Literatur | Nummer 596 - Februar 2024

Lyrik aus Lateinamerika

Ein Gedicht von Natalia del Carmen Eduardo

Von Natalia del Carmen Eduardo (Übersetzung: Aurelia Tens)

Una curva peligrosa

Vivo enfrente de una curva peligrosa,
la gente se pone nerviosa porque los autos son grandes y nadie sabe muy bien quién es
y qué merece.

Por ahí caminaban dos hombres, hablando,
sus manos sueltas, colgadas hacia ellos mismos.
Los imaginé tomados de las manos,
todo se veía diferente.

Qué frágil la distancia entre esos hombres que ahora están enamorados
y la forma en la que esa curva podría atropellarnos a todos,

o peor aún,

atropellar al recuerdo de ti girando hacia los dos lados de la calle,
entrando sin llave a esta casa donde se teje sin herramientas para unir la nada,
donde los pájaros solo pasan una vez al día,
sin entrar, sin quedarse.

Un recuerdo tan estable como el cemento que sostiene esta casa a punto de caer,
y como el amor entre estos dos hombres que acaban de bifurcar en direcciones contrarias.

Eine gefährliche Kurve

Ich lebe an einer gefährlichen Kurve,
die Menschen werden nervös, weil die Autos groß sind und niemand so wirklich weiß, wer darin ist und was sie verdienen.

Dort entlang gingen zwei Männer, redend, ihre Hände lose neben ihren Körpern hängend, zueinander gerichtet.
Ich stellte mir vor, wie sie Händchen halten,
alles sah anders aus.

Wie zerbrechlich ist der Abstand zwischen diesen beiden Männern, die jetzt verliebt sind,
und die Art und Weise, wie diese Kurve uns alle umwerfen könnte,

oder noch schlimmer,

die Erinnerung an dich umwerfen könnte, wie du dich umdrehst in beide Richtungen der Straße,
ohne Schlüssel in das Haus trittst, wo man ohne Werkzeuge strickt, um das Nichts zu vereinen,
wo die Vögel nur einmal am Tag vorbeikommen,
ohne einzutreten, ohne zu bleiben.

Eine Erinnerung, die so stabil ist, wie der Zement, der dieses Haus am Rande des Einsturzes hält,
und wie die Liebe zwischen diesen beiden Männern, die gerade in entgegengesetzte Richtungen abgebogen sind.

Natalia del Carmen Eduardo, geboren in Guatemala, schreibt feministische Lyrik, und hinterfragt in diesen Gender- und Gesellschaftskonstrukte. Sie lebt in Berlin und hat 2019 für ihre Bachelorarbeit über „Feminist and Decolonial Practices of Remembering in Postwar Guatemala“ den Genderpreis der Universität Potsdam gewonnen. 

Aurelia Tens lebt in Berlin und studiert dort Germanistik und Lateinamerikastudien. Sie selbst schreibt deutsche Autofiktion, nach ihrem einjährigen Auslandsaufenthalt in Buenos Aires ist sie zudem an spanischer und portugiesischer Lyrik interessiert.

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