Brasilien | Nummer 228 - Juni 1993

Militärs “besorgt” über US-Manöver in Guyana

Seit zwei Monaten führen US-amerikanische Truppen Militärmanöver in Guyana durch, etwa 100 Kilometer von der brasilianischen Grenze entfernt. Es sind die ersten US-amerikanischen Manöver im Amazonasgebiet. In einem Gespräch mit Präsident Itamar Franco hat nun der brasilianische Heeresminister Zoroastro seine Besorgnis über diese Manöver kundgetan. Solche Äußerungen spiegeln zunächst die in Brasilien und besonders unter den Militärs weitverbreitete Meinung wider, Amazonien könnte Ziel von Plänen sein, diesen Landesteil aus dem brasilianischen Territorium herauszubrechen.

Thomas W. Fatheuer

Militärs im “großen, leeren Raum”

Zwar gibt es verschiedene Äußerungen von Politikern (z.B. dem französischen Staatspräsidenten Mitterand), die sich in einem solchen Sinne auslegen lassen, in Wirklichkeit aber handelt es sich hier eher um Legitimationsbemühungen der brasilianischen Militärs. Ein anderer wichtiger General, Gilberto Serra, Chef des Zentrums für soziale Kommunikation des Heeres, hat wiederholt betont, daß Amazonien für das Heer oberste Priorität bedeute. Die US-amerikanischen Manöver sind daher ein willkommener Anlaß, das alte Gespenst einer Bedrohung Amazoniens aufleben zu lassen.
Damit können die Militärs zwei Ziele verfolgen. Erstens haben sie gewisse Schwierigkeiten, ihre Rolle nach dem Ende des Kalten Krieges zu legitimieren. Niemand glaubt mehr, daß starke Streitkräfte zur Eindämmung kommunistischer Subversion notwendig seien. Ein Putsch droht auch nicht, da die Militärs zur Zeit zumindest kein politisches Projekt erkennen lassen. Also bleibt Amazonien der große leere Raum Brasiliens, der über die Hälfte der Fläche des Landes ausmacht; ein machtpolitisches Vakuum, Tummelplatz für DrogenhändlerInnen und illegale GoldgräberInnen. Brasilianische Amazonaspolitik soll somit militarisiert werden, die Streitkräfte hätten eine wichtige Funktion erobert.
Kurzfristig aber, und das ist der zweite Punkt, geht es den Militärs darum, das brachliegende Projekt “Calha Norte” wiederzubeleben. Dieses unter der Regierung Sarney begonnene Projekt sollte zunächst eine militärisch-soziale Entwicklung in den nördlichen Grenzgebieten Brasiliens fördern. Beteiligt waren außer den Militärs auch andere Ministerien (Gesundheit, Erziehung, Landwirtschaft), es wurde dann aber immer mehr zu einem reinen Plan zur Anlage von Militärbasen, unter Mißachtung von Indianer- und Naturschutzgebieten. Aber aus Geldmangel kommt selbst dieses Programm nicht mehr voran. Die Militärs haben also gute Gründe, das US-Manöver aufzugreifen. Für die brasilianische zivile Gesellschaft, insbesondere für die Gruppen in Amazonien und deren nationale UnterstützerInnen bleiben die Versuche, alle Probleme Amazoniens als Fragen der “nationalen Sicherheit” zu definieren, eine große Gefahr.


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