Die Terroristenmacher vom Rio Blanco
Jeglicher Widerstand gegen Bergbauprojekte wird gern als Terrorismus diffamiert
Andrew Bristow antwortet nur sehr zögerlich. Das überrascht, denn normalerweise spricht er offen Klartext. Der australische Geologe ist Leiter von Minera Majaz, einer peruanischen Tochterfirma von Monterrico Metals. Das kleine britische Bergbauunternehmen ist seit 2002 am alternativen Investmentmarkt der Londoner Börse notiert. Anteile hält unter anderem die Allianz AG. Im andinen Norden Perus im Grenzgebiet zu Ecuador wollen sie Kupfer im offenen Tagebau gewinnen. 2011 soll das Rio Blanco-Projekt in Betrieb gehen und dann pro Jahr 100.000 Tonnen an konzentriertem Kupfer über einen Zeitraum von 32 Jahren produzieren. Bristows zögerliche Antwort kommt auf die Frage nach seiner Meinung über den in Chicago geborenen Bischof Daniel Turley aus der in der Region PIura gelegenen Diözese Chulucanas. Nicht ohne einen deutlich spürbaren inneren Widerstand sagt Bristow schließlich, „dass der Bischof wahrscheinlich kein Terrorist sei.“
Weiter unten in der peruanischen Küstenebene in seinem Bett im hellen kleinen Krankenhaus in der Regionalhauptstadt Piura liegt Daniel Turley. Der sehr beliebte 63-jährige augustinische Pastor mit dem Ruf eines Workaholic wartet ungeduldig in seinem Pyjama darauf, zurück in die Berge und zu seinem Job zu kommen. Der Bischof wirkt zerbrechlich und sieht nicht aus wie jemand, der in einer Identitätsgegenüberstellung auf einer Polizeistation als Terrorist identifiziert werden würde.
Bristow, die Bergbauindustrie und die peruanische Regierung; der Bischof und seine Unterstützer und die Bauernschaft Nordperus: diese bilden das Dreieck der heftigen Spannungen, die diese südamerikanische Gesellschaft, in der die Hälfte der Bevölkerung in schrecklicher Armut lebt, zu zerreißen droht. Die Jahrhunderte alte Bergbau- und Erzverhüttungsindustrie hat die Gesundheit der PeruanerInnen geschädigt, so ein jüngster Bericht der Weltbank. Und sie ist nach wie vor der Grund für soziale Unruhen. Schnell ist die Industrie nur, wenn es um die Entwicklung von Projekten und ihre Profite geht. Sie interessiert es weniger, ob die lokale Bevölkerung einen entsprechenden Anteil am mineralischen Rohstoffreichtum des Landes erhält. Nicht anders verhält es sich mit den jeweiligen Regierungen im entfernten Lima. Sie sehnen sich danach, die enormen Versprechen des Bergbaus, der 60 Prozent der Exporterlöse des Landes erzielt, zu erfüllen. Jedoch haben sie herzhaft wenig getan für die entfernten und vergessenen Teile des Landes.
Die Kleinbauern hingegen sind weniger interessiert an raschen Kapitalinvestitionen. Sie beobachten das Chaos und die Verschmutzung, die Bergbauunternehmen in kolonialen und jüngeren Zeiten für Nord- und Zentralperu gebracht haben. Daher sind sie umso mehr bemüht ihr Land zu bewahren, das ihnen ein kleines, verlässliches und nachhaltiges auf landwirtschaftlicher Produktion basierendes Leben bietet. Der Widerstand in der Bevölkerung gegen den Bergbau wächst. Viele der Bürgermeister und politischen Repräsentanten verstärken ihre Opposition gegen Projekte wie dem von Monterrico. Die Unternehmen erzwingen ihrerseits die Durchsetzung ihrer Pläne mit immer mehr Gewalt und erhalten dabei Unterstützung durch Polizei und Militär. In Auseinandersetzungen um das Projekt Rio Blanco starben bisher drei Bauern durch die gewaltsame Intervention staatlicher Einheiten. Mehr als einhundert BäuerInnen sehen sich Anklagen durch die peruanische Justiz gegenüber. Logistisch hilft der Staat, indem regelmäßige Flüge von Helikoptern der peruanischen Luftwaffe Ausrüstungsmaterial zum Bergbauprojekt transportieren.
Die Regierungen – eingerechnet die von Alan García, der Ende Juli 2006 seine zweite Mandatszeit (nach 1985-1990) antrat, sind in einem Dilemma gefangen. Während sie anstreben, dass Peru das Beste aus seinem natürlichen Reichtum macht und zumindest die Bergbauerträge des Nachbarn und traditionellen Rivalen Chile erreicht, sind sie gleichzeitig nervös angesichts einer möglichen weit verbreiteten populären Revolte, sollten sie diese Entwicklung zu heftig vorantreiben. Perus jüngere Vergangenheit mit den 70.000 Toten des internen Krieges zwischen linksextremer Guerrilla und der mit gleicher Brutalität zurückschlagenden staatlich-militärischen Gegengewalt von 1980 bis 2000 sind zu präsent, als dass sie nicht als Szenario herhalten könnten. Opfer des Krieges waren hauptsächlich Quechua sprechende arme KleinbäuerInnen. Für die letzten 20 Jahre waren dies die Menschen, die der Rest Perus bevorzugte, zu vergessen. Salomon Lerner, der Präsident der von der Übergangsregierung Paniagua eingesetzten Wahrheits- und Versöhnungskommission zur Untersuchung der Menschenrechtsverbrechen des internen Krieges sagt: “Unsere Arbeit ist abgeschlossen, aber die Aufgabe Gerechtigkeit und Versöhnung aufzubauen, hat gerade erst begonnen.“
Schwierige Versöhnungsarbeit
Diese Versöhnungsarbeit wird nicht einfacher durch den expandierenden Bergbau, der der Bevölkerung wirkliche demokratische gesetzliche Möglichkeiten der Mitbestimmung vorenthält. Allein der heute größte industrielle Goldtagebau Südamerikas in Cajamarca, der als erste ausländische Großinvestition nach dem wirtschaftlichen Bankrott der ersten Garcia-Regierung ab 1992 das neue Bergbauzeitalter für Peru einleitete, hat über die Jahre eine Serie von Konflikten mit der lokalen Bevölkerung gesehen. Erst Ende 2004 erreichte die Bevölkerung durch heftige Proteste, dass dem Unternehmen Minera Yanacocha die Genehmigung für die weitere Erkundung des Berges Quilish entzogen wurde. Das in der Region Piura gelegene Tambogrande sah im Juni 2002 einen einmaligen Erfolg. Im weltweit ersten Referendum zum Bergbau stimmten 98 Prozent der mehrheitlich in der Landwirtschaft tätigen Bevölkerung gegen das Projekt einer kanadischen Firma, die Kupfer, Zink und Gold abbauen wollte. Die Regierung unter Toledo erkannte das Votum offiziell zwar nicht an, entzog der Firma jedoch die Genehmigung nach fortgesetzten Protesten und Streiks der Bevölkerung gegen Ende 2003.
Die Kirche in Peru vertritt keine einheitliche Position. So wird die rechte katholische Organisation Opus Dei mit Sitz an der Universität von Piura als Befürworter des Bergbaus gesehen. Andere VertreterInnen der Kirche haben die Sorgen der Ärmsten hingegen verstanden und optieren für eine Rolle als Mediator. Piuras Erzbischof Oscar Cantuarias war aktiv in der Diskussion um Tambograndes Zukunft involviert. Bischof Turley, der öffentlich sehr kritisch ist gegenüber extremen Positionen auf beiden Seiten, sagt: „Ich bin sehr daran interessiert, den Dialog zu fördern.“
Turley sowie VertreterInnen von Nichtregierungsorganisationen bekommen ihre Unterstützung für die Bevölkerung zu
spüren. Sie sind Ziele einer gnadenlosen Kampagne persönlicher Diffamierung, die in der peruanischen Regierung und vielen nationalen Medien Widerhall findet. Man beschuldigt sie des Terrorismus und unterstellt ihnen Verbindungen zu Guerrilla und Drogenhändlern.
Monterrico Metals negierte jegliche Involvierung in die Kampagne. Mit dem früheren britischen Botschafter in Lima, Richard Ralph, hat das Unternehmen seit August 2006 einen neuen Direktor. Er solle neben politischen Kontakten etwas politisches Fingerspitzengefühl in ein Managementteam einbringen, dem dies offenbar fehlt. Jedoch ist Andrew Bristows versteckte Anspielung, der Bischof könnte immer noch ein Terrorist sein, eine eloquente Andeutung der sich fortsetzenden Haltungen.
Das britische Unternehmen erwartet dieses Jahr die entscheidenden Genehmigungen für das Projekt und sieht sich aktuell einem Übernahmeangebot eines chinesischen Konsortiums gegenüber. Die lokale Bevölkerung arbeitet auf ein lokales Referendum über das Projekt hin. Nordperu steht weiterhin eine angespannte Zeit bevor.