Eine Guajira in einer „Neuen Welt“
Interview mit der kubanischen Sängerin Addys d’Mercedes
Fidel Castro hatte vor kurzem seinen 75-jährigen Geburtstag. Was hättest du ihm geschenkt?
Meine CD. Die kann er sich anhören, weiterverschenken oder behalten. Auch wenn er kein Salsatänzer sein sollte, ist er bestimmt ein guter Zuhörer. Das reicht mir.
Im Titelstücks der CD singst du „Eine neue Welt lernte ich kennen auf der Suche nach dem Glück“. Was hast du in Europa gesucht als du gekommen bist?
Ich habe nicht gerade Deutschland gesucht, es war Schicksal. Vor acht Jahren bin ich aus privaten Gründen gekommen, um genauer zu sein, wegen der Liebe. Deshalb kam ich auch nicht als Sängerin. In den ersten Jahren habe ich wenig Musik gemacht. Ich habe Deutsch gelernt und einfach mein Leben gelebt. Ich wollte mich vor allem an Deutschland gewöhnen und es dauerte ein paar Jahre bis ich wieder anfing zu singen. In Kuba hatte ich in typischen kubanischen Bands schon professionell gesungen, auch für Touristen. Damals haben wir Lieder von anderen nachgespielt, zum Beispiel von Celia Cruz, Gloria Estefan und anderen kubanischen Künstlern. Das hat aber auf Dauer nicht so viel Spaß gemacht, deshalb habe ich mich entschlossen meine eigene Musik zu schreiben. Ich hatte dafür sehr viele Ideen, und so ist Mundo Nuevo entstanden. Es hat auch mit Sehnsucht zu tun. Es inspiriert mich wenn ich an meine Familie oder Freunde denke. Man merkt es zum Beispiel in dem Stück „Cha ka cha“, wo ich von meinem kleinen Bruder, der Chachacha lernen wollte, erzähle.
Hast du in Kuba eine musikalische Ausbildung gemacht?
Musik war für mich erst einmal Hobby, ich habe aus Spaß gesungen. In Moa, dem Ort wo ich geboren bin, habe ich eine kleine Musikschule besucht, aber nicht sehr lange. Ich bin eher eine Autodidaktin. Ich war in einigen professionellen Gruppen, wo ich sehr viel lernen konnte. Ich war damals sehr jung und die Gruppenmitglieder hatten schon sehr viel Bühnenerfahrung. Bei denen habe ich in zwei Jahren am meisten gelernt. Ich hatte auch einfach Glück und kam in immer bessere Gruppen.
Du hast in einem Tourismuszentrum als Sängerin gearbeitet. Was bedeutet diese Arbeit für kubanische Musiker?
Jede kubanische Musikgruppe würde dort gerne spielen. Für viele ist es ein Ziel, weil es ein bequemes Leben bedeutet. Man lebt da, meistens muss man tagsüber nichts machen, nachts spielt man immer am gleichen Ort und man muss sich deswegen nicht soviel Mühe geben. Es ist eine sichere Arbeit, deshalb will jeder sie machen. Auch hier hatte ich aber einfach Glück. Ein Direktor hat mich gehört und fand, dass ich die Richtige für den Job sei. In dem Touristenzentrum konnte ich viel über den Geschmack des europäischen Publikums lernen. Für mich war es neu, leise zu spielen und am Anfang konnte ich mich gar nicht gut daran gewöhnen. Wir Kubaner wollen immer laute Musik zum Tanzen. Selbst wenn wir reden tun wir es sehr laut. Durch die Arbeit im Touristenzentrum wusste ich schon ein wenig über die Mentalität der Menschen in Europa, wo die Leute eher zuhören und nicht tanzen wollen.
In deiner aktuellen Gruppe Q’ba sind alle Musiker aus Kuba. Welche Schwierigkeiten haben kubanische Künstler, um außerhalb der Insel arbeiten zu dürfen?
Stimmt, alle sind Kubaner, aber zwei leben schon lange in Holland und nur zwei sind für unsere Tournee aus Kuba gekommen. Es war nicht so einfach sie hierher zu holen und wir mussten dafür richtig kämpfen. Erst hieß es, es gebe keine Reisepässe, aber schließlich ist es uns gelungen, dass sie eine einjährige Erlaubnis bekamen. Andere Gruppen bekommen diese nur für drei Monate und müssen danach zurück. Früher war es noch schwieriger im Ausland spielen zu dürfen. Aber durch den Film Buena Vista Social Club hat sich viel geändert. Da ich mit einem Deutschen verheiratet bin, ist es für mich einfacher. Weil ich hier „legal“ bin, darf ich auch jederzeit zurück. Die Kubaner, die auf Einladung kommen und danach einfach bleiben, können große Probleme bekommen. Entweder dürfen sie nicht nach Kuba zurück oder müssen sehr lange mit ihrer Rückkehr warten. Ich kenne ein paar Kubaner, die zehn Jahre warten mussten, bis sie wieder in Kuba auftreten durften.
Wie wird in Kuba gesehen, dass kubanische Künstler im Ausland spielen, um sich dort weiterzuentwickeln?
In Europa oder in den USA zu spielen, ist der Traum der meisten kubanischen Musiker. Viele glauben, es sei einfach hier Erfolg zu haben, und kommen mit falschen Erwartungen. Das ist ein großes Missverständnis. Man muss sehr hart arbeiten, um beispielweise das zu erreichen, was ich geschafft habe. Ich habe acht Jahre gebraucht.
Die Musik mancher Musiker ist in Kuba tabu. Ist deine Musik dort zu hören?
Wir kennen einen Kubaner bei einem Radiosender. Er spielt meine Liedern problemlos im Radio. Die Kritik war bis jetzt immer sehr gut, auch wenn es vielleicht Leute gibt, die meine Musik nicht mögen, weil sie ihnen zu fremd ist, oder weil es nicht so „typisch kubanisch“ klingt. Auch wenn ich kein Datum sagen kann, bin ich mir sicher, dass ich irgendwann wieder in Kuba spielen werde.
Man vergleicht deinen Stil mit dem von verschiedenen kubanischen Sängerinnen wie Celia Cruz, La Lupe und vor allem Gloria Estefan. Man hat dich sogar als „Enkelin des Buena Vista Social Club“ genannt. Stört dich das?
Nein, es freut mich, dass man mich mit diesen Musikern vergleicht. Aber sie haben ihren Stil und ich habe meinen. Die Musik von Buena Vista Social Club ist im Vergleich zu meiner sehr traditionell. Durch sie sind viele Leute in Deutschland erst auf kubanische Musik aufmerksam geworden. Aber sie spielen uralte Lieder, die ich schon als Kind gehört habe, und die mein Vater mit der Gitarre mit mir gesungen hat. Meine Musik ist moderner, meine Kompositionen sind von Pop und Soul beeinflusst.
Addys d´Mercedes, Mundo Nuevo, Media Luna, 2001.
Tourdaten: Addys d’Mercedes & Ibrahim Ferrer, Leverkusen-Jazzfestival, 21.10.2001.