El Salvador | Nummer 385/386 - Juli/August 2006

Goldrausch in El Salvador

Der Boom des Bergbaus hat Folgen

In der derzeitigen Auseinandersetzung zwischen Regierung, lokalen Initiativen und Großkonzernen um die Erteilung von Konzessionen zum Abbau von Edelmetallen steht für ganz El Salvador viel auf dem Spiel.

Benjamin Badura

Der Konflikt ist typisch für Lateinamerika. Angespornt von den hohen Weltmarktpreisen für Edelmetalle schwärmen derzeit die Bergbau-ExpertInnen von Großunternehmen wie Pacific-Rim und Martinique Minerals in El Salvador aus, um selbst noch die kleinsten Gold-, Kupfer- oder Silbervorkommen zur Ausbeutung auszuspähen.
Schon seit längerem formiert sich dagegen der Widerstand in den betroffenen Gemeinden und Regionen. VertreterInnen lokaler Regierungen, verschiedener Nichtregierungsorganisationen (NROs), der Kirche und Bürgerinitiativen setzen sich gegen die Ausbeutung und Verschmutzung ihres Landes zur Wehr. Mitte Juni haben sich Hunderte von ihnen vor der Abgeordnetenversammlung in San Salvador zu einer Demonstration versammelt. Zweck der Kundgebung war die Forderung, sämtliche Aktivitäten der Bergbauunternehmen in den betroffenen Regionen zu verbieten. „Hier in Chalatenango haben wir schon immer um unser Leben und unsere Würde kämpfen müssen“, so Félix Moises Lara, der Bürgermeister der Gemeinde San José Las Flores, in deren Umgebung das kanadische Unternehmen Martinique Minerals Schürfungsrechte von der Regierung zu erwerben versucht. „Wir werden nicht zulassen, dass diese Unternehmen unser Land zerstören, für das wir einen so hohen Blutzoll entrichtet haben“, so Lara weiter. Chalatenango gehörte zur Zeit des Bürgerkrieges zu einem der am härtesten umkämpften Gebiete und galt als Hochburg der Guerilla. Aber nicht nur Chalatenango, sondern auch acht weitere der insgesamt 14 Departements El Salvadors sind betroffen. Die zu erwartenden Schäden, die der Umwelt durch den Abbau der Edelmetalle zugefügt werden, beschränken sich allerdings nicht auf die Abbaugebiete, sondern erstrecken sich auf das ganze Land.

Gefahr für das ökologische Gleichgewicht

Eine kürzlich von CEICOM (Informationszentrum über Investitionen und Handel in Zentralamerika) im Auftrag der Heinrich Böll Stiftung erarbeitete Studie verdeutlicht das gesamte Ausmaß der geplanten Projekte. Aktuell liegen der Regierung nicht weniger als 36 Anfragen für die Exploration edelmetallhaltiger Lagerstätten in El Salvador vor. Die Vorhaben konzentrieren sich allesamt auf den Norden des Landes und dort insbesondere auf die Flussbecken des Río Lempa, des Río Grande de San Miguel und des Río Guascorán. Die Nähe zu den drei wichtigsten Flüssen El Salvadors kommt nicht von ungefähr, benötigt die Edelmetallförderung doch Unmengen Wasser. Nach Schätzungen von CEICOM liegt der mittlere Verbrauch einer Förderanlage von Pacific Rim bei 328 Millionen Litern pro Jahr. Bei einer Laufzeit von rund sechs Jahren und 36 Anlagen im ganzen Land summiert sich der Wasserverbrauch der Bergbauunternehmen also auf Abermilliarden von Litern. Zwar sind die Unternehmen verpflichtet, das verbrauchte Wasser wieder in die Flussbecken einmünden zu lassen, jedoch existieren keinerlei Aufsichts- oder Kontrollpflichten über Vorkehrungen oder die Einrichtung von Anlagen für die angemessene Wiederaufbereitung der kostbaren Ressource. Diese wird während des Förderprozesses mit einer Reihe von Schwermetallen belastet. Darunter fallen hochgiftige Stoffe wie Zyanid, Arsen, Cadmium und Blei, die zur Lösung der Edelmetalle aus der Erde verwendet werden. „Die Bergbauprojekte bedrohen die salvadorianischen Wasserressourcen in einer Weise, die das gesamte Ökosystem und das menschliche Überleben aufs Spiel setzen“, so der Bericht. „Uns droht hier die Verunreinigung der Flüsse Sumpul und Lempa und außerdem die Zerstörung der Wälder und der kultivierbaren Flächen“, betont Santiago Serrano, Präsident der Bürgerinitiative CCR aus Chalatenango, „der Bergbau ist unvereinbar mit der landwirtschaftlichen Nutzung und dem Fremdenverkehr, den wir hier anregen wollen“.

Fehlende Nachhaltigkeit

Inzwischen hat sich auch die UNO-Menschenrechtsvertretung in El Salvador zu dem Thema geäußert. Yanira Cortez, die Menschenrechtsombudsfrau für Umweltfragen meinte dazu in der linken Tageszeitung Diario Colatino: “Der Bergbau verletzt das Menschenrecht auf eine intakte Umwelt und ist ein Attentat auf die Integrität der gegenwärtigen und zukünftigen Generationen”. Zudem mißachte der salvadorianische Staat mit der Erteilung von Bergbaukonzessionen von ihm freiwillig eingegangene Verpflichtungen im Bereich des internationalen Umweltrechts. Der Staat sei angehalten, hier präventiv tätig zu werden. Dass es mit der Nachhaltigkeit der Vorhaben nicht zum Besten bestellt ist, geht auch aus dem bereits zitierten CEICOM-Bericht hervor. Nicht nur die zu erwartenden irreparablen Umweltschäden und die daraus resultierende Verunmöglichung einer alternativen Nutzung der Wasserressourcen durch die ländliche Bevölkerung bereiten Sorgen, sondern auch das Ausbleiben jeglicher Entwicklungsimpulse für die betroffenen Regionen: „Welcher Art der lokale Nutzen dieser wirtschaftlichen Aktivitäten auch sein mag, er verblasst vor den verursachten Verwüstungen, die diese anrichten“, heißt es dazu.
Ein erhebliches Defizit liegt in der geltenden Gesetzgebung zur Regulierung des Bergbaus, die noch aus dem Jahre 1922 stammt. Weder ist dort die Aufsichtspflicht des Staates in ausreichender Weise aufgeführt, noch wird dieser für die Veräußerung öffentlicher Güter für die private Nutzung in angemessener Weise entschädigt.

Öffentliche Ausgaben, private Gewinne

Lediglich ein Prozent der Unternehmensgewinne stehen den Gemeinden zu, auf deren Territorium die Arbeiten durchgeführt werden. Ein weiteres Prozent geht an die Zentralregierung. Für die Vergabe der Konzessionen erhebt die Regierung derzeit je nach beantragter Laufzeit gerade einmal eine Lizenzgebühr von 25 bis 300 US-Dollar pro Quadratkilometer. Nach Berechnungen von CEICOM erhält der Staat im ersten Jahr pro Projekt also gerade einmal 1.250 US-Dollar. „Die zu erwartenden öffentlichen Einnahmen decken in keiner Weise die auf den Staat in Form von Maßnahmen zum Schutze der Umwelt in den Regionen anfallenden Kosten“, so CEICOM. Etwas anders gestalten sich die Profitaussichten der Konzerne: „Die Berechnungen der Bergbauunternehmen sehen Förderkosten von 160 US-Dollar je Unze vor und die Unze Gold liegt aktuell bei rund 776 US-Dollar. Man braucht nicht übermäßig intelligent zu sein um zu sehen, was für einen Gewinn das für sie verheißt“, sagt René Luarca, Bergbauspezialist der Vereinigung für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (ADES).

Charmeoffensive der Konzerne

Gänzlich unbeeindruckt von solchen Schätzungen gibt sich die PR-Frau von Pacific Rim, Elizabeth García: „Ziel der Projekte ist es, den Leuten hier höhere Einkommen zu ermöglichen“. Das Unternehmen hat demnach bereits 16 Millionen US-Dollar in die Exploration des Territoriums gesteckt. Aus der Gemeinde von Las Flores wird indes gemeldet, dass die Unternehmen in der Tat das hohe Gehaltsgefälle, das zwischen ihnen und der lokalen Kooperative besteht, dahingehend ausnutzen, die Jugendlichen für die Bergbauprojekte zu gewinnen. Nach einem Bericht der kanadischen NRO MiningWatch lockt Martinique mit Tagessätzen von acht bis zwölf US-Dollar – ein Vermögen verglichen mit den lokal üblichen vier US-Dollar. Außerdem versuchen die Unternehmen unter der Hand Land aufzukaufen, wie aus einem bereits im März geführten Interview mit einem Aktivisten aus San Jose Las Flores hervorgeht. Dieser erzählt, wie eines Tages plötzlich ein Gemeindemitglied mit der Drohung beim Bürgermeister erschienen sei, sein Land Martinique Minerals zu veräußern, falls die Gemeinde es ihm nicht abkaufe.
Die Charmeoffensive der Konzerne beinhaltet auch Einladungen an FührerInnen von Bürgerinitiativen zu „offenen Gesprächen“ in teuren Hotels über den Nutzen der Projekte für die Gemeinden. „Wir haben denen unmissverständlich klar gemacht, dass nein bei uns auch nein heißt und dass wir nicht verhandeln wollen“, so der bereits zitierte Aktivist im selben Interview. Die Herausforderung für die betroffenen Gemeinden besteht nun darin, auch dem Rest des Landes die Brisanz des Themas zu vermitteln.

Der Staat haftet

Das Risiko für den salvadorianischen Staat steigt derzeit mit jedem weiteren Dollar, den die Unternehmen aufgrund von bereits erteilten Explorationslizenzen investieren, denn im Falle eines Ausbleibens der vollständigen Genehmigung könnten die Unternehmen vor internationalen Gerichten auf Schadensersatz klagen. Dabei können sich solche Klagen nicht nur auf bereits investiertes Kapital, sondern auch auf nicht erzielte Gewinne beziehen, so Andrés McKinley von OXFAM América. Nach Angaben von OXFAM wurden bereits 30 der 36 angeforderten Explorationslizenzen von der Direktion für Bergbau und Kohlenwasserstoffe im Wirtschaftsministerium vergeben. Der Widerstand konzentriert sich deshalb zur Zeit auch auf das Ministerium für Umwelt und natürliche Ressourcen, wo die Ausbeutungslizenzen in letzter Instanz von den Unternehmen anzufordern sind.
Der dort zuständige Minister Hugo Barrera äußerte sich hierauf im Diario Colatino geradezu salomonisch: „Wir werden keinerlei Lizenzen erteilen, die den derzeitigen Gesetzen zuwiderlaufen oder das natürliche Gleichgewicht der Umwelt beeinflussen.“ Um dies zu garantieren halte er sich streng an die Verfahren des Umweltrechts, obwohl auch er eingestehen musste, dass dieses in Bezug auf Kontroll- und Regulierungsmechanismen recht lückenhaft ist.

Neue Infrastrukturprojekte

Fakt ist, dass die salvadorianische Regierung auf der Seite der Unternehmen steht und sich deren Pläne zu eigen gemacht hat. Darauf deuten unter anderem der Zusammenhang zwischen den Bergbauprojekten und mehreren geplanten Infrastrukturvorhaben hin. Dazu gehört an erster Stelle der Bau der Schnellstraße Longitudinal del Norte, die „zufälligerweise“ mitten durch die vorgesehenen Abbaugebiete im Norden des Landes führt. Baubeginn ist der September dieses Jahres. Weiterhin fallen in diese Kategorie auch die Wasserkraftwerke El Cimarrón und El Chaparral, die den Bergbauunternehmen bei der Ausbeutung zugute kommen, aber verheerende Auswirkungen auf die dort lebende Bevölkerung haben.
Der lokale Widerstand geht unterdessen weiter. Nach zwölf Jahren bewaffnetem Kampf ist die Landbevölkerung El Salvadors mit mehr als genug Organisationspotential ausgestattet, um sich gegen den Ausverkauf ihres Landes zur Wehr zu setzen. Ob sich Regierung oder Unternehmen davon beeindrucken lassen ist fraglich.

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