Film | Nummer 345 - März 2003

Ein pittoresker Bilderreigen

Der US-amerikanische Film „Frida“

Bettina Bremme

Kaum eine Künstlerin des 20. Jahrhunderts hat so einen Kult hervorgerufen wie die mexikanische Malerin Frida Kahlo. Bereits zu Lebzeiten (1907-1954) fasziniert die Kahlo ihre Umgebung durch eine Persönlichkeit, die sowohl Schmerzen ausstrahlt – sie leidet zeitlebens an den Folgen eines tragischen Verkehrsunfalls – als auch einen unbändigen Hunger nach Leben. In ihren zahllosen Selbstbildern malt Frida eine Frau, deren Ich sowohl in der mexikanischen Volkskultur ihrer mestizischen Mutter verwurzelt ist als auch im kulturellen Erbe des Vaters, eines jüdischen Fotografen, der aus Deutschland stammt. Die europäischen Surrealisten sind von der abgründigen Symbolhaftigkeit ihrer Bilder fasziniert. Für viele MexikanerInnen dagegen steht Fridas Kunst für die mexikanische Identität, für die leidenschaftliche und kreative Verschmelzung indigener und europäischer Kulturen.
Zu Lebzeiten steht Fridas Ruf als Künstlerin im Schatten ihres Ehemannes, des berühmten Wandmalers Diego Rivera. Dies ändert sich nach ihrem Tode ganz gewaltig. 1971 widmet die mexikanische Regisseurin Marcela Fernández Violante der Kahlo einen Dokumentarfilm. Circa zehn Jahre später setzt dann – nicht zuletzt durch den Einfluss der Frauenbewegung, welche die Künstlerin für sich „entdeckt“ – auf internationaler Ebene ein regelrechter Frida-Kahlo-Boom ein. Biographien werden veröffentlicht, Retrospektiven ihrer Werke touren durch Museen und Galerien Süd- und Nordamerikas sowie Europas. Das Haus der Malerin in Coyoacán avanciert zum Wallfahrtsort, die Kahlo zur linken Popikone.

Linke Popikone

1984 verfilmt der mexikanische Regisseur Paul Leduc ihr Leben. „Frida, naturaleza viva“ (Frida, lebendige Natur) verfällt nicht in den Fehler, aus dem bewegten Leben der Künstlerin einen Historienschinken oder eine Liebesschnulze zu machen. Statt dessen entwirft Leduc eine Collage, ein Labyrinth aus Rückblenden und beziehungsreich ineinander verschachtelten Sequenzen. Auch wenn viele Momente sehr intim in Szene gesetzt sind, bewahrt Leduc „seiner Frida“ einen Funken Geheimnis, ein Stück persönlicher und künstlerischer Autonomie.
In Hollywood wird die Verfilmung der Vita Frida Kahlos ab den Neunzigern ganz hoch gehandelt. Sowohl Madonna als auch Jennifer López sollen geradezu darauf versessen gewesen sein, die Künstlerin auf der Leinwand zu verkörpern. Das Projekt auf die Beine stellt schließlich die seit Jahren in Hollywood lebende Mexikanerin Salma Hayek, die bei „Frida“ auch als Koproduzentin fungiert.
Wenn das Leben einer Person verfilmt wird, die so etwas wie eine National- oder Bewegungsikone ist, stellt jedes Detail sowohl der Dreharbeiten als auch des fertigen Produkts per se ein Politikum dar. Als beispielsweise Alan Parker 1996 das Musical „Evita“ mit Madonna in der Hauptrolle verfilmte, wurde das Filmteam in Argentinien auf Schritt und Tritt von Misstrauen und Ablehnung begleitet. Leider behielten in diesem Falle die Pessimisten Recht: Zwar erbrachte Madonna eine erstaunliche schauspielerische Leistung. Der Rest des monumentalen Spektakels mit sülzigem Soundtrack auf Englisch war allerdings für alle, die auch nur einen Funken Ahnung vom Thema haben, ein unsägliches Ärgernis.

Rolle des Lebens

Ähnlich wie „Evita“ für Madonna ist auch „Frida“ für Salma Hayek nicht nur irgendein Job, sondern so etwas wie die „Rolle des Lebens“. Schließlich trieb sie nach eigenem Bekunden seit ihrem 15. Lebensjahr die „Obsession“ um, in die Haut von Frida Kahlo zu schlüpfen. – Gute Voraussetzungen für eine fulminante schauspielerische Leistung. Aber reicht das aus, um eine Biographie mit Leben zu füllen, in der sich die Leidenschaft und der Kampf einer ganzen Generation linker KünstlerInnen spiegelt?
Bereits als klar war, das der Film auf Englisch gedreht werden und vorwiegend mit US-amerikanischen oder europäischen SchauspielerInnen besetzt werden würde, gab es in Mexiko empörte Reaktionen. So bezeichnete laut „El País“ der Direktor des „Movimiento México“ Olin Tezcatlipoca, den Film als „Beleidigung“ für sämtliche MexikanerInnen, weil Salma Hayek „zwei Europäer unter Vertrag genommen“ habe, um die Wandmaler Diego Rivera und David Alfaro Siqueiros darzustellen. Auch die mexikanische Presse ging mit dem fertigen Film, der im vergangenen Jahr auf dem Festival in Venedig gezeigt wurde, alles andere als gnädig um. So meinte die Kritikerin Guadelupe Loaeza, der Film würde Frida Kahlo wohl kaum gefallen haben: „Ich bin sicher, sie hätte sogar den Kinosaal verlassen.“
Grobe Geschichtsklitterungen kann man dem Film allerdings nicht vorwerfen. Im Großen und Ganzen hält sich das Drehbuch von „Frida“ an die Fakten. Was allerdings nichts daran ändert, dass der Film über weite Strecken einem pittoresken Bilderreigen gleicht. Zwar spielen sowohl Salma Hayek als auch Alfredo Molina (Diego Rivera) ihre Rollen sehr gut, und alles ist sehr charmant und malerisch in Szene gesetzt. Besonders hervorzuheben sind einige originelle Tricksequenzen, in denen sich die Werke Frida Kahlos und Szenen aus ihrem Leben spielerisch vermischen. Der Grund, wieso sich trotzdem schon nach kurzer Zeit ein Gefühl der Belanglosigkeit einstellt, liegt eher daran, dass brav und vorhersehbar ein Lebensabschnitt nach dem anderen abgehakt wird. Da, wo Filmemacher wie Leduc den Mut zu Ellipsen und zur dramatischen Verdichtung haben, verwischen sich in „Frida“, wo die Broadway-Regisseurin Julie Taymor Regie führte , Höhen und Tiefen zu einem biographischen Potpourri. Besonders ärgerlich ist allerdings die chargenhafte Art, wie die Nebenfiguren agieren.

Historische Abziehbildchen

So haben sämtliche berühmten ZeitgenossInnen des Künstlerpaares lediglich anekdotische Kurzauftritte: Die Fotografin Tina Modotti erscheint als mondäne Gastgeberin opulenter Partys. Der Wandmaler David Alfaro Siqueiros, einer der Weggefährten und gleichzeitig politischer Gegenspieler Riveras, hat einen plakativen Auftritt als Salonrevolutionär. Gespielt wird Siqueiros von dem in solchen Filmen wohl unvermeidlichen, in Hollywood ansässigen Spanier Antonio Banderas, der bereits als Che Guevara in der „Evita“-Verfilmung sowie in den Filmadaptionen von Isabel Allendes Romanen „Das Geisterhaus“ und „Von Liebe und Schatten“ den Revolutionär vom Dienst gab. Gastauftritte wie der von Banderas in „Frida“ dienen wohl eher dazu, mit prominenten Namen Kasse zu machen. Denn die Filmszene, in der der Stalinist Siqueiros und der Trotzkist Rivera sich während einer der chicen Feiern im Hause Modotti ein Rededuell liefern, gibt eine poltrige Schmalspurversion der Auseinandersetzungen, die in den Dreißigern die mexikanische Linke beschäftigten. Leo Trotzki, der während seines mexikanischen Exils im Hause von Kahlo und Rivera Aufnahme fand, kommt dagegen wie ein müder Plüschhase daher, der in den Armen der schönen Frida Zuflucht sucht.
Irgendwann wird man es leid, den Reigen von historischen Abziehbildchen zu sehen und konzentriert sich ganz auf die Hauptfigur in ihrem wackeren Kampf gegen die Gebrechen des Körpers, die notorische Untreue des Ehemannes und das unerbittliche Verrinnen der Lebenszeit. In der Tat spielt sich Salma Hayek als Frida fast die Seele aus dem Leib. Die Rolle hat ihr übrigens mittlerweile eine Oscar-Nominierung eingebracht. Dies kann bekanntermaßen einen Quantensprung auf dem Weg zur künstlerischen Unsterblichkeit bedeuten. Falls also einmal das Leben von Salma Hayek verfilmt werden sollte, wird dem Film „Frida“ sicher eine Schlüsselszene gewidmet.

“Frida“, Regie: Julie Taymor;
USA 2002, Farbe, 123 Minuten.
Der Film startet am 6. März 2003 bundesweit in den Kinos.

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