Chile | Nummer 309 - März 2000

Ein Philosoph ins Verteidigungsministerium

Ricardo Lagos setzt auf Ausgewogenheit im Kabinett

Kurz vor Urlaubsantritt gab der neugewählte chilenische Präsident Ricardo Lagos im Februar die Zusammensetzung seines Kabinetts bekannt. In seiner Regierung werden alle vier Parteien der regierenden Concertación por la Democracia in ausgewogenem Verhältnis vertreten sein.

Jens Holst

Die ChristdemokratInnen (DC) stellen in Lagos’ neuer Regierung sieben, die SozialistInnen (PS) vier, die von Lagos gegründete Partei für die Demokratie (PPD) drei und die Radikalen (PRSD) zwei MinisterInnen. Die Liste der neuen AmtsträgerInnen verspricht mehr Kontinuität als Innovation. Die Kernministerien mit enger Anbindung an den Präsidentenpalast übernehmen dabei drei Leute aus dem Team des scheidenden Staatschefs Eduardo Frei. Zum Innenminister ernannte Lagos den Sozialisten José Miguel Insulza, der zuletzt als Präsidialamtsminister (vergleichbar dem Kanzleramtsminister) tätig war. Zuvor leitete Insulza das Außenministerium und erwarb sich international durch sein heftiges Eintreten für eine Rückkehr von Ex-Diktator Pinochet aus London einen speziellen Ruf. Präsidialamtsminister wird nun der PPD-Mann Alvaro García, ein enger Vertrauter von Ricardo Lagos und ehemaliger Wirtschaftsminister unter Frei. Das dritte Ministerium der inneren Führung, des Secretariado General de Gobierno, bekam der Christdemokrat und bisherige Staatssekretär in dieser Abteilung Claudio Huepe.
Die zukünftige Außenministerin Chiles, die sich möglicherweise doch noch mit dem Fall Pinochet beschäftigen werden muss, heißt Soledad Alvear und gehört ebenfalls der DC an. Die ehemalige Frauen- und Justizministerin hatte ihre große Popularität vor der Stichwahl für Ricardo Lagos eingebracht und dessen Wahlkampf zuletzt geleitet. Lange galt sie als Favoritin für das Innenministerium, doch offenbar konnte sie sich erfolgreich dagegen wehren: Allzu leicht hätte sie sich auf diesem potenziell konfliktgeladenen Posten verbrennen können und ihren Traum vorzeitig ausgeträumt, in sechs Jahren zur ersten weiblichen Präsidentin des Landes gekürt zu werden.

Kontinuität in den Ämtern

Der Radikale José Antonio Gómez Urrutia, der wegen Alvears Einsatz als Wahlkampfleiterin nach dem schlechten Abschneiden beim ersten Durchgang kurzzeitig als Ersatzmann im Justizministerium eingesprungen war, behält sein Amt auch unter Lagos. Das Verteidigungsministerium bleibt in den Händen der ChristdemokratInnen. Mit Mario Fernández Baeza ernannte Lagos einen 52-jährigen Anwalt zum neuen Amtsinhaber, der einst an der philosophischen Fakultät in Heidelberg promovierte. Auch Fernández Baeza ist nicht neu im Geschäft, war er doch bis vor kurzem Staatssekretär im gleichen Ministerium.
Große Erwartungen setzt die chilenische Geschäftswelt auf die jungen Gesichter der ökonomischen Mannschaft von Ricardo Lagos. Zum Finanzminister ernannte er den 47-jährigen Nicolás Eyzaguirre Guzmán aus den Reihen seiner eigenen Partei. In den ersten Jahren nach der Diktatur leitete er die Studienabteilung der chilenischen Zentralbank. Seit mehreren Jahren arbeitet er beim Internationalen Währungsfonds (IWF) und war dort zuletzt als Exekutivdirektor für das südliche Südamerika tätig. Durch die Zusammenlegung mit den bisherigen Ministerien für Energie und für Bergbau wertete Lagos das bisher wenig einflussreiche Wirtschaftsministerium erheblich auf, das in Zukunft dem erst 39-jährigen Christdemokraten José de Greogorio unterstellt sein wird, der bisher als Hochschullehrer an der Universidad de Chile tätig war.
Eine weitere Zusammenlegung, mit der die Anzahl der Ministerien von 20 auf 16 verringert wurde, betraf das Sozial- und das Transportministerium (Ministerio de Obras Públicas y Transporte). Dieses neue Ministerium wird in Zukunft der Sozialist Carlos Cruz leiten, der in der Aylwin-Regierung im Wirtschaftsministerium arbeitete. Das Landwirtschaftsministerium geht an Jaime Campos von der PRSD.
Die sozial relevanten Ministerien besetzte Ricardo Lagos mit folgenden Personen: Erziehungsministerin wird die allseits anerkannte ehemalige Abgeordnete Mariana Aylwin (DC), Arbeitsminister der Staatsbankdirektor Ricardo Solari Saavedra (PS), für den Bereich Wohnungsbau und nationale Güter wird Claudio Orrego (DC) und für Gesundheit die Sozialistin Michelle Bachelet zuständig sein. Das Frauenministerium wird die ehemalige Ministerin für öffentliche Güter, Adriana Delpiano Puelma übernehmen, das Planungsministerium Alejandra Krauss (DC), die Tochter des ehemaligen Innenministers und DC-Chef Enrique Krauss.


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