Mexiko | Nummer 301/302 - Juli/August 1999

Die erste Runde geht an die StudentInnen

Die Einführung von Studiengebühren haben Mexikos StudentInnen verhindert, doch wie lange noch können sie sich der Logik des Neoliberalismus widersetzen?

Seit fast drei Monaten streiken die StudentInnen in Mexiko City. Sie halten 20 Institute der UNAM (Universidad Nacional Autónoma de México), der UAM (Universidad Autónoma Metropolitana) sowie einige Schulen und andere Bildungseinrichtungen besetzt. Einmal wöchentlich findet eine Demonstration statt, die mit der Blockade der Stadtautobahn endet.
Vordergründig geht es bei dem Streik um die Einführung von Studiengebühren und erschwerte Zulassungsbedingungen zur Universität. Doch dahinter stecken die Auswirkungen der neoliberalen Politik in Mexiko.

Harry Thomaß

Als die Universitätsverwaltung dieses Jahr ankündigte, daß sie in Zukunft Studiengebühren von 200 Pesos (50 Mark) pro Jahr erheben werde, löste sie stürmischen Protest aus. Nicht nur die Studenten begannen auf die Straße zu gehen und zu streiken, unterstützt wurden sie dabei auch von ihren Eltern und einigen solidarischen Professoren. Denn kostenlose Schul- und Hochschulbildung ist in Mexiko nach wie vor eine Heilige Kuh. Schon 1987 war der Rektor der UNAM beim Versuch Studiengebühren einzuführen gescheitert. Und auch dieses Jahr blieb der Universitätsverwaltung angesichts des Widerstandes nichts anderes übrig, als ihre Pläne vorläufig zu begraben. Studiengebühren werden nun auf „freiwilliger Basis“ erhoben.

Gebühren auf freiwilliger Basis?

Diese Runde ging an die StudentInnen. An einer anderen „Neuerung“ wollen die Unis jedoch festhalten: Zulassungsbeschränkungen. Nach dem Abitur soll den Oberschülern nicht mehr automatisch der Weg an die Uni offenstehen, sondern eine Prüfung zwischengeschaltet werden, die noch einmal aussiebt.
Das halten die Studenten für absurd, sehen sich jedoch einer zunehmend sturen Verwaltung unter Führung von Francisco Barnés, dem Rektor der UNAM, gegenüber. Mexikos Präsident Ernesto Zedillo hat bereits Stellung für Barnés bezogen und die Studenten aufgefordert den Streik und die Besetzungen zu beenden.

Die Weltbank hat die Finger mit im Spiel

Die Versuche den Zugang zu den Universitäten zu erschweren, steht in direktem Zusammenhang mit einer von der Weltbank für Mexiko verordneten Schlankheitskur. Die Ausgabenkürzungen im Bildungs- und Kultursektor sind Teil der neoliberalen Strukturanpassungen, die von der Weltbank und dem IWF gefordert werden. Darüberhinaus sollen z.B. auch die archäologischen Sehenswürdigkeiten Mexikos, Hauptattraktion für Touristen, privatisiert werden. Große Hotelketten und Fast Food Restaurants wittern schon fette Beute. Vor diesem Hintergrund erscheint die Einführung von Studiengebühren nur von relativ geringer Bedeutung für die Konsolidierung des mexikanischen Haushalts. Den Verzicht auf die Einführung von Studiengebühren bezeichnen die StudentInnen deshalb als Bauernopfer. Ihre Kritik geht weiter: so würden sich die Bildungseinrichtungen in bloße Zulieferbetriebe der Industrie verwandeln.

Streikfront bröckelt

Die Streikfront der StudentInnen beginnt nach den Zugeständnissen der Universitäten zu bröckeln. Die Radikalen, die sogenannten “ultras”, grenzen sich von den „moderados“ ab, die sich mit der Verwaltung einigen möchten und seit Anfang Juli Gespräche mit dieser führen. Die Lektion, daß ohne Medien nur noch wenig zu bewegen ist, scheinen sie gelernt zu haben: Eine ihrer zentralen Forderungen, die Anwesenheit der Presse bei den Verhandlungen, wurden erfüllt.

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