// GANZ EHRLICH
„Ich sage mal ganz ehrlich, diese schwarz gekleideten Inszenierungen bei verschiedenen Veranstaltungen von immer den gleichen Leuten erinnern mich an eine Zeit, die lange zurückliegt und Gott sei Dank,” erklärte Olaf Scholz von der Bühne des Kirchtages Ende Mai, nachdem zwei Umweltaktivist*innen es gewagt hatten, seine Rede zum Ausstieg aus der Kohleverstromung zu stören.
Nicht erst damit wird klar, wie leer und heuchlerisch seine Versprechungen und Inszenierung als „Klimakanzler” waren und sind, das zeigt die miserable Klimabilanz der Regierung. Nun aber diskreditiert derselbe Kanzler auch die Klimakrise als Ideologie und diejenigen, die sich für Klimagerechtigkeit einsetzen, als von Eigeninteressen geleitete Extremist*innen. Nicht verwunderlich daher, dass auch in Deutschland die Repression gegen Klimaaktivist*innen und deren Kriminalisierung steigt, das haben zuletzt die Verhaftungen im Zusammenhang mit der Räumung des Dannenröder Forsts und die Millionenklagen von RWE gegen Anti-Kohle-Aktivist*innen gezeigt.
In Lateinamerika sieht die Repression gegen Umweltaktivist*innen noch viel düsterer aus. Dort ist Umweltschutz buchstäblich lebensgefährlich und endet für viel zu viele Aktivist*innen tödlich. Fast drei Viertel der Morde an Umweltaktivist*innen weltweit finden in Lateinamerika statt, die meisten in Kolumbien, darauf folgen – mit großem Abstand – Mexiko, Brasilien und Honduras. Die NGO Global Witness berichtet von 227 ermordeten Umweltaktivist*innen im Jahr 2020, 65 davon allein in Kolumbien. Die meisten der ermordeten Aktivist*innen hatten sich gegen Abholzung durch Forstunternehmen zur Wehr gesetzt, ein Drittel der Opfer waren Indigene. Die Zahl derer, die aufgrund ihres Engagements schikaniert, bedroht, verhaftet oder entlassen wurden, ist weitaus höher. Und nicht nur das Leben der Umweltaktivist*innen steht auf dem Spiel, sondern das ganzer Communities und Ökosysteme. Internationale Unternehmen, auch aus Deutschland, zerstören aus Profitgier in Lateinamerika komplette Regionen – mit fatalen Folgen für das Klima. Sie betreiben Tagebaue, holzen Wälder ab, vertreiben Menschen oder beuten sie als billige Arbeitskräfte aus, verseuchen Grundwasser, tragen zur Versandung, Verwüstung, fehlenden CO2-Speichern und Dezimierung der Artenvielfalt bei.
Gleichzeitig werden diejenigen, die sich vor Ort gegen diese Zerstörung wehren, als „Feind*innen der Entwicklung” dargestellt, wie es der honduranische Umweltaktivist Joaquín A. Mejía ausdrückt, und damit als störende Elemente eines „Fortschritts”, der auf extraktivistischen und neokolonialen Strukturen beruht. Von dieser Art des Fortschritts, der von vielen lateinamerikanischen Regierungen propagiert wird, profitieren neben den internationalen Konzernen auch die Politiker*innen des Globalen Nordens, die die schmutzige Ressourcenausbeutung für die Energiewende in weit entfernte Regionen auslagern können. Auf diese Weise müssen sie sich mit Lösungen für die Klimakrise, die eine Abkehr vom ewigen Wirtschaftswachstums erfordern würde, gar nicht erst beschäftigen. Doch gerade indigene Umweltaktivist*innen sind es, die bereits jetzt vorleben, dass es auch anders geht.
Nicht nur deswegen ist der notwendige und legitime Protest von Umwelt- und Klimaaktivist*innen weltweit gegen die Zerstörung unserer aller Lebensgrundlagen ebenso unbeliebt bei Politik und Wirtschaft wie die Fakten über die Klimakrise selbst. Die peinliche Diskreditierung und Einschüchterung der Aktivist*innen im Falle von Scholz soll dazu dienen, von deren Botschaft abzulenken, die klar macht, dass mit den bisher geplanten Maßnahmen der Bundesregierung die selbst gesteckten Klimaziele nicht erreicht werden. Ganz ehrlich, so lässt sich die Klimakatastrophe nicht aufhalten.