns zählen, ist sich in einem einig: Sie kämpft gegen diesen Krieg. Sie ist eine “Antikriegsbewegung”. “Kampf dem Krieg” ist dabei weit mehr als eine moralische Forderung, die einer berechtigten Betroffenheit, Ohnmacht und Ängsten entspringt. Sie wendet sich gegen die, die diesen Krieg möglich gemacht haben und an ihm verdienen, sie wendet sich gegen undemokratische gesellschaftliche Strukturen, die sich durch diesen Krieg gerade wieder verfestigen. Damit wird sie zu einer eminent politischen Forderung.
Die Kritik richtet sich gegen das Regime des Irak, das aus ökonomischen und hegemonialen Interessen Kuwait überfallen hat. Sie richtet sich gegen die USA, denen es von vorneherein nicht um die Wiederherstellung des Völkerrechts sondern um ökonomische Interessen und die Zerstörung einer hegemonialen Macht in der Golfregion ging. Durch die ständig stattfindenden Bombardements und die damit bewußte Inkaufnahme der Vernichtung eines ganzen Volkes wollen die USA ihre Weltmachtstellung in der Golfregion erneut unter Beweis stellen.
Die Alliierten haben sich durch die von den USA durch massive Truppenentsendungen geschaffenen Fakten in der UNO unter Druck setzen lassen und aus eigenen ökonomischen und politischen Interessen das Spiel mitgespielt. Jahrzehntelang haben sie selbst in dieser und anderen Regionen der Dritten Welt Völkerrechtsverletzungen begangen oder geduldet, Invasionen durch die USA hingenommen oder Völkermord schlichtweg übersehen.
Westliche Unternehmen, insbesondere deutsche Firmen, machen diesen Krieg zu einem großen Geschäft. Sie verdienten jahrelang am Waffen- und Giftgasexport in den Irak, sie verdienen gerade jetzt durch den Krieg, und sie wollen ein drittes Mal verdienen, wenn in der zerstörten Region der Wiederaufbau ansteht.
Die Position der deutschen Regierung und ebenso der SPD-Opposition ist schlicht heuchlerisch. Jahrelang hatte sie diese Entwicklung mitgetragen, um sich nun, da auch Israel bedroht ist, als Retter in der Not mit historischem Gewissen zu erweisen.
Seit dem 19. Januar bereits wurde es den Herrschenden in Deutschland zuviel. Es bestand die Gefahr, daß sich eine Antikriegsstimmung in der Masse der Bevölkerung hätte durchsetzen können. Die zunächst tollerierten bis funktionalisierten Antikriegsdemonstrationen brachten doch zu stark die Unglaubwürdigkeit und Widersprüchlichkeit der deutschen Politik zum Ausdruck. Über bestimmte Medien wurde daher eine wahre Hetzkampagne gegen die Proteste gestartet. Um “Antiamerikanismus” handelte es sich plötzlich, und es hieß, die Interessen Israels würden ignoriert.
Muß denn nochmal wiederholt werden: Selbstverständlich wendet sich die Antikriegsbewegung – und da weiß sie sich mit dem Widerstand in San Francisco oder New York einig – gegen die US-Interventions- und Kriegspolitik. Wie viele Male mußten in dieser Zeitschrift US-amerikanische Militärinterventionen und die US-amerikanische Unterstützung von Militärputschen und Folterregimen in Lateinamerika angeprangert werden! Interventionen in Nicaragua, Kuba, der Dominikanischen Republik, Grenada und erst vor gut einem Jahr in Panama – diese Völkerrechtsverletzungen, gegen die die UNO nichts unternommen hat, können kaum in Vergessenheit geraten sein. Heute versuchen die ökonomisch geschwächten USA erneut mit militärischen Mitteln ihre Weltmachtstellung zu behaupten. Ihre Rolle als Weltpolizist hat gerade im lateinamerikanischen Raum die ökonomischen und politischen Verhältnisse bestimmt. Der Golfkrieg wird auch für Lateinamerika politische und ökonomische Folgen nach sich ziehen, wie zum Beispiel durch die Erhöhung des Ölpreises und steigende Aktienkurse. Wir wollen in diesem Heft einige lateinamerikanische Reaktionen auf den Krieg wiedergeben und weitere Verbindungslinien zwischen Lateinamerika und der Golfkriegsregion ziehen.
Die Antikriegsbewegung ist eine politische Kraft, die Produktion und Export von Kampfgasen, Raketen und Panzern seit jeher kritisiert hat. Es sind westliche und insbesondere deutsche Rüstungsexportprodukte, die nun auch gegen Israel gerichtet sind und die das irakische Regime erst zum Angriff befähigt haben. Sie hat kein gebrochenes Verhältnis zum israelischen Volk, wenn sie die Rolle Israels kritisiert, die durch die Blockierung der Friedensbemühungen im Nahen Osten und eine Expansionspolitik ebenso gekennzeichnet ist, wie durch den Terror und die permanente Verletzung der Rechte des palästinensischen Volkes. Die israelische Regierung hat nichts zu einer friedlichen Konfliktlösung nach der Besetzung Kuwaits beigetragen. Dazu steht nicht im Widerspruch, daß wir das Existenzrecht Israels anerkennen und mit dem israelischen Volk solidarisch gegen die irakischen Angriffe sind. Antikriegsbewegung bedeutet aber auch, sich dafür einzusetzen, daß die Palästinenser und Kurden endlich ihre Rechte erhalten. Wir sind solidarisch mit dem Kampf für die Interessen des palästinensischen Volkes und müssen gerade deswegen heute die Unterstützung seiner politischen Organisationen für die verbrecherische Politik Saddam Husseins kritisieren. Eine fatale politisch-militärische Logik ist da aus einer jahrezehntelang ausweglos gehaltenen politischen Situation entstanden.
Auch gegen die Verletzung der Rechte der PalästinenserInnen und KurdInnen haben die kriegsalliierten westlichen Nationen geschwiegen, zum Beispiel als Saddam Hussein 1987 kurdische Dorfgemeinschaften mit deutschem Gas vernichten ließ. Und dieselben “Völkerrechtsvertreter” schweigen auch heute, wenn die verbündete türkische Regierung Befehl zum massenhaften Mord an Kurden gibt.
Es ist die doppelte Moral, mit der die Hetzkampagne gegen die Antikriegsbewegung betrieben wird, die offengelegt werden muß. Dahinter werden erst die handfesten Interessen der Herrschenden sichtbar. Diese muß die Antikriegsbewegung bekämpfen.