Editorial | Nummer 369 - März 2005

Papiere für die ohne Papiere

Frühwarnsysteme haben Konjunktur. Auch der deutsche Innenminister Otto Schily ist dafür. Doch Schily geht es nicht um ein Frühwarnsystem für Tsunamis oder andere Naturkatastrophen – es sei denn, er subsummiert illegale MigrantInnen darunter. Was Schily mit einem Frühwarnsystem verhindern will, sind politische Initiativen wie die der spanischen Regierung. Was war geschehen?

Anfang Februar startete in Spanien die bisher größte Legalisierungsinitiative für MigrantInnen ohne Papiere in der Geschichte der Republik. Schätzungsweise eine Million Menschen, die meisten davon aus Lateinamerika, leben in Spanien ohne Papiere. Sie machen damit knapp die Hälfte aller AusländerInnen aus. Innerhalb der nächsten drei Monate können nun all diese Personen eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltserlaubnis beantragen– vorausgesetzt, sie erfüllen die nötigen Bedingungen. Die sind nicht ohne: straffrei im Heimatland und in Spanien, Nachweis eines Arbeitsplatzes für mindestens die nächsten sechs Monate und eine Meldebescheinigung von vor dem 7. August 2004, denn anders als in Deutschland sind Meldestellen und Ausländerbehörde in Spanien nicht vernetzt. Hat die Regierung Zapatero damit nun einen Meilenstein für eine progressive Migrationspolitik gesetzt? Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Doch unabhängig von der Motivation ist die Legalisierung von bis zu 800.000 MigrantInnen, so die Schätzung der Regierung, in jedem Fall zu begrüßen.

Immerhin hätte die Vorgängerregierung Aznar und seine Volkspartei (PP) nicht im Traum daran gedacht und europaweit stehen die Zeichen auf mehr Repression und nicht auf mehr Legalisierung. Die PP ist es auch, die fast als einzige zurzeit in Spanien gegen die Initiative hetzt. Die Bevölkerung hingegen sieht die Sache gelassen. Nach einer Umfrage der Tageszeitung La Vanguardia unterstützten eine Woche nach Beginn der Legalisierung 70 Prozent der Befragten die Maßnahme.

Illusionen sind indes fehl am Platz: Hauptmotiv der Papiervergabe ist die Bekämpfung der Schwarzarbeit. So sind es die ArbeitgeberInnen höchstpersönlich, die offenlegen müssen, wen sie illegal beschäftigt haben und legal weiter beschäftigen wollen. Im Gegenzug erhalten die Unternehmen eine Amnestie und die MigrantInnen Papiere. Doch auch hier schaut der Staat ganz genau, ob sich nicht jemand „unrechtmäßig den Aufenthalt erschleichen will“. Es wird genau geprüft, ob ein Arbeitsplatz „wirklich notwendig“ ist, und nicht ein „Gefälligkeitsantrag“ vorliegt. Und ein Jahr garantiert alles andere als Planungssicherheit. Ob die Aufenthaltsgenehmigungen einfach zu verlängern sein werden, ob der Familiennachzug leicht gemacht und der staatlich fixierte Mindestlohn auch tatsächlich gezahlt wird, steht in den Sternen.

Eines ist aber schon heute klar: Auch in Spanien ist die Hegemonie des Konzepts „EU-Grenzen aufrüsten, nützliche Einwanderung fördern“ ungebrochen. Kaum nachzuvollziehen, warum die PP und Schily so schäumen. Diese skandierten, Spanien würde die „EU-Linie“ verlassen. Dem ist leider mitnichten so: Die spanische Staatssekretärin für Migration, Consuelo Rumí, betonte, dass „der Kampf gegen die illegale Einwanderung und die Ausweitung von Abschiebungen für die Politik der Regierung Priorität genießen“. Und ihr Kollege Antonio Hernando schob der Aznar-Regierung den schwarzen Peter zu: „Die Aznar Regierung hat uns 800.000 Papierlose beschert. Sie ist es, die die Defizite in der Grenzkontrolle und den Mangel an Sicherheitskräften zu verantworten hat.“ Eine progressive Politik hört sich anders an. Eine linke Antwort auf Globalisierung und Migration kann demgegenüber nur heißen: Offene Grenzen und volle Bürgerrechte für alle Menschen, die in der Europäischen Union ihr Heim gewählt haben. Doch das geht Zapatero viel zu weit und Schily sieht darin wohl die größte anzunehmende Katastrophe.

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