REGGAETON UND KLASSENKAMPF

Bogotá 2022. Die Sonne ist noch nicht aufgegangen, da bricht Karina, eine der beiden Protagonistinnen (gespielt von Sängerin Greeicy Rendón), bereits zur Arbeit auf. Tagsüber geht sie einem Fabrikjob nach, nachts verfolgt sie ihre Träume als Tänzerin mit ihrer Tanzgruppe Pura Kaye. Karina und ihre Freundinnen lernen auf den Straßen Bogotás tanzen, während Antonia, die zweite Protagonistin (Paulina Dávila) der Serie, Tanz an der prestigeträchtigen Akademie „El Royal” studiert. Im Gegensatz zu Karina mangelt es ihr nicht an Zeit, um ihre Träume zu verfolgen. Sie merkt jedoch, dass ihr etwas fehlt, sie sich neu erfinden muss, um die Hauptrolle in dem neuen Stück der Akademie zu ergattern.

Unüberwindbare Klassengegensätze

Als sich die beiden Frauen bei einem von Karinas Auftritten kennenlernen, ist Antonia begeistert von Karinas einzigartigem Tanztalent. „Ich muss werden wie du”, sagt sie. Antonia möchte Teil von Karinas Welt werden, die nicht wie ihre eigene nur aus ihrem Tanzstudium besteht. Denn Karina drückt etwas aus, was Antonia begehrt: Eine bestimmte Art von Street Style, dessen Aneignung ihr den Weg zur ersehnten Hauptrolle ebnen könnte. Karina und ihre Freundinnen hingegen können von der glanzvollen Welt, in der Antonia zuhause ist, nur träumen. Über Ximena (Ángela Cano), ein Gruppenmitglied von Pura Kaye, erfahren die Zuschauer*innen, wie unüberwindlich der Klassengegensatz zwischen der Tanzgruppe und Antonia ist: „Natürlich will ich alles für Pura Kaye tun. Wenn wir zusammen sind, ist alles toll, aber wenn wir es nicht sind, ich arbeiten muss und mich kaputt schufte, ist es das eben nicht. Uns ist es nicht erlaubt, zu träumen.“ Jeder einzelne der Charaktere in Ritmo Salvaje führt jenseits der Tanzfläche ihren eigenen Kampf. Dabei geht es um Träume, Freund*innenschaft, Solidarität und Klasse.

Ritmo Salvaje zeigt neue Narrative für kolumbianische Serien auf


Reggaeton vermittelt diese Geschichten deshalb so gut, weil er mittlerweile internationale Bedeutung erlangt hat, aber auch weil das Thema Klassenunterschiede in dem Genre eine große Rolle spielt. Reggaeton ist, dem Hip-Hop ähnlich, entstanden, um marginalisierten Gruppen der Gesellschaft Gehör zu verschaffen. Dass Antonia schließlich Reggaeton wählt, um sich an ihrer prestigeträchtigen Akademie neu zu erfinden, ist außergewöhnlich. Das Tanzdrama überzeugt besonders, weil es bis zur letzten Folge spannend bleibt, ohne dabei kitschig zu werden.

Ritmo Salvaje zeigt mit interessanten Dialogen und dem Abbild eines echten Alltags neue Narrative für kolumbianische Serien auf. Besonders schön an der Serie ist, dass nichts gekünstelt wirkt. Für manch eine*n geht es womöglich zu viel ums Tanzen, für andere ist es eine interessante erfrischende Geschichte über die Vielseitigkeit Bogotás kreativer Szene.

SEX EDUCATION AUF ARGENTINISCH

Foto: Germán Biglia (La Tinta)

Ein Meter zwanzig. Aus dieser Perspektive erschließt die argentinisch-französische Miniserie Metro Veinte die Welt ihrer Protagonistin Juana.

Die 17-jährige Rollstuhlfahrerin ist vor Kurzem mit ihrer Mutter und Schwester nach Córdoba gezogen. Die Lehrer*innen der öffentlichen Schule, an die sie kommt, geben sich übertrieben rücksichtsvoll, sind aber vor allem stockkonservativ. Die Schüler*innen sind dafür umso rebellischer.

Schnell freundet sich Julia mit den beiden Queers Efe und Julia an, die für das Recht auf umfassende Sexualbildung (Educación Sexual Integral, ESI) kämpfen. Diese steht Schüler*innen in Argentinien per Gesetz zu, wird aber oft nicht umgesetzt. Die Chatgruppe, in der der Kampf an der Schule organisiert wird, heißt „Sex Education“. Ein deutliches Augenzwinkern in Richtung der erfolgreichen britischen Netflix-Produktion, die im Gegensatz zum bunten und rasant erzählten Metro Veinte jedoch fast bieder wirkt.
Bei der queeren Coming-of-Age-Story geht es aber noch um mehr: um die Suche nach Identität und der Entdeckung von Sexualität einer Protagonistin, der von vielen Seiten die Selbstbestimmtheit abgesprochen wird.

Der Regisseurin María Belén Poncio war wichtig, die Realität anderer Körper auf der Leinwand erfahrbar zu machen und die Schönheit von Diversität darzustellen. Körper, denen die Scham angeboren ist, die nicht passen und deshalb unauffällig bleiben sollen, wie Juana in einer beeindruckenden Auseinandersetzung mit einem Journalisten sagt. Sowohl Hauptdarstellerin Marisol Agostina Irigoyen, die hier in ihrer ersten Schauspielrolle brilliert, als auch die Co-Regisseurin Rosario Perazolo Masjoan nutzen selbst einen Rollstuhl.

Die Darstellung Juanas gelebter und geträumter Sexualität wird nie voyeuristisch, fließt in Zeichnungen über, die ihr Erleben verdeutlichen. Nahtlos wird an die Realität der argentinischen Gesellschaft angeknüpft. So treten die Socorristas en Red auf, medizinisch und psychologisch ausgebildete Frauen und Queers, die da, wo der Staat bis zur Verabschiedung des Gesetzes zur freien und kostenlosen Abtreibung abwesend war, bei Schwangerschaftsabbrüchen unterstützten. Zum Ende der Serie geht es auf einen pañuelazo, die bekannte feministische Protestveranstaltung mit grünen Tüchern.
Dabei wird deutlich, dass Intersektionalität auch in emanzipatorischen Kämpfen nicht immer mitgedacht wird. Eine ohne Juana geplante Aktion ist für sie unzugänglich, auf ihre Kritik daran wird ihr vorgeworfen, immer nur an sich zu denken und sich in der Opferrolle wohlzufühlen. So kämpft Juana stellvertretend für viele andere Schüler*innen um Repräsentation und Selbstbestimmung.

Die Protagonist*innen von Metro Veinte sind witzig, wortgewandt, kämpferisch, selbstbestimmt, queer und einfach absolut cool: Es lohnt sich wirklich, dieser Serie etwas Zeit zu widmen.

LÖWINNEN GEGEN WOLFSRUDEL

© Fabula

„Wie viele Frauen sind verschwunden, wie viele hat die Erde verschluckt?“ fragt Ana Tijoux im Titelsong zu La Jauría (Die Meute). In der Serie ist es die Jugendliche Blanca Ibarra, deren Verschwinden acht spannende Folgen füllt.

Alles beginnt mit Protesten an einer katholischen Privatschule, die sich mit Missbrauchsvorwürfen mehrerer Schüler*innen gegen einen Lehrer konfrontiert sieht. Ganz im Stil der zahlreichen feministischen Schul- und Universitätsbesetzungen im Jahr 2018 (siehe LN 528) blockieren die Schüler*innen die Eingänge und fordern Aufklärung. Als mit Blanca ihre Anführerin verschwindet, steht fest: Die Protestierenden werden nicht aufhören, bis der beschuldigte Lehrer entlassen und ihre Freundin zurück ist.

Nicht nur die Jugendlichen, auch die Kommissarinnen der chilenischen Ermittlungspolizei PDI, eindrucksvoll gespielt von Antonia Zegers, María Gracia Omegna und Daniela Vega (rechtes Bild), sehen sich im Fall Blanca Ibarra mit den immer gleichen Narrativen konfrontiert. Sie hätte es doch gewollt, durch ihr Auftreten provoziert, es gebe keine Beweise, sonst würde man den jungen Frauen natürlich sofort glauben, so verkünden es die Mitschüler aus der Rugbymannschaft, der Priester und Schulleiter und der Polizeichef. Auch dann noch, als ein Video auftaucht, auf dem Blanca von mehreren Männern vergewaltigt wird.

Statt eines großen gesellschaftlichen Aufschreis bräuchte man einfach eine Festnahme, so die hohen Tiere in den Behörden – allesamt Männer. Doch die Ermittlungen zeigen schon bald, dass Blanca kein Einzelfall ist. Tatsächlich entspinnt sich ein Netz von Verbrechen, die vom „Spiel des Wolfes“, einem männerbündischen digitalen Netzwerk mit Anführer, ausgehen. Die Suche nach dem Wolf und seinen Rudeln aus hasserfüllten Männern dringt nicht nur in das Privatleben und die Vergangenheit der Kommissarinnen ein, sondern bringt auch Blancas Schwester Celeste, stark verkörpert von Paula Luchsinger, in Gefahr.

Das Produzent*innenteam um die Brüder um Juan de Dios und Pablo Larraín hat für dieses besondere Projekt weite Teile der chilenischen Filmprominenz um sich versammelt. Die schon in Pablo Larraíns Ema (siehe LN 557) überzeugende Mariana di Girolamo ist ebenso dabei wie ihre Tante, die bekannte Fernsehschauspielerin und Theaterregisseurin Claudia di Girolamo. Daniela Vega aus Una mujer fantástica brilliert diesmal als geniale Kommissarin. Und auch Ana Tijoux tritt nicht nur als Sängerin der Titelmelodie auf. Umso erfreulicher also, dass die Serie, die zuerst auf Chiles staatlichem Fernsehsender TVN ausgestrahlt wurde, nun auch international zu sehen ist.

Dabei ist beeindruckend, wie viele hochaktuelle Dimensionen geschlechtsspezifischer Gewalt La Jauría auf die Bildschirme bringt. Es geht eben nicht um Gewalt an Frauen als „Liebesdrama“, wie es allzu oft dargestellt wird, sondern um jene Strukturen und Narrative, die sie immer wieder und in dieser Größenordnung möglich und meist straflos machen: Männerbünde, Incel-Culture und digitale Gewalt werden ebenso problematisiert wie der alltägliche Sexismus in Gesellschaft, Kirche und Polizei. Gerade in Chile, wo das Thema seit einigen Jahren mehr Aufmerksamkeit erhält (siehe LN 547, 555/556), ist dies eine wichtige Aussage.

Zwar wirkt die Kulisse von La Jauría mit dem Reichenviertel Las Condes in Santiago etwas austauschbar und macht die Gewalt in ärmeren Gesellschaftsschichten in vielen Szenen unsichtbar. Hier und da driftet die Serie in klassische Krimimuster ab und büßt dafür an Realitätsnähe ein. Doch spannend ist La Jauría trotzdem, dafür sorgt neben zahlreichen Twists auch ein packender Soundtrack.

Immer wieder wird deutlich, dass das Thema der weiblichen Selbstbestimmung die Gesellschaft spaltet. Da fragt die Mutter eines beschuldigten Schülers Kommissarin Fernández in der Vernehmung eiskalt und spöttisch: „Meinen Sie etwa, wir erleben jetzt hier einen Moment der Schwesternschaft?“. Die gibt es hingegen unter den Schüler*innen umso öfter. Es ist das yo sí te creo hermana, „Ich glaube dir, Schwester“ und die geteilten Erfahrungen, die sie aus der Wut immer wieder Kraft schöpfen lassen. Dass die Serie junge Frauen nicht nur als passive Opfer, sondern vor allem als mutige Löwinnen darstellt, ist besonders wichtig.

So hinterlässt die erste Staffel das Fazit, dass gegen eine misogyne Meute nur eines hilft: sich zuhören, Vertrauen schenken, verbünden, zusammen jede Art von Gewalt sichtbar machen und dagegen kämpfen. Auf die Rache an den Wölfen in den angekündigten Staffeln 2 und 3 lässt sich schon jetzt hoffen. Ob die so radikal wird, wie der Soundtrack es andeutet, bleibt abzuwarten: „Nein zur Kirche, nein zum Staat, dieser ganze komplizenhafte Apparat ist schuld. Über meinen Körper bestimme ich, deine Gesetze will ich nicht. Über meinen Körper bestimme ich!“

DER STAR IST DAS VIERTEL

Fuerte Apache Häuserblock im Viertel Ejército de los Andes Foto: Gabricocek (CC BY-SA 3.0)

Seit Dezember läuft auf Netflix die biografische Miniserie Apache, eine Staffel mit acht Folgen über das Leben des argentinischen Fußball-Weltstars Carlos Tevez. Tevez ist einer der vielen verehrten Volkshelden Argentiniens und vielleicht der, der dem unantastbaren Maradona noch am nächsten kommt mit weniger Skandalen allerdings. Genau wie „der Diego” aus armen Verhältnissen stammend, gelangte Tevez durch seine Tore beim Fußballclub Boca Juniors zu Weltruhm. In der Netflix-Serie, die mit einem Unfall von Tevez als Säugling beginnt und mit seinem ersten Spiel in der legendären Bombonera, dem Stadion von Boca Juniors endet, spielt Fußball  jedoch eine eher untergeordnete Rolle. Klarer Protagonist der Serie ist das Barrio, jenes Viertel in dem Tevez aufwuchs, mit richtigem Namen Ejército de los Andes, aber berühmt-berüchtigt unter dem Namen Fuerte Apache. Ein marginalisierter Hochhäuserblock im Conurbano, den armen westlichen Ausläufern des Großraums Buenos Aires, gelegen am Rande der General Paz, einer Schnellstraße, die die Stadt Buenos Aires von der gleichnamigen Provinz trennt. Auf sieben Quadratkilometern drängen sich Dutzende zehnstöckiger Türme, wo etwa 35.000 Menschen wohnen. Einst entstanden als städtebauliches Projekt der Militärdiktatur zur gewaltsamen Umsiedlung der Bewohner*innen des größten Slums von Buenos Aires, der Villa 31, deren Häuser mit Bulldozern plattgemacht wurden, war es bald als der „gefährlichste“ bzw. „tödlichste“ Stadtbezirk von Buenos Aires verschrien.

Klischees von Kriminalität und Klebstoffschnüffeln

So bedient die Serie jedes Klischee, was sich mit einem Armenviertel verbinden lässt: Drogenmafia, Kokain, Kriminalität und Klebstoffschnüffeln, Alkoholexzesse, Waffen, Gewalt, Machismus und Rache. Dazu Verwahrlosung, Hunger, Arbeitslosigkeit, Frust und No Future. Inmitten dieser Szenerie, zwischen Schießereien und dem Bolzplatz, wächst der junge Carlitos Tevez auf. Neben den teils stark überzogenen und unglaubwürdigen Nebendarsteller*innen und Handlungen der verfeindeten Drogenbanden des Viertels, zeigen die Hauptdarsteller*innen – Carlos‘ Familie – eine sehr einfühlsame schauspielerische Leistung und geben der Serie eine bestimmte Sanftheit, die sie eigentlich zu einem gelungenen Familiendrama macht. Es wird klar, dass die Unterstützung und Fürsorge von Carlos‘ Familie ausschlaggebend für seine Verwirklichung als Profi-Fußballer ist. Dies zeigt ein weiterer wichtiger Handlungsstrang, die Freundschaft zwischen Carlitos und Danílo, genannt „Uruguayo“, die sich von einem gemeinsamen Startpunkt aus asymmetrisch entwickelt und in Aufstieg und Abgrund endet. Es ist die Armut, die Tag für Tag die Träume und Chancen der Jugendlichen im Viertel tötet. Die Message ist: Wer nicht rechtzeitig entkommt, endet früher oder später im Knast oder tot. Oft ist der Sport einer der wenigen erreichbaren Auswege.

Trotz aller Klischees ist Apache eine typische Netflix-Serie mit Bingewatching-Alarm. Es ist ihre Stärke, dass in Fuerte Apache selbst gedreht wurde. Das Viertel gibt der Serie allein schon durch seinen starken eigenen Charakter und seine architektonischen Besonderheiten eine sehenswerte Ästhetik. Und es ist ein Pluspunkt, dass ein Teil des Casts aus dem Viertel selbst stammt.

Kritik an der morbiden Faszination des „Armen”

Regisseur ist der durch seine frühen Werke berühmt gewordene Meister des Neuen Argentinischen Kinos, Adrián Caetano (u.a. Pizza, Birra, Faso; 1996 / La crónica de una fuga, 2006), der sich in den letzten Jahren an verschiedenen Serien mit Hang zur Romantisierung des Marginalisierten versucht hat. Diese sind zwar spannend, wecken aber zu Recht auch Kritik an der morbiden Faszination des „Armen“, wobei oft überzogene bizarre Darstellungen als „Realität“ daherkommen. Auch Apache ist inspiriert von wahren Begebenheiten der Kindheit von Carlitos Tevez, nimmt viele Referenzen an reale Figuren und in den 80er Jahren existierenden Jugendbanden auf, allerdings aufgepeppt durch eine ordentliche Portion Fiktion, Rambofantasien und einer Prise jugendlicher Liebesgeschichte.

Hätte Regisseur Caetano – oder Produzent Tevez – die Serie etwas politischer machen wollen, hätten sie die Gewaltdarstellungen nicht nur auf die Bewohner*innen des Viertels beschränkt, sondern auch auf die Polizeigewalt und deren alltägliche Repression von Slumbewohner*innen und armen Menschen hingewiesen, der willkürlichen Erschießung von Jugendlichen und der maßgeblichen Verwicklung der Polizei ins Drogenbusiness. Oder sie hätten eben auch ein paar andere außer Carlos und seine sozialen Eltern zu positiven Charakteren gemacht, denn eigentlich fast alle anderen Figuren sind irgendwie zwielichtig, böse, dreckig, unberechenbar. Carlos hingegen ist (natürlich) absoluter Sympathieträger der Serie, liebenswert, bescheiden, loyal, simpel – das gleiche Image, was er auch im internationalen Fußball, z. B. im Gegensatz zu Superstar Messi hat und was ihn so beliebt macht.

Wie man in den Kommentarspalten entdecken kann, scheint es nicht ungewöhnlich zu sein, nach Serienende noch Lust auf mehr zu haben und sich auf Youtube Tevez‘ 25 schönste Tore anzuschauen oder nach weiteren Bezügen zu ihrem mythenumwobenen Protagonisten, dem Barrio Fuerte Apache und seinem berühmtesten Spieler zu suchen. Wer Interesse an der Geschichte des Viertels hat und Spanisch versteht, kann auch auf Youtube nach der kurzen Doku Mal llamado suchen, die etwas realitätsgetreuer und kritischer aus Sicht der Bewohner*innen berichtet.

Serienhype und Reality-Armutstourismus

Tevez kehrt laut Interviews auch noch heute als Multimillionär immer wieder in sein Viertel zurück. Wenn er seine Freunde dort besucht, lassen die es sich nicht nehmen, ihn zum Essen einzuladen, erzählt er und beginnt zu weinen. Unmöglich dagegen ein Video der High-Class-Celebrity und Macri-Freundin Susana Giménez, die nach dem Serienhype mit Tevez einen „Ausflug“ nach Fuerte Apache macht, sich während einer Stunde Reality-Armutstourismus verkrampft an Tevez‘ Arm klammert und auf einmal alles „genial“ und „hübsch“ findet. Im klassistischen argentinischen Fernsehen hat sie sonst nur Verachtung für die Menschen übrig, die in den marginalisierten Vierteln von Buenos Aires leben und wenn überhaupt als Kriminelle gesehen werden. Tevez bleibt jedoch wie immer, freundlich und sympathisch zu allen, einfach gestrickt und immer noch der Junge aus dem Barrio, der sich zu vermarkten weiß und zu dessen Weltevents Dutzende Geschwister, Tanten und Onkels mitreisen, die dann nicht in den Porsche passen. Der aber auch eine andere Sicht auf sein Viertel und die Menschen, die darin wohnen, vermitteln will. Seine Liebe zu Fuerte Apache hat er in seiner Serie jedenfalls sehr sehenswert und glaubwürdig verarbeitet und vielleicht durch seine Popularität einen Beitrag dazu geleistet, Stigma und Vorurteilen, die auf vielen Menschen in marginalisierten Vierteln lasten, etwas entgegenzusetzen.

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