Deutschland | Lateinamerika | Nummer 297 - März 1999

Mit Hauptstadtplänen ins neue Jahrtausend

Das Ibero-Amerikanische Institut in Berlin wird politischer

Das Ibero-Amerikanische Institut in Berlin schaut auf eine lange Geschichte zurück und ist gespannt auf die Möglichkeiten, die sich mit dem bevorstehenden Regierungsumzug nach Berlin ergeben. Die größte europäische Spezialbibliothek zu Lateinamerika und der iberischen Halbinsel hat neben der Forschungsarbeit in der wissenschaftlichen
Abteilung auch die Aufgabe der Völkerverständigung.

Harry Thomaß

Am Morgen des zehnten Februar erwartete die MitarbeiterInnen des Ibero-Amerikanischen Instituts eine böse Überraschung: Wasserrohrbruch im Magazin. Eine ursprünglich pragmatische Überlegung hatte fatale Folgen: Als die Bibliothek in einer Siemensvilla am südlichen Stadtrand Berlins in den siebziger Jahren aus allen Nähten platzte, wurde sie in der Cafeteria der gerade neuerbauten Staatsbibliothek am Potsdamer Platz untergebracht. Den einst als Tiefgarage geplanten Keller funtionierte man kurzerhand zum Büchermagazin um. Die dort verlegten Wasserleitungen wurden an jenem zehnten Februar vor allem den Altbeständen aus der ursprünglichen Sammlung der argentinischen Gelehrtenfamilie Quezada zum Verhängnis. Ein Drama für alle BuchliebhaberInnen und -benutzerInnen. An diesem Tag mußte das Institut geschlossen bleiben, und alle MitarbeiterInnen beteiligten sich an der Rettung der Bücher. Die durchnäßten Bände gingen noch am selben Tag nach Leipzig in das Zentrum für Bucherhaltung. Dort werden die Bücher zur Zeit trocken gefroren.
Das Iberoamerikanische Institut wurde 1930 als preußisches Kulturinstitut gegründet. Mit einem Anfangsbestand von 130.000 Bänden war das Institut im Marstall in Berlin-Mitte untergebracht. Mittlerweile beläuft sich der Bestand auf etwa 800.000 Monographien und 4.500 laufende Zeitschriften. Darüber hinaus verfügt das Institut über eine umfangreiche Kartensammlung, meistens Militärkarten, über eine Dia-, Foto- und Videosammlung und über mehr als 20.000 Tonträger. Im Magazin, wo sich die Bestände befinden, erinnert kaum mehr etwas an die Tiefgarage: Ein Labyrinth aus Bücherregalen, Gängen, Treppen und Türen, der leicht saure Geruch von Bücherstaub in der Luft. Nur die leuchtenden Mittelstreifen, die bei Stromausfall den Weg nach draußen weisen, lassen vermuten, daß die Räumlichkeiten einst anderem dienen sollten.

Könige und Stinos

Oben im Leesesaal studieren nicht nur Leute aus dem akademischen Bereich in den Büchern aus dem Ibero-Amerikanischen Kulturraum: Da sitzt zum Beispiel ein interessierter Bürger neben einer Studentin der Lateinamerikanistik, eine argentinische Akademikerin forscht für ihre Dissertation, ein Venezolaner liest in der Zeitungsecke seine heimische Tagespresse. Auch prominenten Besuch bekommt das Institut des öfteren. Der spanische König staunte nicht schlecht, als ihm bei einem Besuch im Institut eine Tonbandaufnahme von seinem Großvater überreicht wurde.
Im letzten Jahr kam das Ibero-Amerikanische Institut durch den Bericht des Bundesrechnungshofs in die Presse. In den Feuilletons der großen Zeitungen schlug sich nieder, daß laut darüber nachgedacht wurde, ob das Institut ohne seine wissenschaftliche Abteilung und als Teil der Staatsbibliothek nicht wirtschaftlicher arbeiten könnte. Kurz machte sich Panik breit, daß damit die gut ausgestattete Institution, deren Bestände weltweit kaum ihresgleichen finden, dichtgemacht werden könnte. Bald legte sich die Aufregung aber wieder. Die Pläne sind vom Tisch.

Das Institut der großen Politik?

„Nur was sich verändert, bleibt“, sagte der scheidende Präsident Dietrich Briesemeister bei seiner Verabschiedung im Februar. War Briesemeister als Romanistik-Professor vorwiegend im Hochschulbereich tätig, so wird unter seinem Nachfolger Günter Maihold eher das Wissenschaftsmanagement in den Vordergrund gerückt werden. Maihold war lange Zeit Chef des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Costa Rica und ist Leiter der Projektgruppe Entwicklungshilfe.
Die neue Regierung in Bonn hat die Mittel für den Erwerbungsetat um circa 25 Prozent erhöht, somit beläuft sich der Etat jetzt auf fast 1,3 Millionen DM. Damit können empfindliche Bestandslücken gefüllt und der laufende Erwerb aufrechterhalten werden. Zugleich wird das Institut neben seiner alltäglichen Bibliotheksfunktion stärker in der offiziellen Kulturpolitik verankert werden. Mit dem Umzug der Regierung und sämtlicher Botschaften nach Berlin werden die Wege für eine internationale Kulturarbeit sehr viel kürzer.

Und die Technik…

Das Computersystem des Instituts ist noch längst nicht auf dem neuesten Stand, obwohl es in letzter Zeit einige Veränderungen gab. Mehrere Terminals können von den BenutzerInnen für die Suche nach Literatur benutzt werden, dennoch ist bislang noch nicht einmal der gesamte Katalog im hauseigenen Netzwerk eingearbeitet geschweige dem per Fernabfrage zugänglich. Nach wie vor ist der Griff zum Zettelkatalog notwendig. Es wird wohl noch mindestens fünf Jahre dauern, bis der gesamte alphabetische Katalog des Instituts per Computer abgefragt werden kann. Trotzdem wird das zur Verfügung stehende Angebot demnächst im Internet zugänglich sein, und mit einem CD-Rom Netzwerk ist der Zugriff auf verschiedene Datenbanken bereits ermöglicht worden.
Eine weitere Schwierigkeit ist das dürftige Angebot an lateinamerikanischer Tagespresse. Ein kleiner Ständer mit ein paar Zeitungen und ein paar Sessel vermitteln zwar eine gemütliche Atmosphäre, aber an die täglichen Informationen kommt man hier kaum. Da würden einige Terminals mit Internetanschluß mehr Aktualität bringen – und dem „Ibero“, wie es von seinen BenutzerInnen kurz bezeichnet wird, zu dem technischen Niveau verhelfen, das ihm seiner Bedeutung nach zukommt.

Ibero-Amerikanisches Institut
Preußischer Kulturbesitz
Potsdamer Str. 37, 10722 Berlin
Tel: 030 / 2662500
Fax:030 / 2662503
eMail: iai@iai.spk-berlin.de
http://www.iai.spk-berlin.de
Da das Ibero-Amerikanische Institut nicht in direkter Verbindung zu universitären Einrichtungen steht, können Diplom- und Magisterarbeiten sowie Dissertationen zu lateinamerikanischen Themen nur in die Bibliothek gelangen, wenn die VerfasserInnen selbst dafür sorgen. Das Institut bat uns, auf diesen Umstand hinzuweisen. Wir kommen dem gern nach.

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