Nummer 339/340 - Sept./Okt. 2002 | Peru

Goldabbau in Peru

Gold für wenige oder Boden, Wasser und Landwirtschaft für viele

Peru erlebt seit den frühen 90ern einen Boom im Bergbau-Sektor. Der Goldbergbau spielt dabei eine besondere Rolle. Er ist ökonomisch wichtig aber auch für die Zerstörung von Umwelt und Lebensgrundlagen verantwortlich. Neben der Mine Yanacocha sind weitere Goldprojekte in Planung. Mittlerweile machen die Bergbau-KritikerInnen verstärkt Druck, um eine andere Bergbaupolitik der Regierung zu erreichen.

Uli Müller

Am 8. Juli 2002 kamen Indígenas und KleinbäuerInnen aus ganz Peru in drei Demonstrationszügen in der Hauptstadt Lima an. Sie protestierten gegen die Politik der Regierung, die dem Bergbau Vorrang vor der Landwirtschaft einräumt und die Betroffenen nicht in die Planungen und Entscheidungen über Minenprojekte einbezieht. Unter dem Motto „Leben, Land und Wasser“ forderten sie von der Regierung, dass die Dorfgemeinschaften bei allen Bergbauprojekten konsultiert werden. Jede Entscheidung der Weltbank für Bergbauprojekte, die ohne die Zustimmung der AnwohnerInnen getroffen wurde, sollte sofort gestoppt werden.
Organisiert hatte die Proteste Conacami, die 1999 gegründete nationale Koordination der Bergbaugeschädigten Perus. Conacami setzt sich für die Respektierung des Rechts auf Leben, auf Boden, auf die natürlichen Ressourcen und für die Beteiligung der betroffenen Menschen ein.
Die peruanische Regierung akzeptierte nach den Protesten die Forderung der Bergbau-KritikerInnen, eine neue Bergbau-Kommission bestehend aus Regierung, Unternehmen und betroffenen Dorfgemeinschaften einzusetzen. Nun soll die Kommission die sozialen Konflikte lösen, die der Bergbau in Peru ausgelöst hat.

Bergbau-Boom in Peru

Seit der Privatisierung des Bergbausektors in den frühen 90ern erlebt Peru einen Bergbau-Boom, vor allem im Goldtagebau. Von 1992 bis 1997 hat sich das Volumen des abgebauten Gesteins von 30.000 auf 100.000 Tonnen pro Tag verdreifacht. Dabei werden sogar Erze mit geringsten Gold-spuren abgebaut, wie beispielsweise in Yanacocha, wo knapp zwei Gramm Gold pro Tonne Gestein gewonnen werden. Immer mehr Land wird für die Erkundung und den Abbau von Erzen freigegeben. Von den 5.680 Gemeinden Perus sind für 3.326 Bergbaulizenzen vergeben, in der Regel ohne dass die Einheimischen konsultiert wurden.
Heute kommen 52 Prozent der Deviseneinnahmen Perus aus dem Bergbau. Entsprechend einem Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) werden diese Einnahmen vorwiegend für den Schuldendienst verwendet. Den wirtschaftlichen Erfolgszahlen stehen die Umweltzerstörung und die Vernichtung der Existenzgrundlagen vor Ort gegenüber. Bergbau ist nicht nachhaltig, weder ökologisch noch ökonomisch. Der Boom in Peru geht auf Kosten der Landwirtschaft und der Umwelt.
Die neuen großen Goldminen arbeiten im Tagebau. Große Mengen Gestein werden in offenen Minen abgesprengt oder durch Bohren freigelegt. Das Erz wird gemahlen und mit Zyanidlauge überträufelt, die Gold und Silber, aber auch Schwermetalle wie Quecksilber, Arsen, Cadmium, Uran und Blei, aus dem Gestein löst.

Einseitige Förderung des Bergbaus

Die Regierung Fujimori betrieb eine aggressive Förderung des Bergbaus. Peru hat im Einklang mit den Vorstellungen des IWF und der Weltbank eine neoliberal ausgerichtete, investorenfreundliche Gesetzgebung für den Bergbau entwickelt. Der Erwerb von Land und Wasser wurde erleichtert, unter Missachtung der Eigentumsrechte der Gemeinden. Die Regierung gewährt dem Bergbau zahlreiche finanzielle Erleichterungen.
Diese Politik wird von der heutigen Regierung unter Präsident Toledo fortgesetzt. Bergbau-Minister Quijandria erklärte, dass Peru nach Toledos Vorstellungen weltweit einer der Hauptexporteure von mineralischen Rohstoffen werden soll.
Über das Ministerium für Bergbau und Energie ist der Staat selbst Eigentümer oder Aktionär von Bergbauunternehmen, reguliert die Bergbau-Politik und soll die Einhaltung von Umweltnormen kontrollieren. Zugleich ist er Förderer von Bergbau-Investitionen. Interessenkonflikte des Staates sind unübersehbar. Eine Institution, die die Tätigkeit des Ministeriums für Bergbau und Energie selbst überwacht und die Rechte und Interessen der betroffenen Gemeinden effektiv schützen könnte, existiert nicht.

Yanacocha – Beispiel für die gravierenden Folgen des Goldabbaus

Yanacocha ist die größte Goldmine in Peru und die zweitgrößte der Welt. Zu 51 Prozent gehört sie dem US-amerikanischen Bergbaukonzern Newmont und zu 43 Prozent einem Tochterunternehmen der peruanischen Firma Minas Benaventura. 5 Prozent der Anteile hält die Weltbank-Tochter IFC. Yanacocha liefert rund 40 Prozent des neu gewonnenen Goldes in Peru. 2001 waren es etwa 60 Tonnen mit einem Gesamtwert von 514 Millionen US-Dollar. Jährlich wirft die Mine einen Nettogewinn von schätzungsweise 200 Millionen US-Dollar ab. Für die BäuerInnen brachte Yanacocha dagegen massive Probleme. Viele wurden von ihrem Land vertrieben oder traten es unter Drohungen ohne angemessene Entschädigung ab. Angestellte der Mine behaupteten, die BäuerInnen könnten nach einigen Jahren wieder auf ihr Land zurück. Dass eine Goldmine im Tagebau die ganze Gegend zerstört und die Landwirtschaft stark beeinträchtigt, wurde nicht erwähnt. Insbesondere die Verschmutzung und Verknappung von Wasser ist ein großes Problem. Die säurehaltigen Abwässer der Mine Yanacocha werden direkt in die Flüsse eingeleitet. Das Flusswasser ist extrem übersäuert und enthält Arsen und Quecksilber. Diese Schwermetalle schädigen die Forellenzucht, die von vielen AnwohnerInnen des umliegenden Tals betrieben wird.
Am 2. Juni 2000 vergifteten rund 150 Kilogramm Quecksilber, die aus der Mine Yanacocha abtransportiert wurden, die Ortschaften Choropampa, Magdalena und San Juan. Luis Vittor Arzapalo von Conacami berichtete im Juni auf einem Symposium von FoodFirst Informations- & AktionsNetzwerk (FIAN) und dem Zentralverband der Deutschen Goldschmiede in Bonn über diesen Unfall. Zahlreiche EinwohnerInnen fanden und sammelten das Quecksilber. Einige nahmen es mit, in der Hoffnung darin Gold zu finden. Auf den Straßen spielten die Kinder in Quecksilber-Pfützen. Erst am nächsten Tag wurden die BewohnerInnen informiert. Die Bergbaugesellschaft beauftragte dasselbe Transportunternehmen mit den Aufräumarbeiten. Dieses wiederum bezahlte Leute aus den Dörfern dafür, das Quecksilber zu beseitigen – ohne Schutzkleidungen.

Tambogrande – Gold für wenige oder Landwirtschaft für viele

Tambogrande liegt im San Lorenzo Tal, einer landwirtschaftlichen Oase im Norden Perus. Auf 57.000 Hektar wird Landwirtschaft betrieben, 42.000 Hektar werden künstlich bewässert. Zitronen, Mangos, Baumwolle, Mais und Reis werden hier angebaut. Die Armutsrate liegt unter dem Landesdurchschnitt von 50 Prozent – dank der erfolgreichen Landwirtschaft. 1999 wurde in Tambogrande Gold entdeckt. Das kanadische Unternehmen Manhattan Minerals Corporation bekam von der Regierung Fujimori das Recht, Gold und weitere Mineralien dort abzubauen, mit einer 25-prozentigen Beteiligung der Regierung.
Nun soll das Gold im Tagebau abgebaut werden. Etwa 65.000 Menschen müssten gegen ihren Willen umgesiedelt werden. Die Mine würde die Landwirtschaft zerstören, die Wasservorkommen verbrauchen und vergiften. Die bisherige Lebensgrundlage der Menschen würde zerstört, ohne Perspektiven auf eine neue. Denn die Mine wird nur wenig Personal beschäftigen, schätzungsweise 600 Menschen, in der Mehrheit Fachleute von außerhalb. Das Bergbau-Ministerium meint dagegen, dass in Tambogrande Tagebau und Landwirtschaft gleichzeitig möglich seien. Nach den Erfahrungen, wie Goldtagebau die Landwirtschaft und Wasserressourcen schädigt, ist das sehr unwahrscheinlich – wie das Beispiel Yanacocha zeigt.
In Tambogrande wachsen seit der Erteilung der Minenlizenz die sozialen Konflikte. Das Bergbauunternehmen setzte die BäuerInnen unter Druck und behauptete, sie würden von der Regierung enteignet und vertrieben, wenn sie ihr Land nicht verkauften.
Die Basisorganisation Frente de Defensa de Tambogrande wehrt sich seit 1999 gegen die Goldmine. Sie setzt sich für die Rechte der Menschen und den Vorrang der Landwirtschaft ein. Unterstützt wird sie von Conacami und internationalen Nichtregierungsorganisationen. Die Bergbau-KritikerInnen werden von der Minengesellschaft und staatlichen Stellen unter Druck gesetzt. Immer wieder erhalten sie Morddrohungen. Im März 2001 wurde der Ingenieur Godofredo Garcia ermordet. Er beriet die Frente de Defensa de Tambogrande und war Präsident der Bauerngewerkschaft der Mangoproduzenten. Der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.
Tambogrande wird von vielen als entscheidender Musterfall gesehen. Hier wird sich zeigen, ob nach den Protesten und der Einrichtung der neuen Bergbau-Kommission neue Wege gegangen werden und die Regierung ernst macht mit der Beteiligung der Betroffenen. Bereits im Juni 2002 fand hier eine Volksbefragung statt: Bei einer Wahlbeteiligung von 73 Prozent sagten 94 Prozent der Menschen Nein zum Goldbergbau. Nur 1,3 Prozent stimmten mit Ja. Aber die Volksbefragung hat keine verpflichtende Wirkung. Sie ist nicht als Instrument vorgesehen, sondern wurde von den Leuten vor Ort zusammen mit internationalen Beobachtern als Ausdruck ihrer Ablehnung organisiert.

Weitere Informationsquellen:
Conacami berichtet unter www.conacamiperu.org auf Spanisch über ihre Arbeit.
Unter www.globalminingcampaign.org/theminingnews.htm finden sich englische Informationen von bergbau-kritischen Organisationen aus aller Welt. Tambogrande ist eine der präsentierten Fallstudien.

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