Viva la Confrontación!
Vom Aufweichen und Festhalten am Kalten Krieg zwischen Washington und Havanna
Es war eine Initiative aus dem Herzen des politischen Establishments der USA. Gestandene Konservative wie die ehemaligen Außenminister Henry Kissinger, Laurence Eagleburger und George Schultz hatten sich für eine überparteiliche Kommission stark gemacht, die eine grundsätzliche Revision der US-amerikanischen Kuba-Politik auf die Tagesordnung setzen sollte (siehe http: //uscubacommission.org). Eine ganze Reihe Senatoren beider Parteien unterschrieben, starke Wirtschaftsinteressen assistierten, allen voran die exportorientierten US-Unternehmen von der Farmer- bis zur Pharma-Lobby, die in Kuba einen potentiell interessanten Absatzmarkt sehen. Noch kein Vorstoß zuvor hatte vergleichbare Aussichten, in der Realpolitik der USA tatsächlich Umsetzungsmöglichkeiten zu finden.
Natürlich entdeckten die Vertreter dieser Allianz nicht plötzlich ihre Sympathie zur kubanischen Revolution. Ihr Argument: Das Embargo ist zu einem Dogma geworden, das die Verhältnisse in Kuba zementiert, nicht verändert. Stattdessen gehe es darum, Zuckerbrot und Peitsche intelligenter einzusetzen, um einen politischen Wechsel in Kuba nicht nur zu fordern, sondern auch zu erreichen. Bei den Hardlinern der kubanischen Exil-Gemeinde bissen sie dennoch auf Granit, denn ihnen gilt nach wie vor jeder Anflug einer Aufweichung des Embargos als „Verrat“ und „Kollaboration mit dem Diktator“.
Halbherzige Maßnahmen aus Washington…
Lange schien unklar, wie sich in diesem Kräftemessen die Regierung in Washington verhalten würde. Sie optierte schließlich für einen „typischen Clinton“: Am 5. Januar verkündete der US-Präsident Maßnahmen, die die Nachrichtenagentur afp unter die Überschrift setzte: „USA wollen Embargo gegen Kuba aufweichen“, während Reuters völlig entgegengesetzt titelte „US-Regierung gegen Revision der Kuba-Politik“. Und beide hatten Recht, irgendwie.
Wie für einen Teil der Linken Fidel Castro ein unantastbares Symbol ist, so ist es für einen Teil der Rechten das Embargo. Dies in Frage zu stellen, scheute sich Clinton und erteilte der Einrichtung dieser überparteilichen Kommission eine Absage. Besonders Vize-Präsident Al Gore hat sich dem Vernehmen nach gegen eine weitergehende Wende in der Kuba-Politik stark gemacht. Nicht unbedingt, weil er „rechter“ wäre als Clinton, sondern weil er seine Wahl erst noch vor sich hat; schon jetzt bemüht er sich so um die Wählerstimmen der Cuban-Americans, wie es auch Clinton in seinen Wahlkämpfen getan hatte.
Stattdessen verkündete Clinton fünf Maßnahmen, die weit bescheidener sind als es die Initiative der überparteilichen Kommission war, die aber doch ein wenig in die gleiche Richtung gehen:
– US-Bürger dürfen künftig Überweisungen bis zu 1.200 US-Dollar im Jahr an Privatpersonen oder staatsunabhängige Einrichtungen in Kuba senden – was bislang nur den Exil-Kubanern erlaubt war. (Die Geld-Überweisungen aus dem Ausland sind inzwischen die größte Devisenquelle des kubanischen Staates, noch vor den Nettoeinnahmen aus dem Tourismus und den Zuckerexporten.)
– In den Bereichen Wissenschaft, Kultur und Sport sollen die Kontakte ausgebaut und der Genehmigungsweg erleichtert werden. Da Baseball der Nationalsport beider Länder ist, steht als symbolträchtiger Auftakt ein Match zwischen der US-Profi-Mannschaft der Baltimore Orioles und der kubanischen Nationalmannschaft an, für das seit geraumer Zeit Kontakte geknüpft werden.
– Lebensmittel und Agrarinputs wie Düngemittel, Pestizide etc. sollen künftig an staatsunabhängige Einrichtungen in Kuba verkauft werden dürfen, wobei explizit „religiöse Gruppen und Kubas entstehender Privatsektor wie Familienrestaurants und private Kleinbauern“ genannt werden.
– Der direkte Flugverkehr, der bislang auf Flüge zwischen Miami und Havanna beschränkt war, soll nun auch für weitere Städte in den USA und Kuba genehmigt werden.
– Der direkte Postverkehr zwischen beiden Staaten soll wieder eingerichtet werden.
Begleitet wurden diese Maßnahmen mit Zuckerstücken und Beruhigungspillen für die exil-kubanische Lobby: die Absage an die Bildung einer überparteilichen Kuba-Kommission, eine Aufstockung der Mittel für die aus den USA sendenden Anti-Castro-Stationen Radio-und TV-Martí sowie eine Bekräftigung des Helms-Burton-Gesetzes, durch das 1996 das US-Embargo entscheidend ausgeweitet worden war.
Offensichtlich sind diese Lockerungsschritte mit gezielten politischen Interessen aufgeladen. Wenn der Verkauf von US-amerikanischen Lebensmitteln an nicht-staatliche Organisationen in Kuba erlaubt wird, dann eröffnet dies etwa die Möglichkeit, die Armenspeisungen der katholischen Kirche mit US-Hilfe zu fördern – nicht nur um den Armen in Kuba zu helfen, sondern auch, um der Lebensmittelverteilung des sozialistischen Staates weithin sichtbare Konkurrenz zu machen. Auch sonst macht die US-Politik keinen Hehl daraus, daß es ihr darum geht, durch verstärkte Kontakte nicht nur Menschen glücklicher zu machen, sondern vor allem einen politischen Wandel auf der Insel zu bewirken.
… und vollmundige Ablehnung aus Havanna
Gleichwohl stellen die Maßnahmen Schritte auf dem Weg einer Normalisierung dar, die zwar als unzureichend und ob ihrer politischen Schieflage zu kritisieren sind, gegen die eine Anti-Embargo-Position aber kaum eine Opposition beziehen kann. Sollte man zumindest meinen. Doch das hat die Rechnung ohne die kubanische Regierung gemacht. Während der in Haiti weilende Außenminister Robaina zunächst noch moderate Töne anschlug, wurden die Clintons Maßnahmen von den KP-Oberen in Havanna in einer kühnen Interpretation nicht als „zu wenig“ kritisiert, sondern als „Verschärfung der Agression“ und „neue Offensive der Yankees“ gebrandmarkt, die man nur „in kategorischster Form ablehnen“ und bekämpfen könne.
Parlamentspräsident Alarcón oblag es, den Rundumschlag im kubanischen Fernsehen zu verlesen (siehe Granma Internacional 1/99; www.granma.cu). Das kubanische Volk verwehrt sich demnach auf das entschiedendste gegen jede einzelne dieser Maßnahmen, gegen diese „Beleidigung“ und „ideologische und politische Subversion“ mit dem Ziel, die Kubaner „zu bestechen, ihr Bewußtsein zu erkaufen, den Versuch, Verräter zu produzieren.“ Selbst die Wiedereinrichtung eines normalen Postverkehrs wird mit dramatischem Ton als Manöver entlarvt, solange die US-Regierung nicht entschieden gegen Terroristen vorgehe, die Briefbomben nach Kuba schicken. Mehr Flüge, mehr Besuche? „Die Flugzeuge kommen, so wie wir es für richtig halten; die Personen kommen mit einem Visa, das wir ausstellen.“ Darüber habe die USA gar nichts zu entscheiden, denn: „Dieses Land ist keine Kolonie Nordamerikas!“ Wo auf der einen Seite das Embargo selektiv gelockert wird, wird es auf der anderen Seite selektiv wieder hochgezogen.
In den Tagen danach wurden von den offiziellen Gewerkschaften, dem Bauernverband, kirchlichen Organisationen, NGOs und anderen potentiellen Adressaten der Clintonschen Ankündigung Treuebekenntnisse eingesammelt, die dann in Serie in der Parteizeitung zu lesen waren. Etwa die „Erklärung der kubanischen Bauernschaft angesichts der neuen Offensive der Yankees“, in der diese gelobt, keinerlei anderen Weg als den des sozialistischen Staates für Düngemittel, Samen oder Ackergeräte zu benötigen oder zu wollen, und daß dieser „neue Versuch der Aggression (…) nicht das geringste an unserer absoluten Einheit mit der Partei, der Revolution und Fidel mindert“. Es ist gar nicht lange her, daß der offizielle Bauernverband ANAP, der dies schreibt, sich im Ausland um das Image einer unabhängigen NGO bemühte – und auch in Kuba selbst Hoffnungen nährte, daß er künftig weniger Transmissionsriemen der Regierungspolitik nach unten sondern in wachsendem Maße eigenständige Interessenvertretung der in ihm organisierten Bauern sein könne. Derzeit werden andere Töne verlangt.
Alles deutet darauf hin, daß die kubanische Führung bereits die bescheidenen Änderungen in der US-Politik durchaus als ernste Bedrohung versteht. Dabei stimmt zweifelsohne, daß die USA auch mit den jetzigen Lockerungen der Sanktionen politische Interessen verfolgen, die durchaus in Kontinuität mit der bisherigen Washingtoner Kuba-Politik stehen. Doch daß sie, wie es etwa der Bauernverband in seiner Erklärung schreiben zu müssen meint, eine „Verschärfung der Blockade“ sind, ist schlicht Unsinn. Ganz im Gegenteil, Clintons Maßnahmen geben einen ersten Eindruck davon, welche Konflikte und Probleme eine Aufweichung oder gar Aufhebung der Embargo-Politik für ein politisches System mit sich bringen kann, für dessen Stabilität sich in der Vergangenheit die starre Politik seines Feindes als überaus hilfreich erwiesen hat. Und die bisherige Reaktion der Regierung in Havanna läßt befürchten, daß sie darauf vor allem autoritär im Inneren antworten will.
Nach der Ankündigung aus Washington hatten manche auf ein Tauwetter gehofft, in dem sich beiderseitige politische Gesten und vertrauensbildende Maßnahmen Schritt für Schritt bis zu einer weitgehenden Normalisierung der Beziehungen hochschaukeln könnten. Clintons Maßnahmen waren ein wenig überzeugender Start. Und die Antwort aus Havanna hatte eine klare Botschaft: Es ist Eiszeit, und Punkt.
Aber vielleicht kommt wenigstens das Spiel der Baltimore Orioles gegen Kubas Nationalmannschaft zustande.