Rechenkünstler
Kein Vertrauen in salvadorenische Wahlen
Noch etwas anderes prognostizierte die UCA: eine große Zahl der Wahlberechtigten werde nicht zur Wahl gehen. Über 40 % von ihnen war überzeugt, daß es einen Wahlbetrug geben würde. Die Realität gab ihnen recht. Die ersten Trendrechnungen am Abend des 10. März ließen unerwartete 16-17 % für die Convergencia erahnen. Die CD wäre damit eindeutig drittstärkste Partei des Landes geworden. Danach ließ man sich über eine Woche Zeit, bis die ersten offiziellen Endergebnisse aus einzelnen Provinzen veröffentlicht wurden. Der Trend war nicht zu verkennen. Der zentrale Wahlausschuß der lediglich mit Vertetern von ARENA, PDC (Christdemokraten) und der PCN (Regierungsparte der 70er Jahre) besetzt war, hatte offenbar beschlossen, daß die PCN dritte Kraft auf Parteienebene bleiben soll. Am 22. März wurden dann die endgültigen Ergebnisse veröffentlicht. ARENA “beschmutzte” sich nicht mit einer absoluten Mehrheit, sie erhielt 39 Sitze in dem auf 84 Mandate erweiterten Parlament. Danach besetzen die PDC in Zukunft 26, die aussichtlose PCN 9, die Convergencia 8, die UDN einen und die rechte PDC-Abspaltung MAC ebenfalls einen Sitz. Damit war die Convergencia plötzlich nur noch die viertstärkste politische Kraft. Diese Mandatsverteilung ist ein echtes Kunststück, da gleichzeitig anerkannt wurde, daß die Convergencia 12 % und die PCN nur 9 % der Stimmen bekamen. Nach dem herrschenden Wahlgesetz nämlich werden 64 Sitze pro Provinzparlament (Departamentos) ermittelt. Je nach EinwohnerInnenzahl wiederum stehen den Departamentos eine bestimmte Anzahl von Mandaten im nationalen Parlament zu. Daß die Convergencia eben in den “falschen” Provinzen drittstärkste Kraft wurde und weniger Sitze als die PCN erhielt, kommentierte der ARENA-Gründer Roberto d’Abuisson folgendermaßen: “Die Convergencia hat eben Pech gehabt.” Gleichzeitig stieß er heftige Drohungen gegen den Chef der Convergencia, Rubén Zamora, aus. Die Drohungen erinnerten fatal an jene, die den Morden an Erzbischof Romero 1980 und den Jesuiten 1989 vorausgingen…
Wahlen in El Salvador sind weit davon entfernt, Bestandteil eines demokratischen Prozesses zu sein, auch wenn die ARENA-Prominenz nicht müde wird, dies immer wieder zu beteuern. In den 80er Jahren hat es etliche Urnengänge gegeben, alle in der Logik der Aufstandsbekämpfung. Die Tatsache, daß auch diesmal 55 % der Wahlberechtigten den Urnen ferngeblieben sind, verdeutlicht die Folgen dieser Politik. Inwieweit die Opposition dieses Potential für sich gewinnen und mobilisieren kann, wird sich bis 1994 zeigen, wenn ein neuer Präsident gewählt werden soll.
Die Endergebnisse (22. März 1991)
Partei % Mandate
ARENA 44,3 39
PDC 28,0 26
PCN 9,0 9
Convergencia
Democrática (CD) 12,0 8
MAC 3,0 1
UDN 2,7 1
Die FMLN: Leidige Wahlen und eine neue Dynamik
Man hat sie unter den derzeitigen Bedingungen nicht gewollt, aber die Verhandlungsdynamik und die Tatsache, daß die Convergencia ihre Teilnahme zugesagt hatte, hatten der FMLN das erste Mal verboten, die Wahlen zu boykottieren.
Lange mußte die Frente diskutieren, bis die Poitionen definiert waren: Keine Empfehlung für eine der Oppositionsparteien, keine Wahl in den kontrollierten Zonen (nur in den Provinzhauptstädten), und kurz vorher verfügte die FMLN eine dreitägige Waffenpause. Die Armee nutzte dies aus, um in großangelegten Operationen bestimmte Regionen für eine begrenzte Zeit einzunehmen, damit dort die Wahlen durchgeführt werden konnten. Gleichzeitig jedoch wurden auch Fälle bekannt, bei denen das Militär u.a. in Chalatenango und Morazán Personen behinderte ihre Stimmen abzugeben.
Neben dem Streik der Beschäftigten des Finanzministeriums gewannen die Verhandlungen zwischen der FMLN und der Regierung in der Öffentlichkeit alsbald wieder großes Gewicht. Zunächst wurde jedoch ein Plan bekannt, der vor den Wahlen angeblich von ARENA, PDC und der Convergencia (UDN nicht) unterstützt wurde. Der Vorschlag läuft auf eine Säuberung des Militärs, ihre Unterstellung unter eine zivile Kontrolle und das Ende der Straffreiheit hinaus. Allerdings sollen diesem Vorschlag zur Folge Offiziere in die entsprechenden Komissionen deligiert werden. DIe PDC äußerte sich nicht dazu und Rubén Zamora dementierte sichtlich verärgert: “Da ist jemand dabei, eine ganz häßliche Geschichte zu konstruieren.”
Frieden noch in diesem Jahr?
Anlässlich der San José VII Tagung in Managua präsentierte die FMLN ihren neuen Vorschlag: Gleichzeitige Behandlung der wichtigsten Themen des Verhandlungsprozesses – Armee, Verfassungsreform und Waffenstillstand (!). So soll unter der aktiven Mitarbeit der Parteien und Organisationen bis Ende Mai ein Waffenstillstand vereinbart werden. Die Reaktionen von Seiten der ARENA und der Militärs auf diesen tatsächlich neuen Vorschlag, der nicht ohne Risiken für die FMLN ist, waren unterschiedlich. Allzu großer Optimismus verbietet sich jedoch. Nach wenigen Tagen sprach der Generalstab ein Machtwort: Die Demobilisierung der Guerilla – so Inocente Montano, Tandona-Oberst und Vize-Verteidigungsminister – sei unabdingbare Voraussetzung für die Vereinbarung eines Waffenstillstandes.