Mexiko | Nummer 248 - Februar 1995

Aus den Bergen des mexikanischen Südostens

Die Nationale Zapatistische Befreiungsarmee (EZLN) verkündete in der Silvester­nacht in Aguascalientes die “Dritte Erklärung aus dem Lacandon-Urwald”. Diese dokumentieren wir hier in Auszügen.

POONAL, Übersetzung Gerholdt Schmidt

Wir rufen alle sozialen und politischen Kräfte des Landes, alle aufrichtigen MexikanerInnen, alle die, die für die Demokratisie­rung des nationalen Lebens kämp­fen, zur Gründung einer BEWEGUNG FÜR DIE NATIONALE BEFREI­UNG auf, die die Nationale Demo­kratische Konvention und alle Kräfte einschließt, die unab­hängig von reli­giöser Überzeugung, Abstammung oder politi­scher Ideologie gegen das System der Staatspartei sind. Diese Bewegung für die Nationale Befreiung wird mit allen Mitteln und auf allen Ebenen für die Einsetzung einer Über­gangsregie­rung, für eine neue Verfas­sunsversammlung, für eine neue Verfas­sung und für die Zerstörung des Systems der Staats­partei kämpfen. Wir rufen die Nationale Demokratische Konven­tion und den Bürger Cuauthémoc Cárdenas Solórzano dazu auf, sich an die Spitze dieser Bewegung für die Nationale Befreiung zu stellen, die ein breites Oppositionsbündnis sein soll.
Wir rufen die ArbeiterInnen der Republik, die ArbeiterInnen auf dem Land und in der Stadt, die Colonos, die Lehrer­Innen und StudentenInnen Mexikos, die mexikanischen Frauen, die Jugendlichen des ganzen Landes, die KünstlerInnen und die aufrichtigen Intellektuellen, die konse­quenten Gläubigen, die Basismitglieder der verschiedenen politischen Organi­sationen dazu auf, in ihrem Bereich und mit den Kampfformen, die sie für möglich und für notwendig halten, für das Ende der Staatspartei zu kämpfen und sich der Nationalen Demokrati­schen Konvention anzuschließen, wenn sie keiner Partei ange­hören, der Bewegung für die Nationale Befreiung, wenn sie in einer der politischen Oppositionskräfte aktiv sind.
Im Geist der III. Erklärung des Lacandon-Urwaldes verkünden wir:
Erstens: Der Bundesregierung wird die Wache über das Vater­land entzogen. Die mexikanische Flagge, das oberste Gesetz der Nation, die mexikanische Hymne und das Nationalwappen werden ab jetzt in der Obhut der Widerstandskräfte sein, bis die Le­galität, die Legitimität und die Sou­veränität im gesamten natio­nalen Terri­torium wiederhergestellt sind.
Zweitens: Die ursprüngliche Politische Ver­fas­sung der Verei­nigten Mexi­kanischen Staaten in ihrer Fassung vom 5. Februar 1917 wird für gültig erklärt. Ihr werden die Revolutionären Ge­setze von 1993 und die Autonomiestatuten für die Indígena-Re­gionen beigefügt. Sie gilt, bis eine neue Verfassungsversamm­lung zu­sammentritt und eine neue Carta Magna verabschiedet.
Drittens: Wir rufen zum Kampf für die Aner­kennung der “Übergangsregierung zur Demokratie” auf, in die sich die ver­schiedenen Gemeinden, sozialen und poli­tischen Organisationen selber einbringen. So wird der in der Verfassung von 1917 vereinbarte Bundespakt aufrecht erhalten. Die Gemeinden und Organisationen schließen sich unabhängig von der religiösen Überzeugung, der sozialen Klasse, der politischefolgung sowie auf­grund von Krieg und Bürgerkrieg müs­sen das Recht auf Asyl begründen. Flucht auf­grund von Armut, welche die in der All­ge­mei­nen Erklärung zu den Menschen­rech­ten festgeschriebenen Mindeststan­dards ei­nes menschenwürdigen Lebens ver­letzt, muß als Asyl­grund anerkannt werden.

4. Deserteure und Kriegsdienstver­wei­gerer aus Kriegs- oder Bürger­kriegs­gebieten müssen Anspruch auf Asyl haben.

5. Die Länder Europas werden auf­ge­for­dert, Flüchtlinge und Asylsu­chende vom Visumzwang z das Wahlgesetz reformieren, damit künftig saubere Wahlen, Glaub­würdigkeit, die Anerkennung aller nationalen, re­gionalen und lokalen politischen Kräfte gesichert sind. Die Über­gangsregierung soll zu neuen all­gemeinen Wahlen in der Föderation aufrufen.
3. Sie wird eine Verfassungs­versammlung für die Schaffung ei­ner neuen Verfassung einberufen.
4. Sie muß die Besonderheiten der Indígena-Gruppen, ihr Recht auf Autonomie und ihre Staatsbürgerschaft anerkennen.
5. Das nationale Wirtschaftsprogramm muß grundlegend verän­dert werden. Lüge und Verschleierung müssen beseitigt wer­den. Die ArbeiterInnen und BäuerInnen, die die Hauptprodu­zentInnen des Reich­tums sind, den sich jedoch andere aneig­nen, müssen künftig begünstigt werden.
Mexiko, Januar 1995.”

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