Der kurze Moment der Hoffnung im Fall Soría
Lehrstück über die miesen Tricks der Militärjustiz
Was zum Zeitpunkt der zweiten Entscheidung – angeblich – niemand wußte: Der Militärrichter hatte flugs das ganze Verfahren eingestellt und eine Amnestie verkündet, ohne, selbstverständlich, irgendeinen der uniformierten Täter zu identifizieren. Damit war, so der Richter Libedinsky, sein Untersuchungsauftrag bereits gegenstandslos, als er erteilt wurde: er war nicht eingesetzt, den Militärrichter zu überprüfen, sondern das Verfahren fortzuführen.
Die Anwälte der Familie Soría werfen Libedinsky vor, er habe rechtliche Spielräume nicht ausgenutzt. Libedinsky nimmt für sich in Anspruch, daß er zu Zeiten der Diktatur mit seinen Entscheidungen mehrfach querlag; den Sprung ins Obersten Gerichts verdankt er tatsächlich der Regierung Aylwin.
In Erinnerung an Brechts Galilei (Unglücklich das Land, das keine Helden hat. – Nein, unglücklich das Land, das Helden nötig hat.) ist die Frage vielleicht wirklich zweitrangig, ob der Richter Libedinsky feige war oder nicht. Was für ein Land, in dem Gerechtigkeit vom persönlichen Mut eines Richters abhängt…
Zumindest hat er gerichtlich festgeschrieben, daß der angebliche Unglücksfall Sorías ein Mord war und die Täter einer Brigade des Geheimdienstes DINA angehörten. Und er hat erklärt, die Gesetzeslage verhindere die Gerechtigkeit; wer sich daran stoße, solle das Gesetz ändern, aber nicht die Richter schelten.
Eine Entscheidung wie die des Richters Libedinsky ruft ein heftiges, kurzzeitiges und anscheinend folgenloses Medienecho hervor. Auf soviel Aufmerksamkeit hoffen die Gefangenen, denen die Verlegung in den neuen Hochsicherheitstrakt droht, bisher vergeblich. So absurd es klingen mag: Isolationshaft, Trennscheiben gegen Besucher, besondere technische Vorkehrungen gegen Fluchtversuche werden erstmalig vier Jahre nach Beendigung der Diktatur in Chile eingeführt, und da diese barbarische Neuerung demokratisch legitimiert ist, erhebt sich kaum Widerstand.