Nummer 451 - Januar 2012 | Peru

„Wir brauchen funktionsfähige Umweltinstitutionen“

Interview mit Ruth Luque Ibarra über verweigerte Mitbestimmungsrechte und die Folgen des Konflikts um die Goldmine in Cajamarca

Der Konflikt um den Bergbau in Cajamarca ist nur einer von vielen dieser Art in Peru. Die LN sprachen mit Ruth Luque Ibarra über die Reichweite der Konflikte und die nötigen politischen Schritte zu deren Eindämmung.

Interview: Knut Henkel

In Cajamarca herrscht wegen der Proteste der Bevölkerung gegen den Ausbau der Goldmine Yanacocha der Ausnahmezustand. Welche Bedeutung hat diese Nachricht für andere Bergbauregionen?

Cajamarca ist eine der Regionen, wo sich seit Jahren die Proteste gegen den Bergbau konzentrieren. Dort ist Yanacocha, eines der größten und einflussreichsten Bergbauunternehmen Perus, angesiedelt. Wie beispielsweise der Film Operación Diablo dokumentiert, hat das Unternehmen lokale Anführer und Umweltaktivisten systematisch ausspioniert und verfolgt. Yanacocha ist nun das gleiche Unternehmen, welches das Projekt Conga vorbereitet hat, um den Goldbergbau auszuweiten. Von der Bevölkerung wird dies allerdings abgelehnt, weil die Wasserquellen der Region gefährdet sind. Der Umgang mit diesem Konflikt wird landesweit genau beobachtet – auch hier im Süden Perus. Ich lebe ziemlich genau zwischen Puno und Cusco; die Entscheidung über die Ausweitung des Bergbaus kann auch für uns Bedeutung haben. Bisher war es nicht die Regierung, die den Ausbau der Förderung verbindlich untersagt hat, sondern das Unternehmen, welches das Projekt auf Eis gelegt hat. Somit ist der Ausgang des Konflikts in Cajamarca für alle Bergbauregionen relevant.

Wie verhält sich denn die Regierung? Geht sie kritischer mit dem Bergbau um, nimmt sie ihn – so wie immer mehr Peruaner_innen ­– als ökologisches Risiko wahr?

Präsident Ollanta Humala hat sich während seiner Wahlkampagne immer wieder für den Umweltschutz ausgesprochen. Bezüglich des Projekts Conga hieß es dann, dass Bergbau und Wasserschutz koexistieren müssten. Diese Haltung hat den Widerstand vieler Organisationen und auch deren Unverständnis hervorgerufen. Vor allem im Süden Perus hat man Humala als Verräter und Diener des neoliberalen Modells bezeichnet.

Wie ist denn die Situation im Süden Perus, gibt es auch dort Konflikte rund um den Bergbau?

Ja, es gibt eine ganze Reihe von Konflikten. Einer der gravierendsten ist der Wasserkonflikt von Majes Siguas. In diesem Kontext hat der Konflikt in Cajamarca große Bedeutung. Die Bevölkerung denkt, dass sie eine Form des Protests wie in Cajamarca wählen könnte. Auch wenn sich die Stimmung in den letzten Tagen vielleicht geändert haben könnte, meinen viele, dass der Konflikt beendet werden sollte. Wenn der Staat das Projekt schließen würde, dann wäre der Weg frei für Lösungen in einer ganzen Reihe ähnlicher Konflikte. Wenn der Konflikt nicht gelöst wird, dann wird die Regierung von Humala Schwierigkeiten haben, sich als eine Regierung darzustellen, die in der Lage ist, schwerwiegende Umwelt- und Sozialkonflikte zu moderieren und zu lösen. Bisher fehlt es an klaren Signalen, dass die Regierung auf zuverlässige Umweltgutachten pocht und Bergbauprojekte unter die Lupe nimmt, bevor diese genehmigt werden. Das Umweltministerium ist eine Institution, die wenig ausrichten kann. Vizeminsiter José de Echave hat vor kurzem seinen Posten aufgegeben, weil er keine Chancen auf Veränderungen gesehen hat.

Humala hat große Erwartungen geweckt …

Ja, das ist richtig. Es gab so etwas wie eine Aufbruchstimmung. Ein Problem ist sicher, dass die Leute ihm wenig Zeit geben. Sie wollen schnelle Erfolge und tiefgreifende Veränderungen. Sie wollen gefragt und gehört werden, sie wollen ein Ende der sozialen Exklusion.

Die neuen Gesetze, mit denen der Staat die Minenkonzerne zur Kasse bittet, und das Konsultationsgesetz reichen nicht aus?

Jein, denn eines der Probleme ist ja, dass es viele Regionen gibt, wo zwar Geld vorhanden ist, aber es kaum eingesetzt wird. Da fehlt es an Kapazitäten auf der lokalen Ebene.

Aber wenn es so hohe Erwartungen gibt, ist die Wahrscheinlichkeit doch recht hoch, dass es zu einer Verschärfung der Konflikte kommt. Immerhin gibt es Sozial- und Umweltorganisationen, die die Zahl der Konflikte auf 250 taxieren.

Ja, das stimmt. Es wäre sinnvoll, wenn die Regierung Dinge, die sie ändern möchte, wie das Mitspracherecht bzw. Konsultationsrecht für die indigene Bevölkerung, auch angeht und Tatsachen schafft. Das Gesetz muss allerdings noch mit Bestimmungen zur Umsetzung versehen werden. Dies ist bisher nicht geschehen – ein Versäumnis und ein klares Defizit. Andererseits gibt es sehr viele Konzessionen für den internationalen Bergbau. Doch noch lange nicht überall hat die Bevölkerung auch Mitspracherechte – das wäre aber sinnvoll, denn es geht doch nicht gegen die Bevölkerung. Die Befragung der lokalen Bevölkerung sollte gerade bei bereits bewilligten Großprojekten, wo es Konflikte gibt, angewendet werden. So kann man sehen, ob sich die Konflikte auch ausräumen lassen. Es ist an der Zeit, Respekt für die Entscheidung der Bevölkerung aufzubringen. Aus meiner Sicht wäre das ein Ansatzpunkt.
Aber es gibt auch Zonen, wo die Leute den Bergbau nicht komplett ablehnen. Beispielsweise in der Region von Espinar, wo es schon seit 50 Jahren Bergbau gibt. Aber wie kommt die Umwelt zu ihrem Recht? Wir brauchen funktionsfähige Umweltinstitutionen, die prüfen, kontrollieren, sanktionieren.

Also mehr Monitoring, mehr Kontrolle, mehr Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen?

Ja, genau. Es fehlt an Infrastruktur, an Vertrauen und Transparenz. Die Leute wollen wissen, wie viel das Unternehmen verdient, wo die Gelder bleiben, wie viele Anteile des Gewinns zurückfließen und vieles mehr. Die Leute wollen über die Verwendung ihrer Ressourcen verhandeln und entscheiden. Wir brauchen ein zuverlässiges Monitoring und Instrumente, um den Dialog zu ermöglichen.

Aber fehlt es nicht an einem glaubwürdigen Beispiel? In Cajamarca hat die Bevölkerung nichts von all dem Reichtum und verliert langsam aber sicher die Lebensgrundlage in der Region. Es gibt La Oroya, wo alles im Umkreis von 50 Kilometern verseucht ist. Sind das nicht Botschaften an die Investoren, dass in Peru alles möglich ist?

Das ist richtig, aber es gibt die Signale, dass mehr kontrolliert werden muss, dass es mehr Steuerzahlungen geben soll. Allerdings stimmt auch, dass die staatlichen Institutionen oft im Interesse der Investoren arbeiten. Ein Widerspruch, denn die Regierung soll schließlich im Interesse der Peruaner arbeiten.

Interview: Knut Henkel

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