Lateinamerika | Nummer 274 - April 1997 | USA

Diese höllische kleine Republik

Washington winkt mit Dollarmilliarden für ein “Post-Castro-Cuba”

Vor einem Jahr hat der US-Kongreß das Helms-Burton-Gesetz verabschiedet, das das Wirtschaftsembargo gegen Kuba auch über die Grenzen der USA hinaus auf Firmen anderer Länder ausweitet. Zu Freedom & Democracy in Kuba hat dies bislang nicht geführt, dazu aber zu einem neuen Höhenflug US-amerikanischer Großmachtpolitik gegenüber dem Rest der Welt. Eine internationale Konferenz in Washington fragte nach den Auswirkungen dieses Konflikts – und nach den Per­spektiven für eine andere Kuba-Politik der USA.

Bert Hoffmann

“Ich bin so wütend auf diese höllische kleine kubanische Re­publik”, rief US-Präsident Theo­dor Roosevelt im Jahre 1906 aus und brachte das Problem der USA südlich von Florida auf den Punkt: “Alles was wir von ihnen wollen, ist daß sie sich beneh­men und wohlhabend sind und glücklich sind, so daß wir uns nicht einmischen müssen. Und jetzt, Gott sei’s geklagt, (…) ha­ben wir keine andere Wahl, als zu intervenieren.”
Viel verändert hat sich nicht in 90 Jahren. Immer noch be­nimmt sich die kleine kubani­sche Republik daneben. Und noch immer sind die USA der Meinung, daß sie keine andere Wahl haben, als sich einzumi­schen, um den KubanerInnen zu Wohlstand und Glück zu verhel­fen. Acht Milliarden Dollar wür­den die USA für ein von Castro befreites Kuba bereitstellen, so Präsident Clinton in seinem jüngsten Bericht an den US-Kongreß mit dem Titel “Hilfe für den demokratischen Übergang in Kuba”.
So weit das Zuckerbrot, mit dem versucht wird, die Kubane­rInnen auf der Insel und die öf­fentliche Meinung der restlichen Welt zu beeindrucken. Letzteres mag derzeit vielleicht sogar der wichtigere Punkt für Washington sein. Denn seit der US-Kongreß vor einem Jahr das sogenannte “Helms-Burton-Gesetz” verab­schiedet hat, das die bisherige Blockade-Politik der USA gegen Kuba nicht nur weiter verschärft, sondern die Sanktionen auch über die Grenzen der USA hin­aus auf Firmen anderer Länder ausweitet, haben die USA noch mehr Probleme als zuvor, dem Rest der Welt ihre Kuba-Politik schmackhaft zu machen. Die Eu­ropäische Union rief bereits die Welthandelsorganisation (WTO) an, in der Hoffnung, daß das dortige Schiedsgericht das Ge­setz für unrechtmäßig erklärt. Auch in den USA mehrt sich die Kritik am Helms-Burton-Gesetz. Der republikanische Kongreßab­geordnete Jim Kolbe nannte das Gesetz “einen Fehler”, bei dem die USA “nur verlieren” könne. In die gleiche Kerbe hieb Wayne Smith, der unter Jimmy Carter einst Leiter der US-amerikani­schen Vertretung in Havanna war: “Das Helms-Burton-Gesetz bereitet uns mehr Probleme als Fidel Castro”. Unter Ronald Reagan hatte Smith seine Stelle aufgegeben. Seitdem agiert er als unermüdlicher “Mr. Entspan­nungspolitik” in Sachen US-amerikanischer Kuba-Politik. Ein Jahr nach der Verabschie­dung des Helms-Burton-Geset­zes organisierte er nun zusam­men mit dem Center for Interna­tional Policy in Washington, dem in Madrid ansässigen La­teinamerika-Institut der EU, IRELA, und der Fondation Ca­nadienne pour les Amériques (FOCAL) eine große internatio­nale Konferenz in der US-Haupt­stadt. Gegenstand: die Auswir­kungen des Gesetzes und die Aussichten für eine etwaige Rücknahme. Zudem sollte ein Weg zu einer verträglicheren Kuba-Politik der USA aufgezeigt werden.
Allzu große Hoffnungen sollte man sich auf letztere indes nicht machen, so der Eindruck nach drei Konferenztagen, einem hal­ben Dutzend Podiumsdiskussio­nen und zahllosen Redebeiträ­gen. Weder der Schiedsspruch der WTO, noch der Widerstand der Europäischen Union wird die Kuba-Politk der USA maßgeb­lich ändern. Klar ist, daß der “extraterritoriale Effekt” des Helms-Burton-Gesetzes, das ei­nem nationalen Gesetz der USA Geltung in anderen Ländern ver­schaffen will, für die anderen Staaten inakzeptabel bleibt. Auch ist mit einiger Sicherheit eine Verurteilung der USA durch das Schiedsgericht zu erwarten, ist das Gesetz doch ein elemen­tarer Verstoß gegen die Regeln des Welthandels.
Zum “Showdown zwischen den USA und Europa”, wie es die Financial Times unlängst auf ihrer Titelseite hochstilisierte, wird es deswegen kaum kom­men. Zunächst werden die USA den Schiedsspruch der WTO eine ganze Weile verzögern, und, wenn sie ihn eines Tages nicht mehr verhindern können, einfach ignorieren. Stuart Eizenstat, Clintons smarter Sonderbeauf­tragter in Sachen Helms-Burton, kündigte auf der Konferenz schon recht unverblümt die tech­nisch-legale Ausrede dafür an: Die USA werden sich auf die Klausel berufen, daß ein Land nicht an den WTO-Spruch ge­bunden ist, wenn die “nationale Sicherheit in Gefahr” ist. Daß dies im Falle des europäischen Handels mit Kuba offensichtlich ein absurdes Argument ist, spielt keine Rolle. Was die nationale Sicherheit der USA gefährdet oder nicht, so Eizenstat, ent­scheide allein die USA.

“Die Antwort unserer Ver­bündeten war extrem posi­tiv!”

Von den Regierungen Euro­pas, Kanadas und Lateinameri­kas wird es dann den obligatori­schen Protest geben. Aber bereits jetzt sind Zeichen der Resigna­tion zu erkennen. Schon längst wird nicht mehr die Rücknahme des Gesetzes gefordert (weil die nicht realisierbar erscheint), son­dern nach einem Modus Vivendi mit dem Helms-Burton-Gesetz gesucht. Stuart Eizenstat präsen­tierte dann auch stolz den Punkt­sieg der USA: Helms-Burton hat zwar dazu geführt, daß die Euro­päerInnen geschlossen gegen die Ausweitung der Embargo-Be­stimmungen auftreten; gleichsam als Kompensation und Beweis dafür, daß sie aber keinesfalls “soft on Castro” seien, hat die EU jedoch eine spürbare Ver­härtung ihrer Politik gegenüber Kuba als “Gemeinsame Position” verbindlich festgeschrieben. So ist eine erhöhte Wirtschaftshilfe sowie der Abschluß eines Ko­operationsabkommens nun sehr viel expliziter als zuvor an “Fortschritte in Richtung Demo­kratie” gebunden. Nicht nur für Spaniens konservative Aznar-Regierung, die diese Wende an­geführt hatte, sondern auch für die EU insgesamt war Eizenstat des Lobes voll: “Die Antwort unserer Verbündeten war extrem positiv!”
Im Gegenzug belohnen die USA die EU lediglich damit, daß sie das Damokles-Schwert, daß Washington mit dem Helms-Burton-Gesetz über sie verhängt hat, nicht in vollem Umfang her­absausen lassen. Dies betrifft das von den Kuba-Investoren beson­ders gefürchtete Kapitel III des Helms-Burtons-Gesetzes, das exilkubanischen Alteigentüme­rInnen das Recht gäbe, vor US-Gerichten europäische Firmen wegen unrechtmäßiger Nutzung ihres einstigen Besitzes zu ver­klagen. Präsident Clinton hat bisher von seinem Recht Ge­brauch gemacht, die Anwendung dieses Kapitels für jeweils sechs Monate auszusetzen. Damit bleibt es zwar weiter außer Kraft – aber als Drohung permanent im Raum. Und Eizenstat nutzt dies munter aus: Wenn die Europäer weiterhin ihre politische Position gegenüber Kuba verhärten – “ihre Bemühungen um die De­mokratisierung in Kuba verstär­ken”, heißt es im O-Ton – würde Clinton auch in Zukunft dieses Klagerecht unter Kapitel III aus­setzen. … Der Deal ist einfach. Wer will, kann dies Diplomatie nennen, wer will, Erpressung. Dan Fisk, der jung-dynamische Mitarbeiter von Jesse Helms, dem Hauptbetreiber des Gesetzes im US-Kongreß, wählte dafür diese charmanten Worte: “Die Konzentration der Gedanken ei­nes Mannes wird ganz wunder­voll erhöht, wenn er weiß, daß er in 14 Tagen gehängt wird.”
Eizenstat und Fisk erklären das Helms-Burton-Gesetz in sei­nem ersten Jahr zu einem vollen Erfolg. Sie führen dabei bemer­kenswerterweise einzig die Ver­änderungen in der europäischen Politik an, nicht jedoch Erfolge bei der Demokratisierung Kubas, die ja angeblich doch Zweck des Gesetzes ist. In der Tat läßt sich da wenig vorweisen. Was kein Zufall ist, wie Wayne Smith meint: “Wann auch immer in der Vergangenheit die USA den Druck auf Kuba erhöht haben, war die Antwort der Regierung in Havanna eine stärkere Diszi­plinierung, eine Einschränkung der Spielräume und das Schlie­ßen der Reihen gegen den äuße­ren Feind. Und genau das ist wieder passiert: Seit Helms-Burton haben wir in Kuba eine Verhärtung der Situation erlebt, nicht einen Liberalisierungspro­zeß.”
Diese Verhärtung bekommen im übrigen nicht nur die abwei­chenden Stimmen auf der Insel selbst zu spüren, sondern auch gerade die moderaten Kräfte in den USA: Nur wenige Wochen vor der Washingtoner Konferenz war in der New York Times ein Kommentar erschienen, der die Blockade-Politik der US-Regie­rung massiv kritisiert hatte, da sie jeglichen demokratischen Wandel in Kuba verhindere. Dies nahm Kubas KP im Zen­tralorgan Granma zum Anlaß für einen eigenen Leitartikel, der just diesen Anti-Blockade-Kommentar als gefährliche Sub­version und ideologische Unter­wanderung geißelte, um ihn im Schlußsatz gar als “eine Art der Kriegsführung” einzuordnen (Granma Internacional, 22.1.97). Nein, auf beiden Seiten haben die Kräfte, die für eine Normali­sierung und Entspannung der Beziehungen eintreten, derzeit keinen Rückenwind.

Der Ärger der US-Firmen

Der vielleicht wichtigste Ver­bündete für eine Aufhebung des US-Embargos gegen Kuba, so der Eindruck nach der dreitägi­gen Konferenz, sind nicht die Proteste der anderen Regierun­gen, sondern die Unternehmen der USA selbst. Genauer: die ex­portorientierten Firmen, für die die weltpolitischen Ambitionen der USA zunehmend das kon­krete Geschäft behindern. Kuba ist dabei nur der prominenteste Fall, nicht der wichtigste. Seit 1993 wurden nicht weniger als 60 US-Gesetze verabschiedet, die in der einen oder anderen Form Handelssanktionen gegen insgesamt 35 Staaten von Afghanistan bis Trinidad und Tobago verhängen, wie Marino Marcich von der National Asso­ciation of Manufacturers, dem Verband der US-amerikanischen Industrie, vorrechnete. Und die Liste wächst weiter. Firmen werden zunehmend als “unzuverlässige Lieferer” be­trachtet, teilweise werden sie so­gar schon mit “Risiko­zuschlägen” belegt: Eine kana­dische Fluggesellschaft hat un­längst den Preis für ihre bei einer US-Firma geleasten Flug­zeuge um mehrere Millionen nach unten gedrückt, weil diese ja Havanna nicht anfliegen dür­fen – für den wachsenden Markt des kanadischen RentnerInnen-Tou­rismus’ sind die kubanischen Strände ein wichtiges Ziel.
Eindrücklich bestätigte diese Kritik auch der Vizepräsident der US-amerikanischen Handels­kammer, Willard A. Workman. Bei jeder x-beliebigen Krise, die eine politische Antwort verlange, würden als Ersatzhandlung in­zwischen Wirtschaftssanktionen gefordert: Allein 1996 wurde die Rekordzahl von 125 Gesetzes­vorlagen mit entsprechenden Sanktionsmaßnahmen einge­bracht. Bei den export- und han­delsorientierten Firmen in den USA macht sich daher langsam aber sicher Alarmstimmung breit. In einem Land, in dem der Satz “Was gut ist für General Motors, ist gut für die USA” einst als berühmtes Leitmotiv der staatlichen Wirtschaftspolitik fungierte, wird der Kongreß nicht unbegrenzt gegen die Inter­essen von General Motors & Co. agieren können. Daß allerdings die Trendwende ausgerechnet mit einer Aufhebung oder zu­mindest Lockerung des Kuba-Embargos anfangen wird, er­scheint eine allzu optimistische Annahme.

Kein Ende der Blockade in Sicht

Die politischen Kräfteverhält­nisse im US-Kongreß und in der Regierung lassen kurzfristig kein Ende der Blockade-Politk er­warten. Vielleicht würde der Kongreß in vier oder fünf Jahren so weit sein, mit Mehrheit das Helms-Burton-Gesetz wieder auf­zu­heben, so die wenig eupho­risch stimmende Einschätzung von Wayne Smith. Aber dann versucht er, selbst diesem noch etwas Positives abzugewinnen: “Immerhin werden die USA dann so viel an Öffnung und In­ves­titionsmöglichkeiten verpaßt haben, daß sie nicht mehr die kubanische Ökonomie so domi­nieren wie vor der Revolution.”

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