Honduras | Nummer 303/304 - Sept./Okt. 1999

Kraftprobe vorerst bestanden

Der honduranische Präsident Carlos Flores kann das Militär unter Kontrolle behalten

In Honduras ist der Machtkampf zwischen ziviler und militärischer Gewalt noch nicht endgültig entschieden: zwischen Mai und Juli rumorte es in der Armeeführung. Die kursierenden Putschgerüchte ließen die Angst vor einer Rückkehr zu überwunden geglaubten Verhältnissen aufflackern, als sich – zwischen den sechziger und den frühen achtziger Jahren – statt gewählter Präsidenten verschiedene Militärjuntas an der Macht abwechselten. Die Gefahr einer Machtübernahme durch die Armee scheint seit dem Durchgreifen von Präsident Flores aber erst einmal gebannt.

Valentin Schönherr

Am Nachmittag des 30. Juli konnte sich Carlos Flores, honduranischer Präsident seit 1998, in einer Rundfunk- und Fernsehansprache schon wieder beruhigend äußern: In keinem Augenblick habe in Frage gestanden, daß die Armee sich dem verfassungsgemäßen Oberbefehl des Präsidenten unterordnet. Vielmehr seien durch die Beratungen dieses Tages die Militärreformen gefestigt worden und die Streitkräfte hätten geradezu ein Beispiel von Verfassungstreue geliefert.
Man mag diese Verharmlosungen getrost unter Imagepflege verbuchen. Denn sehr wohl hatten Teile der Armee versucht, die mit einer Verfassungsänderung vom Januar gewandelten Machtverhältnisse wieder zu ihren Gunsten zurückzudrehen – in klarer Konfrontation zur Regierung. Bereits am 24. Mai, als sich Flores zu einer Mitch-Geberkonferenz in Stockholm aufhielt, hatten der Oberkommandierende des Heeres, Rodolfo Interiano Portillo, und General Oscar Hernández Chávez Truppen in der Hauptstadt Tegucigalpa konzentriert. Dies seien regelrechte Vorbereitungen für einen Putsch der Streitkräfte gewesen, so ein Militärvertreter. Offensichtlich kam es nur deswegen nicht zu einer offenen Rebellion, weil lediglich drei Bataillone ihre Unterstützung für den Putsch zugesagt hatten.

Stühlerücken

Mitte Juli fand dann der zweite Akt des Dramas statt: Diesmal nutzte die Armeeführung die Abwesenheit von Verteidigungsminister Eduardo Dumas, der sich in Mexiko befand, für ein Stühlerücken, das Gegner der Zivilregierung in einflußreichere Positionen bringen sollte. Hierbei hatte der ehemalige Generalstabschef General Hung Pacheco seine Hand im Spiel, der im Zusammenhang mit der Reform im Januar hatte gehen müssen.
Am 30. Juli berief Präsident Carlos Flores überraschend die Militärführung und wichtige Kabinettsmitglieder zu einer Krisensitzung ein. Putschgerüchte machten die Runde, während der Amtssitz des Präsidenten festungsartig abgeriegelt wurde. Schließlich gab Flores das Ergebnis der achtstündigen Beratung bekannt: Insgesamt 33 Militärs sollten versetzt werden, unter ihnen der Vizeverteidigungsminister Roberto Lázarus Lozano, der Generalstabschef Eugenio Romero Euceda und dessen Stellvertreter. Allerdings blieben die Drahtzieher des Putschversuches vom Mai, Interiano Portillo und Hernández Chávez, auf ihren Posten.
Der entscheidende personelle Einschnitt ist, daß Generalstabschef Romero Euceda, dem eine Schlüsselposition in der präsidentenfeindlichen Opposition zugekommen sein soll, aus seiner mächtigen Stellung in der Armeeführung entfernt wurde und er nunmehr als stellvertretender Verteidigungsminister eng an die zivile Militärverwaltung gebunden werden sollte. Diese Rolle akzeptierte Romero Euceda nur bis zum 7. August, dann trat er zurück – aus Gründen traditioneller Rangordnungen. Mit seinem neuen militärischen Vorgesetzten, seinem Nachfolger als Generalstabschef, Daniel Augusto López Carballo, habe er sich nicht abfinden können, da er über weniger Erfahrung verfüge als er. López Carballo, der als präsidentenloyal gilt, könnte ihn jedoch auch aus anderen Gründen gestört haben.
Offensichtlich ist Flores bei den Personalwechseln sehr diplomatisch vorgegangen. Anstatt diejenigen Generäle, die seiner Entmilitarisierungspolitik entgegenstehen, einfach zu entlassen – womit er die Gefahr eines Putsches womöglich vergrößert hätte, anstatt sie zu bannen –, hat er sich auf einige wichtige Veränderungen beschränkt und zugleich bewiesen, daß er in der Lage ist, die ihm zukommende Macht über die Armee auch auszuüben.
Dies ist alles andere als selbstverständlich. Denn die honduranische Armee steht erst seit Januar 1999 unter dem Oberbefehl des Präsidenten (vgl. LN 297). Seither wird sie nicht mehr quasi autonom vom Generalstab geführt, sondern ist durch das neugeschaffene Amt des zivilen Verteidigungsministers, der mit umfangreichen Kompetenzen ausgestattet ist, in die Exekutive eingebunden. Ob über die rechtliche Regelung hinaus die neuen Machtverhältnisse auch in konkreten politischen Handlungen umgesetzt werden würden, war bisher noch offen. Mit dem zugunsten der Zivilmacht entschiedenen Konflikt scheint das langfristige Projekt der Entmilitarisierung des Landes jedoch einen wichtigen Schritt weitergekommen zu sein.
Bei dem Konflikt zwischen Armee und Regierung geht es jedoch nicht einfach um die politische Macht, sondern zur Zeit vordergründig um wirtschaftliche Interessen. Die honduranische Armee, seit dem Ende des Contra-Krieges gegen das sandinistische Nicaragua und dem Abzug der US-Truppen um ihre Hauptaufgabe gebracht, hat sich in den vergangenen Jahren vor allem unternehmerisch engagiert und ist mittlerweile eines der acht größten Wirtschaftskonsortien in Honduras. Ihr gehören unter anderem die zwei bedeutendsten honduranischen Zementfabriken, ein Fußballclub, eine Bank und diverse Versicherungsunternehmen.

Armee im Drogenhandel aktiv

Zugleich ist die Armee jedoch auch im Waffen- und Drogenhandel aktiv, wie kürzlich am Beispiel des von der Luftwaffe genutzten Camps El Aguacate in der nordöstlich gelegenen Provinz Olancho nachgewiesen werden konnte: Hier gelang es einer Gruppe politisch engagierter Bauern, in das Camp einzudringen, und sie konnten beobachten, wie „Säcke mit weißem Pulver“ verladen wurden.
Bei ihren wirtschaftlichen Aktivitäten stützt sich die Armee vor allem auf das militärinterne Instituto de Previsión Militar (IPM, Militärisches Institut für Vorsorge). Dem IPM, das eigentlich die Auszahlung von Pensionen an verabschiedete Militärs zu regeln hat und dafür staatliche Gelder erhält, ohne bisher vom Staat kontrolliert worden zu sein, gilt jetzt die verstärkte Aufmerksamkeit der Regierung.
Verteidigungsminister Dumas sagte Anfang Juli den dunklen Geschäften des IPM den Kampf an. Er wollte den Handel mit militärischem Gerät unter die Kontrolle seines Ministeriums bringen und einen Regierungsvertreter in das Aufsichtsgremium des IPM entsenden. Für den 30. Juli hatte Dumas angeordnet, daß Mitarbeiter des honduranischen Rechnungshofes mit der Untersuchung der Geschäftsunterlagen des IPM beginnen. Diverse Militärs standen im Verdacht, unter dem Schutz des IPM Briefkastenfirmen zu betreiben oder Scheinkäufe zu tätigen und dabei massiv Geld zu veruntreuen. So wird ein ehemaliger Leiter der Armería, derjenigen Institution, die Waffenscheine ausstellt und für den Waffenhandel offiziell zuständig ist, verdächtigt, Beträge um die 20 Millionen US-Dollar beiseite gelegt zu haben.
Es dürfte kaum ein Zufall sein, daß Präsident Flores sich genau an dem Tag der Rechnungsprüfung gezwungen sah, die Krisensitzung einzuberufen und die Umbesetzungen vorzunehmen. Möglicherweise hatten sich unmittelbar im Vorfeld Militärs geweigert, die Kontrolle zuzulassen; möglicherweise ging es am 30. Juli nicht nur um Personalfragen, sondern auch darum, das Problem der Wirtschaftskontrolle zu regeln. Ob Flores in diesem Punkt Zugeständnisse gemacht hat, um sich den Gehorsam der Armeeführung zu erkaufen, ist nicht nach außen gedrungen, es liegt aber nahe.
Die Kombination von wirtschaftlicher, militärischer und finanzieller Macht in den Händen des Militärs bedroht den Demokratisierungsprozeß in Honduras erheblich. Daß die Entmilitarisierung des Landes mit bloßen Gesetzesänderungen nicht zu erreichen ist, war vorauszusehen. Daß sie aber mehr verlangt, als die Entscheidungsgewalt über Personalfragen zu gewinnen, hat der Konflikt vom Frühsommer bewiesen.

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