Fuerte Apache Häuserblock im Viertel Ejército de los Andes Foto: Gabricocek (CC BY-SA 3.0)
Seit Dezember läuft auf Netflix die biografische Miniserie Apache, eine Staffel mit acht Folgen über das Leben des argentinischen Fußball-Weltstars Carlos Tevez. Tevez ist einer der vielen verehrten Volkshelden Argentiniens und vielleicht der, der dem unantastbaren Maradona noch am nächsten kommt – mit weniger Skandalen allerdings. Genau wie „der Diego” aus armen Verhältnissen stammend, gelangte Tevez durch seine Tore beim Fußballclub Boca Juniors zu Weltruhm. In der Netflix-Serie, die mit einem Unfall von Tevez als Säugling beginnt und mit seinem ersten Spiel in der legendären Bombonera, dem Stadion von Boca Juniors endet, spielt Fußball jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Klarer Protagonist der Serie ist das Barrio, jenes Viertel in dem Tevez aufwuchs, mit richtigem Namen Ejército de los Andes, aber berühmt-berüchtigt unter dem Namen Fuerte Apache. Ein marginalisierter Hochhäuserblock im Conurbano, den armen westlichen Ausläufern des Großraums Buenos Aires, gelegen am Rande der General Paz, einer Schnellstraße, die die Stadt Buenos Aires von der gleichnamigen Provinz trennt. Auf sieben Quadratkilometern drängen sich Dutzende zehnstöckiger Türme, wo etwa 35.000 Menschen wohnen. Einst entstanden als städtebauliches Projekt der Militärdiktatur zur gewaltsamen Umsiedlung der Bewohner*innen des größten Slums von Buenos Aires, der Villa 31, deren Häuser mit Bulldozern plattgemacht wurden, war es bald als der „gefährlichste“ bzw. „tödlichste“ Stadtbezirk von Buenos Aires verschrien.
Klischees von Kriminalität und Klebstoffschnüffeln
Trotz aller Klischees ist Apache eine typische Netflix-Serie mit Bingewatching-Alarm. Es ist ihre Stärke, dass in Fuerte Apache selbst gedreht wurde. Das Viertel gibt der Serie allein schon durch seinen starken eigenen Charakter und seine architektonischen Besonderheiten eine sehenswerte Ästhetik. Und es ist ein Pluspunkt, dass ein Teil des Casts aus dem Viertel selbst stammt.
Kritik an der morbiden Faszination des „Armen”
Hätte Regisseur Caetano – oder Produzent Tevez – die Serie etwas politischer machen wollen, hätten sie die Gewaltdarstellungen nicht nur auf die Bewohner*innen des Viertels beschränkt, sondern auch auf die Polizeigewalt und deren alltägliche Repression von Slumbewohner*innen und armen Menschen hingewiesen, der willkürlichen Erschießung von Jugendlichen und der maßgeblichen Verwicklung der Polizei ins Drogenbusiness. Oder sie hätten eben auch ein paar andere außer Carlos und seine sozialen Eltern zu positiven Charakteren gemacht, denn eigentlich fast alle anderen Figuren sind irgendwie zwielichtig, böse, dreckig, unberechenbar. Carlos hingegen ist (natürlich) absoluter Sympathieträger der Serie, liebenswert, bescheiden, loyal, simpel – das gleiche Image, was er auch im internationalen Fußball, z. B. im Gegensatz zu Superstar Messi hat und was ihn so beliebt macht.
Wie man in den Kommentarspalten entdecken kann, scheint es nicht ungewöhnlich zu sein, nach Serienende noch Lust auf mehr zu haben und sich auf Youtube Tevez‘ 25 schönste Tore anzuschauen oder nach weiteren Bezügen zu ihrem mythenumwobenen Protagonisten, dem Barrio Fuerte Apache und seinem berühmtesten Spieler zu suchen. Wer Interesse an der Geschichte des Viertels hat und Spanisch versteht, kann auch auf Youtube nach der kurzen Doku Mal llamado suchen, die etwas realitätsgetreuer und kritischer aus Sicht der Bewohner*innen berichtet.
Serienhype und Reality-Armutstourismus