Der Preis der Demokratie oder was kostet ein Abgeordneter
Der Preis der Demokratie oder was kostet ein Abgeordneter
Nach Angaben einer der größeren Firmen der Branche, Meio e Mensagem, gibt ein Kandidat für das Landesparlament etwa 600.000 bis 800.000 US-Dollar aus. Wer ins Bundesparlament kommen will, muß hingegen 1,5 bis 2 Millionen Dollar hinlegen. Dies, so sagt die Firma, gelte für eine Kampagne mittlerer Größe.
Natürlich geht es auch billiger, erheblich billiger. KandidatInnen, die populär sind, oder die eine feste Stammwählerschaft haben (in einer Stadt oder einer Gewerkschaft) kommen mit erheblich weniger aus. Insbesondere die KandidatInnen der Linken können mit den hier angegebenen Summen nicht aufwarten. Ihre Kampagnen beruhen auf der “Militanz”, dem ehrenamtlichen Einsatz vieler. Dennoch geht der Bundesabgeordnete der PT (Arbeiterpartei) Paulo Paim davon aus, daß er für seine Wiederwahl etwa 40.000 US-Dollar ausgeben muß. Ivanir Santos, Kandidat der PT in Rio und der Schwarzenbewegung verbunden, will hingegen mit etwa 15.000 Dollar den Sprung ins Landesparlament schaffen.
Diese Zahlen werden nur auf dem Hintergrund des brasilianischen Wahlsystems verständlich: JedeR KandidatIn muß – auch bei den linken Parteien – seinen eigenen Wahlkampf führen. Ist seine Kandidatur durch die Partei einmal bestätigt, ist er oder sie, abgesehen von einigen zentralen Wahlmaterialien, weitgehend auf sich angewiesen. Denn am Wahltag kreuzen die WählerInnen keine Parteienliste, sondern nur einen Namen an. Die anderen Namen auf der Liste einer Partei sind für die einzelnen KandidatInnen also auch Konkurrenten, der Kampf um Stimmen wird auch und gerade im Lager der PT-WählerInnen geführt. Aber die Konkurrenz ist nicht grenzenlos: Die Stimmen der meistgewählten Abgeordneten werden umverteilt. Ein erheblich vereinfachtes Beispiel: Wenn zu dem Einzug ins Landesparlament 10.000 Stimmen notwendig wären und der/die meistgewählte KandidatIn einer Partei über 15.000 Stimmen erreicht, könnte auch die Nummer 2 mit 5.000 Stimmen einziehen.
Und wieviel kostet ein Präsident?
Dieses System hat Konsequenzen für die politische Kultur. Zum einen konzentriert sich der Wahlkampf nicht auf Parteien, sondern auf Personen. Dieser hochgradigen Personalisierung entkommt auch die PT nicht, die am ehesten den Charakter einer Partei mit Programm aufweist und kein reiner Wahlverein ist. Zum anderen sind die Kampagnen völlig auf Spenden angewiesen, eine Wahlkostenerstattung wie in der BRD gibt es in Brasilien nicht. Als der Bestechungsskandal um Ex-Präsident Collor aufbrach, ging es zunächst hauptsächlich um die illegale Finanzierung seiner Kampagne. Nach dem damals gültigen Parteiengesetz durften juristische Personen (also Unternehmen) keine Spenden geben; die Sache war illegal. Inzwischen sind Spenden von Unternehmen legalisiert, maximal 180.000 US-Dollar können sie offiziell ihren KandidatInnen zufließen lassen. Dennoch vermutet Carlos Mendes, als Richter für die Wahlaufsicht zuständig, daß von den erwarteten fünf Milliarden Dollar, die in die Wahlkampagnen gehen, mindestens 2 Milliarden illegal bleiben. Die Gründe liegen auf der Hand: Oft ist das Geld illegal erworben und in vielen Fällen soll die massive Unterstützung eines Kandidaten, etwa durch Baufirmen, nicht ruchbar werden.
Die linken Parteien können ihre finanzielle Schwäche am ehesten auf lokaler (durch konkrete Arbeit vor Ort) und auf nationaler Ebene ausgleichen. Bei letzterer spielt natürlich die Popularität Lulas eine große Rolle, aber auch die Tendenz zur Protestwahl. Während sich Abgeordnete durch konkrete Versprechungen für einen bestimmten Ort oder eine Siedlung Stimmen angeln, werden an einen Präsidenten andere Erwartungen gerichtet: Schluß mit der Inflation, wirtschaftlicher Aufschwung. Am schwierigsten ist anscheinend die mittlere Ebene. Die PT stellt zwar viele BürgermeisterInnen in Brasilien, aber keinen Gouverneur. Kein Wunder: Eine Kampagne für den Gouverneursposten kostet etwa 20 bis 30 Millionen Dollar, in Sao Paulo bis zu 100 Millionen.
Ja und wieviel kostet ein Präsident? – 150 bis 200 Millionen Us-Dollar, meint Meio e Mensagem.
(Quelle für die Angaben von Meio e Mensagem: Jornal do Brasil, 17.4.1994)