Gender | Nummer 194/195 - Juli/August 1990

Folter gegen Frauen in El Salvador

Verletzungen der Menschenrechte und Gewalt werden von Herrschenden als Mittel eingesetzt, um ihre Herrschaft zu sichern. Dazu scheuen die Folterer keine Mühe, sich immer wieder neue Grausamkeiten einfallen zu lassen. Folter hat immer auch mit sexueller Gewalt und Erniedrigung zu tun, aber Frauen erleben diese Gewalt noch stärker als Männer. Zum Haß der Peiniger gegen politisch Andersdenkende kommt hier noch das spezifische Mann-Frau-Herrschaftsverhältnis ins Spiel. Männer meinen, die Frau beherrschen zu müssen, die sich erlaubt, aus der ihr von der Gesellschaft zugestandenen typisch weiblichen Rolle abzuweichen; da sie nun nicht mehr dem Bild der Jungfrau, Ehefrau, Schwester entspricht, gilt sie für ihn als Hure und somit als Freiwild. Daraus leitet er für sich das Recht ab, die Frau züchtigen, demütigen, beherrschen zu können. Von Frauen wird sexuelle Gewalt als höchste Form der Erniedrigung und nahezu Vernichtung ihrer Persönlichkeit erlebt.
Im folgenden Artikel möchte ich über Luz aus El Salvador berichten, die ich im Oktober 1987 im Frauengefängnis Ilopango besuchte. Die Situation in El Salvador und in den Gefängnissen hat sich seitdem verändert, daher soll der Artikel nicht als Beschreibung für die Lage der derzeitigen politischen Gefangenen gewertet werden, sondern als zeitloses und allgemeingültiges Beispiel für die besondere Art von Gewalt, der Frauen als politische Gefangene ausgesetzt sind.

Lisa Luger

Ein Besuch im Frauengefängnis in Ilopango

Nachdem ich am Eingang des Gefängnisses meinen Paß abgegeben und die Durchsu­chung überstanden hatte, konnte ich ins Frauengefängnis durchgehen. Zuerst kommt frau zu den “Comunes”, den allgemeinen Gefangenen, wo wie immer Sonntagnach­mittags ein buntes Treiben war, denn viele Frauen hatten Besuch von ihren Fami­lien bekommen. Ein paar Schritte weiter konnte man auf der linken Seite schon von weitem die Fahnen der FMLN und Transparente von COPPES, dem Komitee der poli­tischen Gefangenen in Salvador, sehen und die Transparente wiesen den Weg zu den politischen Gefangenen unter den Frauen. Diese sind in einem extra Trakt un­tergebracht und – da ihr Haus durch das Erdbeben beschädigt worden war und noch nicht wieder repariert ist – sind die Frauen auf einem freien Gelände etwas abseits in Zelten vom Roten Kreuz untergebracht. Zur Zeit meines Besuchs lebten 13 Frauen und zwei Kinder da. Manchmal waren es auch schon über 40 mit vielen Kindern, dann wurde es allerdings eng. Zwar konnten die Frauen in ihrem Gefäng­nis nicht soviele Freiheiten erkämpfen, wie die politischen Gefangenen im Männer­gefängnis Mariona, trotzdem haben sie einiges erreicht: Vom Wachpersonal hat kei­ner (außer der obersten Leitung) das Recht, den Fuß in das Gebiet im Gefängnis setzen, wo die politischen Gefangenen untergebracht sind. Nachts halten die Frauen abwechselnd Wache, um Vergewaltigungen abwehren zu können. Seit dem Erdbeben 1986 ist das Gelände nicht mehr so gut von außen kontrollierbar, die Wachtürme sind etwas abseits. Trotzdem besteht keinerlei Gefahr, daß Frauen ausbrechen, da sie nirgends so sicher sind (z.B. vor der Policia Nacional) wie hier im Gefängnis.
Den Tag verbringen sie zum Beispiel mit Arbeiten in der eigenen Schneiderei, Blu­sen und bestickte Tischdecken werden verkauft, der Erlös fließt COPPES zu. Da das Gefängnisessen dürftigst und ungenießbar ist, haben die Frauen zur Selbsthilfe ge­griffen: Sie konnten innerhalb des Gefängnisses ein kleines Stück Land bekommen, wo sie Mais und Bohnen und Gemüse anbauen und auch einige Ziegen haben. Das Gemüse ist zum Eigenbedarf, aber sie verkaufen auch an die Frauen aus dem all­gemeinen Trakt. Auch einen Laden mit den wichtigsten Dingen, wie Teebeutel, Clopapier, Kerzen etc. gibt es. Die Versorgung, kochen, putzen wird gemeinschaft­lich organisiert.
Die Gemeinschaft ist hier sehr wichtig. Alle Frauen, die als politische Gefangene in Ilopango sind, haben schlimmes mitgemacht. So zum Beispiel Luz: Sie wurde unter dem Verdacht, mit der FMLN kooperiert zu haben festgenommen. Dann durchlief sie zehn fürchterliche Tage in der Policía de Hacienda, wo sie verhört und gefoltert wurde. Zusätzlich zu dem, was bei politischen Gefangenen an Verhör- und Folter­methoden üblich ist, kommt bei Frauen immer noch die sexistische Komponente mit hinzu. Das bedeutet, daß die männlichen Folterer an den Frauen ihre unterdrückten sexuellen Agressionen und Fantasien ausleben. Luz wurde stets nackt zum Verhör vorgeführt. Sie hatte permanent die Augen verbunden, um ihre Peiniger nicht er­kennen zu können. Sie drohten, ihr einen mit Stacheldraht umwickelten Stock in die Vagina zu schieben, wenn sie nicht aussagen würde. Sie konnte schon die Sta­cheln spüren, die sich in den Härchen verfingen. Einer der Männer fuhr ihr mit seinem stinkenden Penis im Gesicht herum. Doch nicht genug. Sie gaben ihr Sprit­zen und Infusionen, die sie schwindlich und schwach machten. So konnte sie sich nicht wehren, wenn sie nach den Verhören nachts in ihrer Zelle vergewaltigt wurde, mehrere Nächte lang von insgesamt 14 Männern, immer wieder. Sie bekam schwere Blutungen und war so schwach, daß sie nicht aufstehen konnte. Im Roll­stuhl wurde sie in den Gerichtssaal gefahren, wo sie – da ihr Zustand offensicht­lich war – gefragt wurde, ob sie gefoltert worden sei. Erst nachdem sie sich ver­gewissert hatte, daß sie nicht mehr zu ihren Peinigern in der Policia de Hacienda zurück mußte, sondern ins Frauengefängnis nach Ilopango gebracht werden sollte, sagte sie aus. Anschließend wurde sie wieder ins Auto gebracht und der Wagen fuhr dieselbe Strecke zurück zur Policia de Hacienda, bog dann aber kurz vorher ab. Sie konnte in einem anderen Gebäude der Gerichtsbarkeit übernachten, bevor sie am nächsten Tag endgültig nach Ilopango gebracht wurde. Die Wärterin in die­sem vorläufigen Gefängnis versprach ihr, aufzupassen, daß in dieser Nacht kein Mann in ihre Zelle gelangen konnte. Doch sicher fühlte sich erst in Ilopango bei ihren Companeras, die nachts immer Wache schieben.
Durch die Gemeinsamkeit und die Gespräche mit den Frauen, die alle ähnliche Er­fahrungen machen mußten, hofft sie, die schrecklichen Erlebnisse verarbeiten zu können. Die Vergewaltigungen und Erniedrigung haben viel bei ihr kaputt gemacht und sie psychisch ziemlich zerstört. Sie hofft, daß ihr Companero, der mit ihrer acht Monate alten Tochter ins Ausland geflüchtet ist, wenn sie wieder zusammen sein sollten, Verständnis für sie hat und es ihr nicht ergeht, wie andere Frauen, deren Männer sie nach einer Vergewaltigung ablehnen.
Ihr ist klar, daß diese erlittene Schmach der sexuellen Gewalt eine politische Ge­walt ist, die auf Demütigung und psychische Vernichtung politischer GegnerInnen abzielt und zur Aufrechterhaltung der Herrschaftsverhältnisse dient. Doch macht ihr diese Erkenntnis die Verarbeitung des Erlebten nicht wesentlich leichter.

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