Kolumbien | Nummer 297 - März 1999

ELN: „Keine Gespräche mehr mit Pastrana“

Die Gespräche zwischen Regierung und ELN sind zu Ende, bevor sie überhaupt angefangen haben

Daß der kolumbianische Friedensprozeß so schnell in seinen letzten Zügen liegen könnte, hatten wohl nicht einmal Pessimisten geglaubt. Doch nach dem ergebnislosen Abbruch der Gespräche zwischen Regierung und Nationalem Befreiungsheer (ELN) Mitte Februar sieht es so aus, als ob es unter dem Präsidenten Pastrana keine weiteren Kontakte zwischen den beiden Konfliktparteien mehr geben dürfte.

Raul Zelik

Der Friedensbeauftragte von Präsident Pastrana, Victor Ricardo, und die Nummer 2 der ELN, Antonio García, hatten sich im Februar in Venezuela getroffen, um Sicherheitsgarantien für die geplante Nationalkonvention zu vereinbaren. Auch ein direktes Gespräch zwischen Präsident Pastrana und dem ELN-Chef Nicolas Bautista sollte ausgemacht werden. Doch bei den Gesprächen platzten alle Pläne. Die Regierung wies die Forderung der Guerillaorganisation nach Räumung der vier Gemeinden Morales, Simití, Santa Rosa und San Pablo im Süden der Provinz Bolívar kategorisch zurück. Die ELN bekräftigte hingegen, daß sie die Sicherheit der Konvention, die eigentlich schon am 15. Februar hatte beginnen sollen, nur in einem von der Armee geräumten Gebiet garantieren könne.
Die Durchführung der Nationalkonvention, an der 400 Delegierte verschiedenster gesellschaftlicher Gruppen teilnehmen sollen, war im vergangenen Juli zwischen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und dem ELN in Mainz vereinbart worden. Ein demokratisches Forum sollte entstehen, das vor allem den Unterschichten ein Sprachrohr bieten könnte. Der Haken an dem Projekt ist jedoch, daß Bauernverbände, Basisorganisationen und Gewerkschaften in Kolumbien von den Todesschwadronen so massiv unter Druck gesetzt werden, daß sich kaum jemand traut, öffentlich Stellung zu beziehen. Nur wenn paramilitärische Angriffe wirklich ausgeschlossen sind, könnte eine derartige Konvention funktionieren. Das ist der Grund, warum der Sicherheitsfrage eine so große Bedeutung zukommt.

Die „Santa Ana“-Methode

Die Regierung Pastrana, die schon für die Übergabe von Gebieten im Süden des Landes an die revolutionären FARC massive Schelte aus den USA bezogen hatte, wollte sich auf eine neuerliche Räumung nicht einlassen. Stattdessen schlug sie die sogenannte „Santa Ana“-Methode vor, die vor zwei Jahren bei der Übergabe von entführten OAS-Mitarbeitern angewandt worden war. Danach soll die Armee in der Nähe des Konferenzortes bleiben und nur für die Dauer des Treffens ihre Operationen einstellen. Armeekommandant Tapias Stahelin bekräftigte, daß seine Truppen die Konvention zu schützen bereit seien.
Zahlreiche potentielle Konventionsteilnehmer dürften allerdings genau das befürchten. Erst im vergangenen September hatte Präsident Pastrana 10.000 protestierenden Bauern aus der Provinz Bolívar ganz ähnliche Zusagen gemacht. Kaum war ein Abkommen unterzeichnet, verstärkte die Armee ihre Präsenz in der betroffenen Region und massakrierte in Kooperation mit Paramilitärs mindestens 100 Bauern. In San Pablo, das als Konventionsort im Gespräch war, erschossen Uniformierte Anfang des Jahres unter den Augen der Soldaten 14 Jugendliche in einem Billardsalon.
Ähnlich sind die Erfahrungen auch in San Carlos im Departement Antioquia, wo im Oktober ein Vortreffen für die Nationalkonvention stattfand. Wenige Tage nach dem feierlichen Akt besetzten Paramilitärs ebenfalls mit Rückendeckung der örtlichen Armeeeinheit die Stadt und töteten 50 Personen. Und schließlich kam es sogar bei der zitierten Übergabe in Santa Ana 1997 zu einem schweren Zwischenfall. Ein Armee-Hubschrauber simulierte damals einen Angriff und löste fast eine bewaffnete Konfrontation aus. „Die Santa Ana-Methode ist für die Konvention keine brauchbare Lösung“, sagte ein deutlich verstimmter Antonio García nach den Gesprächen in Venezuela.
Den Meinungsverschiedenheiten vorausgegangen waren Militäroperationen gegen das ELN in den Departements Bolívar und Antioquia und Medienberichte über eine Schwächung der Guerilla. Die konzertierte Aktion von Paramilitärs und Armee habe den ELN wenigstens teilweise aus einer ihrer Hochburgen, der Serranía San Lucas, vertrieben, hieß es. Offensichtlich war die Regierung Pastrana nach den Zeitungsartikeln davon überzeugt, der Organisation weniger Zugeständnisse machen zu müssen als den FARC, deren militärische Macht so groß wie noch nie scheint.

Wenig Bereitschaft zu Kompromissen

Nach dem Abbruch der Gespräche wurden beide Seiten wegen ihres Verhaltens öffentlich kritisiert. Generalstaatsanwalt Bernal, der in Mainz Sprecher der Vorbereitungsgruppe war, wies darauf hin, daß eine Räumung von Gebieten nicht vereinbart worden sei und deshalb nun vom ELN nicht als Vorbedingung genannt werden könne. Demgegenüber erklärte eine Gruppe Abgeordneter aus der Provinz Santander ebenso wie der vom venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez benannte Vermittler Muller, daß die kolumbianische Regierung mehr Kompromißbereitschaft hätte zeigen müssen. Es sei nicht begreiflich warum man dem ELN etwas verweigere, was man den FARC zugestehe.
Allem Anschein nach wird die geplante Konvention nun im Ausland stattfinden müssen. Im Gespräch dafür sind Schweden, Norwegen, Spanien, Deutschland, Puerto Rico und Venezuela. ELN-Chef Nicolas Bautista stellte jedoch klar, daß die Regierung zu dieser Konvention nicht eingeladen sein werde. Ungeklärt ist auch, wie die Teilnahme von Basisorganisationen gewährleistet werden kann.
Auch der Friedensprozeß mit den FARC steckt in einer schweren Krise. Die Anfang Januar in San Vicente de Caguán aufgenommenen Gespräche sind bis April auf Eis gelegt. Die FARC verlangten beim letzten Zusammentreffen mit Victor Ricardo von der Regierung entschlossene Maßnahmen gegen die Paramilitärs und legten eine Liste von aktiven Paramilitärs vor. Unter diesen sind auch zehn hochrangige Offiziere, die nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen beste Verbindungen zum Drogenhändler und Paramilitärkommandanten Carlos Castaño besitzen sollen. Ob die Räumung der Gebiete im Süden des Landes bis über den Mai hinaus fortbestehen wird, steht in den Sternen. Es ist jedoch ziemlich wahrscheinlich, daß die angekündigte Re-Militarisierung ein Ende der Gespräche bedeuten würde.

Internationalisierter Konflikt

Als ob diese Entwicklung nicht beunruhigend genug wäre, geht an den kolumbianischen Grenzen das Säbelrasseln weiter. Unmittelbar nach einer Reise nach Washington ließ der peruanische Präsident Fujimori Armeeeinheiten ins Amazonasgebiet verlegen, um der kolumbianischen Guerilla Versorgungswege abzuschneiden. Nach Angaben der liberalen Tageszeitung El Espectador hat die Clinton-Administration auch auf Panama, Ecuador und Brasilien Druck ausgeübt, um – wie es in einer Pentagon-Studie heißt – „auf die von Kolumbien ausgehende wachsende Instabilität in der Region zu reagieren“. Die Beilegung der Grenzstreitigkeiten zwischen Ecuador und Peru sei, so El Espectador, von Washington forciert worden, um Truppen beider für den Einsatz an der kolumbianischen Grenze frei zu bekommen.
Der kolumbianische Verteidigungsminister Rodrigo Lloreda zeigte für die Maßnahmen des südlichen Nachbarn jedoch vollstes Verstädnis. „Wenn ich Fujimori wäre, würde ich das gleiche tun“, sagte Lloreda in einem Interview mit El Espectador und wies darauf hin, daß auf dem amerikanischen Militärgipfel im vergangenen Dezember in Cartagena ein derartiges Vorgehen besprochen worden sei. Immer wieder betonte Lloreda in den letzten Tagen die Existenz eines „Plans B“, der in Kraft trete, wenn die Verhandlungen scheiterten.
Was das bedeutet, ist nicht schwer auszumalen: Im Augenblick wird ein neues Bataillon mit 1000 Berufssoldaten aufgebaut, das von US-Offizieren mitkommandiert wird und bis Mitte des Jahres in den Provinzen Guaviare und Meta einsatzfähig sein soll. Die Elite-Einheit soll offiziell den Drogenanbau bekämpfen, wird aber in Wirklichkeit eher dazu dienen, das Hauptquartier der FARC in die Zange zu nehmen. Alle Zeichen stehen auf Sturm.

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