Nummer 343 - Januar 2003 | Peru

“Die Touristen reichen nicht für alle”

Seit sie sich dem Tourismus geöffnet hat, sieht sich die Insel Amantaní im Titikakasee vielen Problemen gegenüber.

Die Vorstellung , dass der Tourismus der gesamten Bevölkerung zu Gute kommt, stellt sich auf Amantaní als ein Ideal dar. Ein Quasimonopol der Reiseagenturen aus Puno wurde zwar auf politischem Weg gebrochen. Trotzdem sind die Einnahmen aus dem Tourismus ungerechtet verteilt.

Susanne Schmitz

Seit Fujimori 1992 mit der staatlichen Tourismusbehörde PromPerú begann, den Tourismus nach den Guerilla-Zeiten wieder zu fördern, erreichen täglich Dutzende TouristInnen Amantaní. Sie suchen die Weite des Blickes im Herzen des Titikakasees, mit einer Sicht bis zur Cordillera Real in Bolivien, und den Kontakt zu den quechua-sprechenden InselbewohnerInnen. Denn hier auf der Insel übernachten die TouristInnen direkt im Haus einer Familie, teilen einige Stunden ihres Alltags und können so das Leben in einer andinen Gemeinde kennen lernen. Heute ist die Beherbergung von TouristInnen eine der wenigen Möglichkeiten für die amantaneños, auf der Insel selbst Geld zu verdienen. Dabei versucht Amantaní einen Weg zu gehen, der vermeiden soll, dass nur einige wenige vom Tourismus profitieren können, sondern, so erklingt es in jedem Gespräch und jeder öffentlichen Rede, „para el beneficio de toda la isla” (zum Wohle der ganzen Insel). Daher besteht der Konsens, TouristInnen nur privat, in immer wechselnden Familien unterzubringen und dort zu verpflegen und keine Hotels oder Restaurants zuzulassen. Ebenso wenig dürfen Grundstücke nach außen verkauft werden, um zu vermeiden, dass fremde UnternehmerInnen dort Hotels eröffnen. Um den Tourismus selbst in die Hand zu nehmen und den Reiseagenturen in Puno das Monopol über den TouristInnentransport abzutrotzen, haben die BootsbesitzerInnen der Insel schon 1990 ein eigenes Unternehmen gegründet. Heute bieten in jeder der acht comunidades rund 30 Familien Privatunterkünfte an, ein Hotel gibt es immer noch nicht..
Nur der selbst organisierte Tourismus ist auch zwölf Jahre später noch ein Traum. Über 95 Prozent der TouristInnen kommen mit organisierten Touren samt Reiseführer von Agenturen aus Puno, unter denen es viele schwarze Schafe gibt. Viele Agenturen lassen die Familien, die TouristInnen beherbergt haben, bis zu einem Monat auf ihr Geld warten oder drücken den Preis für die Übernachtung um die Hälfte nach unten. Darum fuhr der Bürgermeister im Juni 2002 zusammen mit 150 InselbewohnerInnen nach Puno, um dort öffentlich gegen die Reiseagenturen zu demonstrieren. Schließlich konnten wichtige Abkommen wie ein Mindestpreis für die Übernachtung und die Verwirklichung des rotativen Systems, nach dem die einzelnen comunidades abwechselnd angesteuert werden, erzielt werden. Doch das hat das soziale Gleichgewicht auf der Insel erheblich ins Wanken gebracht: Zwei der acht comunidades machten nicht mit. „Und wisst ihr, warum? Dort drüben auf der anderen Seite geben sie dem guía (Reiseleiter) abends einen Kasten Bier und schicken ihm schon mal ein ganzes Schaf nach Puno. Und bei mir waren im Oktober kein einziges Mal Gäste”, beschwert sich ein frustrierter amantaneño. Bei diesen Konditionen kommen die guías natürlich gerne wieder und bringen immer neue TouristInnen ausschließlich in diese zwei comunidades. Denn hier lassen sich auch gut die Preise drücken, so dass drei Soles pro TouristIn direkt in die Taschen der guías fließen können. So bleiben sechs comunidades auf der Insel ohne relevante Einkünfte.

Wahlkampfthema Nr.1: Tourismus

Trotz der neuen Konflikte haben die InselbewohnerInnen den Tourismus als All-Round-Lösung für die Insel entdeckt. Denn alle haben immer das scheinbar erfolgreiche Beispiel der touristisch starken Nachbarinsel Taquile vor Augen, wo 80 Prozent der Familien ihren Lebensunterhalt aus dem Tourismus und der Herstellung von Textilien bestreiten können. Dadurch müssen dort viel weniger Jugendliche als auf Amantaní nach Schulabschluss in die urbanen Zentren, vor allem nach Lima abwandern. So zog sich der Tourismus als Thema Nummer eins durch die Programme aller Kandidaten der Bürgermeisterwahl auf Amantaní Mitte November: „Alle sehen den Tourismus als die wichtigste Aktivität an”, so einer der Kandidaten, “alle Vorhaben in unserem Wahlprogramm stehen in direkter Verbindung mit dem Ausbau des Tourismus”. „Wir glauben, dass der Tourismus unsere Entwicklung fördert”, äußert sich ein anderer Kandidat.

Susanne Schmitz

Weitere Informationen zu Amantaní: www.punored.com/titicaca/amanta

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