Brasilien | Dossier 18 - Vivas nos queremos

GEWALT UND GESETZ: BRASILIEN

Gewalt und Gesetz. Beginn einer Dokumentation geschlechtsspezifischer 
Rechtsprechung in 19 Ländern

Von Luisa Bona

Schluss mit der Diskriminierung! Für ein Leben ohne Lesbophobie (Illustration: Producciones y Milagros, @produccionesymilagros)

In der durch ein extrem ungleiches Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen geprägten brasilianischen Gesellschaft wurde die Unterdrückung von Frauen lange Zeit unsichtbar gemacht, naturalisiert und gesellschaftlich toleriert. Durchschnittlich wird in Brasilien alle sieben Stunden eine Frau Opfer eines Feminizids. Im internationalen Vergleich ist Brasilien somit weltweit eines der Länder mit der höchsten Feminizidrate und das Land mit den meisten Morden an trans Personen.

Am 9. März 2015 wurde in Brasilien das Gesetz Nr. 13.104 ins Strafgesetzbuch aufgenommen. Es bestimmt die Merkmale, die ein Tötungsdelikt zum Feminizid machen, wie folgt: häusliche und innerfamiliäre Gewalt, Verachtung oder Diskriminierung der Frau. Es stuft den Feminizid als eine niederträchtige Tat ein, was wiederum eine Erhöhung der Strafe zur Folge hat. Eine ebenfalls wichtige Folge des Gesetzes ist, dass durch die Typisierung von Feminiziden in der Gesetzgebung allgemein eine größere gesellschaftliche Aufmerksamkeit auf diese Art von Verbrechen gelenkt wird. Außerdem wird ein genaueres Verständnis seiner Dimension geschaffen, um eine Verbesserung der Politik zur Eindämmung von Gewalt gegen Frauen zu erreichen.

In Brasilien kommt es häufig zu Feminiziden, bei denen die Opfer von ihren Partnern oder Ex-Partnern im eigenen Zuhause ermordet werden. Diese Straftaten werden in der Gesellschaft, der Presse und sogar in der Justiz oft als isolierte Handlungen dargestellt, welche in unkontrollierten, intensiv emotionalen Momenten erfolgen würden. Zur Beschreibung der Morde finden sich in den Medien immer wieder Adjektive wie „eifersüchtig“, „unkontrolliert“ oder sogar „leidenschaftlich“, welche Feminizide als „Mord aus Liebe“ charakterisieren sollen. Die Typisierung solcher Verbrechen als Feminizid ist daher von großer Bedeutung. Denn auch häusliche und familiäre Gewalt ist kein privates, sondern ein gesamtgesellschaftliches Problem, das in dem strukturellen Machismo wurzelt, der tief in der brasilianischen Gesellschaft verankert ist.

Das 2006 in Brasilien erlassene Gesetz Maria da Penha (Nr. 11.340) soll Frauen genau vor dieser Art von Gewalt schützen, indem es unter anderem Kontakt- und Zutrittsverbote für Gewalttäter und verschiedene Formen der Unterstützung fördert. Dazu gehören auch auf häusliche Gewalt spezialisierte Polizeiwachen und Gerichte sowie die Einrichtung von Frauenhäusern. Das Gesetz wurde nach Maria da Penha benannt, einer Frau, die selbst sechs Jahre lang von ihrem Ehemann brutal misshandelt wurde, der zwei Mordversuche an ihr verübte, die sie querschnittsgelähmt zurückließen. Der Prozess wurde von der brasilianischen Justiz 18 Jahre lang verschleppt. Doch Maria da Penha setzte sich beharrlich für ihre Rechte ein: Nach einem langen zähen Kampf konnte sie letztendlich erreichen, dass ihr Ex-Mann zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde.

Dieser Text ist Teil der Übersicht Gewalt und Gesetz aus unserem Dossier ¡Vivas nos queremos! Perspektiven auf und gegen patriarchale Gewalt. Das Dossier kann hier heruntergeladen werden oder über unser Aboformular gegen Versandkosten bestellt werden.

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