Nummer 201 - März 1991 | Peru

Peru in den Zeiten der Cholera

Cholera in Peru -“‘das ist sie, die Afrikanisierung Lateinamerikas” schreibt die Taz (20.2.1991). Als gebe es eine geheime Hitliste der Katastrophenmeldungen in Lateinamerika, auf der Peru nun endgültig den ersten Platz einnimmt. Und in guter Taz-Manier kommentiert der Verfasser ganz medienkritisch: “Das dampfende Alchimistengemisch aus Krise, Drogen, Terrorismus und Cholera, aus dem die Medien des Nordens Gold gewinnen, ist dabei, sich zu einem gedanklichen Brei zu verfestigen, der alle Jahre wieder umgerührt werden kann. ” Nur da? die Schlagzeile von der “Afrikanisierung Lateinamerikas” eben mitstrickt an diesem “‘gedanklichen Brei”, ohne kleine, aber wichtige Differenzierungen. Was nämlich soll, bitteschön, die Rede von der “Afrikanisierung Lateinamerikas ” anders heißen, als daß der Kontinent der “edlen Wilden” (und der endlosen Projektionsflächen) nun endgültig von den Seuchen des “schwarzen Kontinents” (der schon immer für alle Urängste herhalten mußte) angesteckt wird? Der Taz-Komentator schreibt: “Während bislang die Lateinamerikaner immerhin teilweise wahrgenommen wurden, ihre Erinnerungen und Hoffnungen einen bestimmten Platz im europäischen Bewußtsein hatten (besser gesagt: Spielfläche für Projektionen, d.V.), wird (…)die Seuchenausbreitung als archaisches Phänomen abgehandelt “.

Erdmute Alber

Es ist ja richtig, daß die Cholera-Epidemie in Peru zu einem Zeitpunkt ausgebrochen ist, als es wahrlich genug andere Probleme im Land gab und gibt (mensch lese nur den Artikel in dieser Nummer). Auch sprechen viele Indizien dafür, daß die peruanische Regierung, möglicherweise aus Furcht vor sozialen Unruhen, die Bekanntmachung des Ausbruchs der Epidemie verzögert hat, und erst, als die Zahl der Erkrankten schon in die Hunderte ging, öffentlich Maßnahmen verkündete. Daß inzwischen über 18.000 Menschen in Peru an Cholera erkrankt (in den Statistiken werden allerdings nur diejenigen “Krankheitsfälle” gezählt, die in Krankenhäusern oder -Stationen registriert sind) und offiziell bereits 144 gestorben sind, Tendenz steigend, könnte möglicherweise mit dieser Politik zusammenhängen.
Cholera ist nämlich eine vergleichsweise leicht zu bekämpfende Seuche, wenn die Erkrankten erstens sofort ausreichend medizinisch versorgt werden, und zweitens, wenn sofort Maßnahmen zur Verhinderung der Ausbreitung der Seuche ergriffen werden. Besonders letzteres ist in Peru versäumt worden.
Was ist Cholera? Krankheitsträger dieser Bakterienkrankheit sind “Vibrio cholerae”, die den Darm angreifen und eine äußerst heftige Durchfallerkrankung verursachen. Die hohe Sterblichkeit bei Infizierten, die keine medizinische Betreuung erhalten, ist durch den Flüssigkeitsverlust verursacht. Bis zu 70% sterben an Cholera, wenn sie nicht sofort behandelt werden. Die Chancen, eine Choleraerkrankung zu überleben, sind dagegen bei sofortiger ärztlicher Behandlung hoch. Die Therapie besteht vor allem aus Flüssigkeitszufuhr, das heißt, die Kranken müssen sofort viel trinken und Infusionen bekommen. Das Feldlazarett aus Frankreich, das nach Lima geschickt wurde, ist eine sehr sinnvolle Hilfe, weil die Kranken in der Tat gut in einer solchen Massenunterbringung versorgt werden können, geht es doch vor allem darum, sie schnell an Infusionströpfe zu hängen.
Als sogenannte Pandemie gehört Cholera zu den Krankheiten, die sich von Zeit zu Zeit wellenförmig über die ganze Erde verbreiten. Die letzte große Pandemie brach im 19. Jahrhundert im Gangesdelta in Indien aus, und erreichte damals auch Hamburg. Die jetzige Weile begann 1961 in Indonesien und verschob sich von dort nach Afrika und Europa. 1973 wurden Erkrankungen aus Portugal ge-meldet, in Afrika traten in praktisch allen Ländern Erkrankungsfälle auf. (In Zambia sind zwischen Oktober 1990 und Februar 1991 ca. 600 Menschen an Cholera gestorben, kaum wahrgenommen von den hiesigen Medien. Bis auf einige wenige Fälle an der Küste von Nordamerika blieb der amerikanische Doppelkontinent bis zum Ausbruch in Peru verschont.
Bis vor kurzem war als einzigeR TrägerIn der Bakterien der/die Mensch bekannt. (Eine Choleraimpfung von Schweinen, wie aus Peru berichtet, ist demnach völlig sinnlos). Zwischen den Epidemien “überwintern” die Bakterien auf “asymptomatischen TrägerInnen”, das heißt, daß sie von Menschen weiterhin ausgeschieden werden, die selber aber nicht (mehr) krank sind. Weitergegeben werden sie vor allem über Fäkalien, verseuchtes Trinkwasser und verschmutzte Nahrungsmittel. Zum Ausbruch der Krankheit ist aber jeweils eine große Menge von Bakterien nötig. Es ist also klar, daß Cholera eine Krankheit der Armen ist, weil sich sozial bessergestellte Menschen durch sauberes Trinkwasser und bessere hygienische Bedingungen vor der Ansteckung schützen können. Durch schon abgekochtes Wasser, Gemüse oder Fleisch können die Bakterien nicht weitergegeben werden.
In jüngster Zeit wird allerdings auch Zooplankton verdächtigt, Bakterienträger zu sein. Die paar Cholerakranken in den USA holten sich die Krankheit durch den Verzehr von Krabben. insofern macht es Sinn, daß die peruanische Regierung den Fang und Verkauf von frischem Fisch für drei Monate verboten hat. Allerdings dürften die sozialen Folgen, vor allem Arbeitslosigkeit unter den Fischern, fatal sein; allein schon der Verzicht auf rohen Fisch (sprich: die lokale Spezialität Cebiche) läßt einen Markt zusammenbrechen. Besonders aus Chibote, der Hafenstadt im Norden Perus, die von Öl- und fischverarbeitender Industrie lebt, werden verheerende Folgen gemeldet. Dort soll die Epidemie auch angeblich begonnen haben. Alles in allem macht dieses Verbot eher den Eindruck einer hektischen, aber sinnlosen Betriebsamkeit. Was versäumt wurde (möglicherweise durch die Taktik des Nicht-bekanntgebens), war, rasch den “Index-Fall” zu ermitteln, also die Person, die zuerst infiziert wurde. Wenn er oder sie bekannt ist, dann können in einem zweiten Schritt die möglicherweise angesteckten Personen festgestellt und überwacht werden. Auf diese Weise wurde in den USA und auch in Portugal die Ausbreitung der Krankheit verhindert. In Peru geschah dies nicht, und wenn die Bakterien einmal in das öffentliche Trinkwassersystem gelangt sind, ist es für eine systematische Eindämmung bereits zu spät.
Nach Auskunft von Frau Dr. Harms vom Tropeninstitut Berlin hat die peruanische Regierung sehr lange (bis Anfang Februar) erklärt, sie bekämen die Epidemie selbst in den Griff. Unterdessen hat sie sich aber im ganzen Land ausgebreitet, auch aus dem Hochland (z.B. Huancayo) werden Erkrankungen gemeldet. Besonders betroffen sind “natürlich” pueblos jovenes und alle Wohnviertel, die unter schwieriger Wasserversorgung leiden.
Von Cholera sind zwar hauptsächlich “die Armen” betroffen, der Ausbruch steht jedoch nicht in einem direkten Zusammenhang mit der Wirtschaftskrise, denn die hygienischen Bedingungen haben sich in den letzten Monaten nicht so gravierend verschlechtert, als daß die Krankheit nicht genauso gut oder schlecht vor einem Jahr hätte ausbrechen können. Schlimm nur ist, daß jeder Todesfall verhindert werden könnte, bei guter ärztlicher Versorgung, einem besseren Trinkwassersystem und bei sofortiger Eindämmung; der Epidemie, wozu rasche Aufklärung vonnöten gewesen wäre. Und das alles ist eben nicht geschehen.

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