Argentinien | Nummer 345 - März 2003

Duhalde setzt auf Kirchner

Bei der kommenden Präsidentschaftswahl haben die ArgentinierInnen nur die Wahl zwischen bekannten, zum Teil verhassten Gesichtern

Timo Berger

Mitte Februar startete Néstor Kirchner (PJ), der von der Regierung favorisierte Kandidat, seinen Wahlkampf in Rosario. Bis vor Kurzem war noch unklar, ob es zu der für den 27. April angekündigten Wahl überhaupt kommen wird. Monatelang dauerte das parteiinterne Gezerre zwischen der Fraktion um den amtierenden Präsidenten Eduardo Duhalde und den Ex-Präsidenten Carlos Menem an. Duhalde hatte nach der Ermordung zweier Arbeitslosenaktivisten Ende Juni 2002 angekündigt, selbst nicht zur nächsten Präsidentschaftswahl anzutreten. Ursprünglich hatte der argentinische Kongress ein Gesetz verabschiedet, dass die KandidatInnenfragen innerhalb der Parteien durch Vorwahlen entscheiden sollte. Doch als sich die paradoxe Situation abzeichnete, dass Menem in diesen Vorwahlen als Sieger hervorgehen, in der allgemeinen Wahl dann aber verlieren könnte, setzte Eduardo Duhalde alles daran, das Zustandekommen solcher Vorwahlen zu verhindern.
Zwar bezeichnete die Richter María Cubría de Servini die auf einem Parteikongress der PeronistInnen (PJ) unter Anführerschaft Duhaldes beschlossene Aussetzung der Vorwahlen als „nicht verfassungsgemäß“, auf Grund der drängenden Zeit wurde es dennoch rechtlich abgesegnet. Zeit für die Durchführung von Vorwahlen ist nach den Verschiebungsmanöver Duhaldes schlichtweg nicht mehr vorhanden, wenn man nicht den Termin für die Präsidentschaftswahl noch weiter hinauszögern möchte. Doch dies geht nicht. Schließlich war eine der Bedingungen für ein Zustandekommen eines Abkommens mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF), dass Duhalde den Termin endgültig fixiere. So werden die PeronistInnen jetzt ihre parteiinternen Grabenkämpfe in die Präsidentschaftswahl hineintragen. Drei Kandidaten aus den Reihen der PJ werden am 27. April antreten: Néstor Kirchner, der von Duhalde unterstützte Gouverneur der Provinz Santa Cruz, Adolfo Rodriguez Sáa, Siebentagepräsident nach dem Sturz De la Rúas und Carlos Saúl Menem.
Sicher ist bisher nur eins, ein Peronist wird in die Stichwahl kommen. Aller Wahrscheinlichkeit nach Néstor Kirchner – tritt er dann gegen Menem an, hat er Umfragen zufolge die höchsten Gewinnchancen, tritt er gegen Elisa Carrió (ARI) an, die niedrigsten. Aus der ersten Runde wird wohl keiner der vier fast gleichauf liegenden KandidatInnen einen eindeutigen Sieg davontragen. Nach einer Umfrage, die am 16. Februar veröffentlicht wurde, kommt Kirchner (PJ) auf 16,4 Prozent, Menem (PJ) auf 13,8, Rodríguez Saá (PJ) auf 12,9 und Carrió (ARI) auf 11,1. Weder dem Kandidaten der ehemals großen Volkspartei, der Radikalen Bürgerunion (UCR), Leopoldo Moreau, noch den KandidatInnen der Linksparteien werden von den Meinungsforschern Chancen eingeräumt. Aus den Basisbewegungen ist bisher kein Kandidat hervorgegangen. So wird das Rennen wie gehabt zwischen Peronisten und Radikalen entschieden – denn Carrió kommt ursprünglich aus der UCR. Gewinnen wird nicht, wer den meisten Zuspruch bekommt, sondern die wenigsten GegnerInnen in der Bevölkerung hat – 70 Prozent der ArgentinierInnen können sich unter keinen Umständen vorstellen, Menem zu wählen. Bei Kirchner sind es nur 22 Prozent. Dennoch stellt sich bei dem gegenwärtigen politischen Panorama die Frage, ob die argentinische Bevölkerung tatsächlich ein Jahr lang umsonst skandierte: „Alle sollen verschwinden“?
Viele ArgentinierInnen haben in den Umfragen deutlich gemacht, dass sie sich bei der kommenden Wahl der Stimmabgabe enthalten werden. Die verbleibenden Asambleas (Versammlungen) und Gruppen aus der Protestbewegung rufen zusätzlich zu „Aktionen des zivilen Ungehorsams“ für den Wahltag auf. Diese Initiative, die von der im Stadtteil Villa Crespo ansässigen Asamblea Cid Campeón ausgeht und der sich schon mehr als 20 Basisbewegungen angeschlossen haben, wird aber allenfalls für einige kritische Misstöne am Wahltag sorgen – die WählerInnen werden ihr Kreuz lustlos bei einem der KandidatInnen machen, in der Überzeugung, dass sich nicht viel ändern wird.

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