Honduras | Nummer 442 - April 2011

Kontinuität auch mit Putschisten

Der Umsturz in Honduras hat die Beziehungen der EU zu dem mittelamerikanischen Land zu keinem Zeitpunkt beeinträchtigt

Harald Neuber

Nur wenige Monate nach dem Putsch gegen die letzte demokratisch gewählte Regierung von Honduras unter Präsident Manuel Zelaya Ende Juni 2009 setzte die Europäische Union bereits wieder auf eine „Normalisierung“ der Beziehungen. Nach außen hin zeigten sich VertreterInnen Brüssels zwar besorgt über die prekäre Menschenrechtslage in dem mittelamerikanischen Land nach dem Staatsstreich. Doch schon im November 2009 kündigten EU-DiplomatInnen eine Begleitung der Wahlen Ende desselben Monats an. Eine solche Wahlbeobachtungsmission traf vor allem in Lateinamerika auf Ablehnung, weil sie die Abstimmung unter dem Putschregime zu legitimieren drohte. Die Sorge war nicht unbegründet, wie sich seither gezeigt hat.
Kurz vor dem Urnengang, der von den PutschistInnen organisiert wurde und aus denen mit dem rechtsgerichteten Unternehmer Porfirio Lobo ein Unterstützer des Umsturzes als Sieger hervorging, hatten die VertreterInnen der EU-Mitgliedsstaaten in einer Sitzung der Brüsseler Ratsarbeitsgruppe Lateinamerika (COLAT) auf die Entsendung von EU-BeobachterInnen gedrängt. Eine solche Präsenz sei neben VertreterInnen der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und des US-amerikanischen Carter-Zentrums wichtig, gab ein beteiligter spanischer Diplomat die Debatte hinter vorgehaltener Hand wieder. Auch der US-Botschafter in Tegucigalpa, Hugo Llorens, soll nach Angaben der EU-Präsidentschaft auf eine solche Entsendung gedrängt haben. Die Forderung nach der Entsendung von WahlbeobachterInnen wurde im Rahmen der COLAT-Beratungen vor allem auch von Deutschland unterstützt. „Weisungsgemäß“, wie es in einer Depesche hieß.
Gegenüber der mexikanischen Nachrichtenagentur Notimex hatte der Zentralamerika-Beauftragte der EU, Petro Mavromichalis, eine solche Beobachtermission kurz zuvor zwar noch ausgeschlossen. Der griechische EU-Funktionär stützte sich dabei aber lediglich auf technische Gründe. Nach Angaben aus Brüssel war die Frist für die Entsendung einer vollwertigen Wahlbeobachtungsmission Mitte September 2009 abgelaufen. So blieb den Brüsseler Fachgremien nichts anderes übrig, als wenige VertreterInnen im Rahmen einer „technischen Delegation“ zu entsenden. Zudem sei aber eine „finanzielle Unterstützung von nationalen Institutionen“ möglich, sagte ein spanischer EU-Diplomat, der anonym bleiben wollte.
Bei einem Blick auf die damaligen internen Debatten in der EU zeigt sich: Die größte Sorge der Mittelamerika-Verantwortlichen nach dem Putsch gegen Zelaya war nicht die Ermordung von AktivistInnen der Demokratiebewegung und die allgemeine Zunahme von Menschenrechtsverletzungen. Im Zentrum der Debatten stand die erzwungene Aussetzung der Gespräche über ein Assoziierungsabkommen, mit dem die Durchsetzung einer neoliberalen Handelspolitik erleichtert werden soll.
Bereits im September 2009 drängten die VertreterInnen der EU-Mitgliedsstaaten im COLAT daher darauf, dass die Europäische Union die Gespräche über ein Assoziierungsabkommen mit Honduras auch unter dem Putschistenregime fortsetzt. Das Fachgremium lehnte damit die Forderung der spanischen Regierung ab, Honduras bis auf weiteres aus den Beratungen über einen Kooperationsvertrag zwischen der EU und den Staaten Zentralamerikas auszuschließen. Diese Position Spaniens wurde auch von anderen beteiligten Staatsführungen in Lateinamerika unterstützt.
Die EU und Staaten Zentralamerikas sowie der Karibik hatten im Oktober 2007 in Costa Rica Gespräche über ein Assoziierungsabkommen begonnen. Ein Vertrag zwischen beiden Regionen sollte im Jahr 2010 unterzeichnet werden und drei Bereiche umfassen: politische Themen, wirtschaftliche Kontakte und allgemeine Kooperation. Nach dem Staatsstreich gegen die Zelaya-Regierung hatte vor allem Spanien für einen Ausschluss des mittelamerikanischen Landes plädiert. Ein Dialog mit Honduras sei erst wieder möglich, wenn das Land zur demokratischen und verfassungsmäßigen Ordnung zurückgekehrt sei, hieß es von Seiten der sozialdemokratischen PSOE-Regierung. Ausdrücklich unterstützt wurde Madrid dabei von der Dominikanischen Republik, deren Staatsführung an den Gesprächen beteiligt war.
Nach damaligen Berichten der spanischen Nachrichtenagentur EFE hatten sich die COLAT-Mitglieder und auch die damalige schwedische EU-Ratspräsidentschaft früh gegen eine solche Option ausgesprochen. Laut diplomatischen Quellen sei ein Ausschluss von Honduras selbst unter dem Gewaltregime als „nicht sinnvoll“ zu erachten, berichtete die Agentur. In der Folge wurden technische Beratungen über das Assoziierungsabkommen in der Hoffnung fortgeführt, dass Honduras zur „politischen Normalität zurückkehrt“. Daran wirkte die EU zugleich nach Kräften mit: An den Beratungen zum Assoziierungsabkommen waren schon wenige Monate nach dem Putsch wieder FunktionärInnen des international isolierten Regimes von Diktator Roberto Micheletti beteiligt.
In Berlin protestierte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Thilo Hoppe damals gegen diese Entscheidung. „Die Putschisten dürfen nicht anerkannt werden, schon gar nicht als Verhandlungspartner“, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ende 2009. Auch entwicklungspolitische Organisationen begegneten der Entscheidung mit Unverständnis. Vor der COLAT-Tagung hatten die Kopenhagen-Initiative für Zentralamerika CIFCA und der kirchliche Zusammenschluss von Entwicklungsorganisationen APRODEV sogar einen Stopp der gesamten Verhandlungen gefordert. Geändert hat es wenig.
Eine der treibenden Kräfte für eine „Normalisierung“ der Beziehungen mit den PutschistInnen in Honduras war von Beginn an die rechtsliberale deutsche Bundesregierung. In offiziellen Stellungnahmen gibt sich das Auswärtige Amt besorgt über die Menschenrechtslage nach dem Putsch. So heißt es noch zu Beginn dieses Jahres in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag, die Union-FDP-Regierung habe in den Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen mit den Staaten Zentralamerikas „die Einfügung einer Menschenrechtsklausel unterstützt“. In Honduras werde die Menschenrechtslage zudem durch die deutsche Botschaft in Tegucigalpa beobachtet, schrieb der Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Martin Biesel. Auch erkenne die Bundesregierung das zentrale Bündnis der Demokratiebewegung, FNRP, als „gesellschaftlich und politisch relevante Kraft“ an.
In der EU agieren die Berliner VertreterInnen auf Weisung Berlins jedoch deutlich parteiischer. Bei einer Sitzung der COLAT habe Deutschland zu Beginn der zweiten Novemberwoche 2010 erneut entschieden auf eine Unterstützung der international nicht anerkannten de-facto-Regierung unter Führung Lobos gedrängt, bestätigte ein EU-Diplomat Ende Januar. So hätten Berlins VertreterInnen konkret auf eine finanzielle Unterstützung von honduranischen Ministerien durch Brüssel bestanden. Bei einem Folgetreffen der Regionalarbeitsgruppe AMLAT Mitte November drängten die deutschen EU-Verhandlungsführer auf eine Reintegration von Honduras in wirtschaftspolitische Institutionen. „Bei dieser letzten eingehenden Beratung zum Thema haben die Deutschen vor allem den Ausschluss von Honduras aus dem EU-Investitionsinstrument LAIF moniert“, sagte der Brüssler Diplomat gegenüber dem Nachrichtenportal amerika21. Dieses Instrument war im Mai vergangenen Jahres von der EU geschaffen worden, um zusätzliche Finanzmittel für die Wirtschaftsförderung in Lateinamerika zu kanalisieren.
Bei Nichtregierungsorganisationen und Oppositionsparteien trifft diese Linie auf zunehmende Kritik. Vor allem die Wiederaufnahme von Honduras in das EU-Programm zur Unterstützung des Sicherheits- und Justizsektors (PASS) im Februar wird mit Unbehagen gesehen. Die EU hatte Honduras in diesem Zusammenhang Gelder in Höhe von 44 Millionen Euro zugesagt – unter anderem zur Stärkung der „Sicherheitskräfte“. Entwicklungs- und Menschenrechtsorganisationen reagierten schockiert. Die geförderten Institutionen würden ihren Funktionen nicht gerecht werden, merkten mehrere europäische Netzwerke schon im Oktober vergangenen Jahres an. Wenn die EU an der Hilfe festhalte, laufe sie Gefahr, diejenigen zu unterstützen, die für anhaltende Menschenrechtsverletzungen verantwortlich sind.
Doch auch an diesem sensiblen Punkt haben die Brüsseler DiplomatInnen über den Putsch hinaus an ihrer Politik festgehalten. Das 2008 gestartete PASS-Programm soll weiterhin in drei Phasen durchgeführt werden. Nach Angaben von Vanessa Valladares, der EU-Beauftragten für Entwicklungszusammenarbeit und zivilen Dialog in Tegucigalpa, wurden in den ersten drei Jahren des umstrittenen Programms von den in der ersten Phase eingeplanten neun Millionen Euro 800.000 Euro gezahlt. Allerdings, so Valladares, seien nur Laborausrüstung und Kameras für die Sicherheitskräfte bezahlt worden. Doch selbst wenn diese Angaben stimmen, entlasten sie den Haushalt der PutschistInnen, die so mehr Geld für den Ausbau des Repressionsapparates haben. Menschenrechtsorganisationen haben weiter Grund zur Sorge.

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