Nummer 444 - Juni 2011 | Solidarität

Drohungen gegen Radio

MitarbeiterInnen des unabhängigen Radio Victoria müssen um ihr Leben fürchten

Knut Hildebrandt

Einen Direktor gibt es hier nicht. Das im Norden El Salvadors sendende Radio Victoria verzichtet auf hierarchische Strukturen und fällt alle wichtigen Entscheidungen im Kollektiv. Gegründet wurde der Sender 1993 von aus Honduras zurückgekehrten Kriegsflüchtlingen als kommunales Radio für Santa Marta. Mittlerweile wird aus dem günstiger gelegenen Victoria gesendet. Da man vor allem auch Menschen außerhalb der Heimatgemeinde erreichen wollte, zog der Sender dorthin um.
Wegen seiner Popularität war Radio Victoria stets den privaten, kommerziell ausgerichteten Stationen ein Dorn im Auge. Nicht zuletzt dem Druck der Privaten ist es geschuldet, dass Mitte der 1990er Jahre der Sender für illegal erklärt und sein Equipment beschlagnahmt wurde. Erst durch die Mobilisierung der eigenen Hörerschaft und die Organisation von Demonstrationen in San Salvador konnte die Herausgabe der Technik erzwungen werden. In langwierigen Verhandlungen gelang es dann Radio Victoria sich eine eigene Frequenz zu sichern.
Aufgrund seiner kritischen Berichterstattung über Umweltthemen, die Verletzung der Menschenrechte sowie der Rechte von Frauen hat sich Radio Victoria weitere Feinde gemacht. Immer wieder kommt es zu kleineren oder größeren Sabotageakten. Seit geraumer Zeit ist es aber auch für die RadiomacherInnen selbst gefährlich geworden. Vor mehr als fünf Jahren bekamen erstmalig einige von ihnen Drohbriefe. Grund dafür war ihr Engagement gegen Bergbauprojekte in der Region.
Die Situation eskalierte Mitte des Jahres 2009. Nach der Entführung und Ermordung des Radio Victoria nahe stehenden Umweltaktivisten Marcelo Rivera erhielten auch mehrere Team-Mitglieder Morddrohungen. Deshalb ermöglichte die Hamburger Stiftung für Politisch Verfolgte im vergangenen Jahr einer der RadiomacherInnen mittels eines Stipendiums den Aufenthalt in Deutschland.
Doch damit ist die Situation bei weitem nicht entschärft: Immer noch werden die MitarbeiterInnen mit dem Tode bedroht.
Anfang dieses Jahres hinterließen Unbekannte an dem mittlerweile unter Polizeischutz stehenden Sender Morddrohungen gegen mehrere Mitglieder. Am 30. April tauchten erneut Drohbriefe auf. Zwei Tage später erhielt eine Mitarbeiterin eine SMS, in der angekündigt wurde, daß ihre dreijährige Tochter dafür zahlen werde, wenn sich die Berichterstattung von Radio Victoria nicht ändert. In Victoria wird jetzt darüber nachgedacht, wie auch sie außerhalb des Landes in Sicherheit gebracht werden kann. Denn ähnliche Drohungen waren vor zwei Jahren der Auftakt für eine Welle der Gewalt, die neben Marcelo Rivera zwei weiteren Umweltaktivisten das Leben kostete.

Infokasten:

Um Radio Victoria bei seiner Arbeit zu unterstützen und die Maßnahmen zum Schutz seiner Teammitglieder sowie der technischen Einrichtung abzusichern hat das Ökumenische Büro München e.V. das folgende Spendenkonto eingerichtet (Spenden sind von der Steuer absetzbar):
Ökumenisches Büro // Konto-Nr. 5617 62 58 // Stadtsparkasse München // BLZ: 701 500 00 // Stichwort: Radio Victoria

Von Geldspenden abgesehen ist es wichtig den Leuten in El Salvador moralische Unterstützung zukommen zu lassen. Amnesty International hat eine Urgent Action nach den Vorfällen Anfang Mai gestartet, die man unter folgendem Link findet:
http://www.amnesty.de/urgent-action/ua-131-2011-1/morddrohungen-gegen-radiomacher

Auf der Website des Ökumenischen Büros München finden sich unter http://www.oeku-buero.de/nachrichtenleser/items/el-salvador-wieder-drohungen-gegen-radio-victoria.html weitere Informationen sowie ein vorformulierter Brief auf Spanisch und Deutsch an den Generalstaatsanwalt und die Regierungsstellen in El Salvador.

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